Wie entstehen Fettzellen? Oder wie reagieren Immunzellen auf eine Infektion? Solche Fragen interessieren Bart Deplancke vom Labor für Systembiologie und Genetik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Er will wissen: Welche Gene sind aktiv in diesen Zellen. Wichtiges Wissen für sehr viele Bereiche, nicht nur bei der Erforschung von Krankheiten. Und finden lässt es sich in so genannten Abschriften, den Transkripten.
Immer wenn Gene aktiv sind, senden sie Informationen aus - die mRNA. Tausende verschiedene mRNA-Moleküle schwirren durch die Zelle. Bekannt wurden sie durch die gängigen mRNA-Impfstoffe gegen Covid. Und um an diese mRNA heranzukommen, muss Bart Deplancke ins Innere einer Zelle vordringen:
„Inspiriert durch die künstliche Befruchtung pieksen wir mit einer extrem dünnen Nadel durch die Zellmembran in die Zellen hinein. So gelangen wir ins Cytoplasma, das den Zellkern umgibt. Hier schwimmen mRNA-Moleküle herum. Die brauchen wir, um sie zu untersuchen, ohne die Zelle dabei zu zerstören.“
Wie ein Messer, das in ein Stück Butter fährt
Eine geeignete Methode erforscht seit Jahren Julia Vorholt, Professorin für Mikrobiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Sie nutzt dazu die Raster-Kraft-Mikroskopie. Diese Technik wurde in Zürich weiterentwickelt, um mit kleinsten Flüssigkeitsmengen zu hantieren. Während Julia Vorholt von unten mit einem Lichtmikroskop Richtung Zelle schaut, nähert sich von oben eine feine Nadel.
„Wir können einstellen, welche Kraft wir ausüben. Dann nähern wir uns der Zelle. Und es ist die Nadel selbst, die dann empfindet, ob es einen Widerstand gibt. Eigentlich, wie wenn man sich mit einer Messerspitze von oben einem Stück Butter nähert, dann merkt man: Plötzlich ist der Widerstand höher. Und das kann das Gerät selbst ausmessen, selbst gesteuert.“
Die Nadel ist innen hohl. Sie durchdringt die Zellmembran, die die Zelle umhüllt. Sehr schonend. Der Zellkern im Innern der Zelle bleibt intakt.
Eingriff an der lebenden Zelle
Sobald die Spitze der Nadel sich im Zellplasma befindet, saugt sie Flüssigkeit ein, mit reichlich mRNA darin. Als Probe reicht ein Pikoliter, der milliardste Teil eines Milliliters.
„Sobald wir dann im Innern der Zelle sind, beginnen wir etwas Flüssigkeit aus dem Innern der Zelle mit Unterdruck abzusaugen. Dies ist der eigentliche Schritt der Extraktion. Wieviel wir absaugen, bestimmen wir mit einem Druckregler. Und dann fahren wir aus der Zelle wieder heraus. Die Zelle bleibt dabei intakt und lebt weiter. Das ist ganz wichtig für das Verfahren. Der Extrakt wird dann mit Überdrück aus der Nadel entlassen und ist dann bereit für die weitere Verarbeitung. Und eben auch der Genaktivität, die wir haben.“
Das klingt nach viel Geduld und Feinarbeit. Aber das muss nicht so bleiben.
„Im Moment ist es so, dass es noch viel Handarbeit ist, und wir mit dem Auge aussuchen, welche Zelle wir manipulieren, und dann auch die Befehle geben, bestimmte Zellen auszusaugen. Wir sind aber dabei, automatisierte Verfahren zu entwickeln, so dass die Anwendung sehr viel leichter sein wird.“
„Sobald wir dann im Innern der Zelle sind, beginnen wir etwas Flüssigkeit aus dem Innern der Zelle mit Unterdruck abzusaugen. Dies ist der eigentliche Schritt der Extraktion. Wieviel wir absaugen, bestimmen wir mit einem Druckregler. Und dann fahren wir aus der Zelle wieder heraus. Die Zelle bleibt dabei intakt und lebt weiter. Das ist ganz wichtig für das Verfahren. Der Extrakt wird dann mit Überdrück aus der Nadel entlassen und ist dann bereit für die weitere Verarbeitung. Und eben auch der Genaktivität, die wir haben.“
Das klingt nach viel Geduld und Feinarbeit. Aber das muss nicht so bleiben.
„Im Moment ist es so, dass es noch viel Handarbeit ist, und wir mit dem Auge aussuchen, welche Zelle wir manipulieren, und dann auch die Befehle geben, bestimmte Zellen auszusaugen. Wir sind aber dabei, automatisierte Verfahren zu entwickeln, so dass die Anwendung sehr viel leichter sein wird.“
Ein Schnappschuss der Genaktivität
Dann folgt die Untersuchung der Probe. Bart Deplancke und sein Team verfügen über geeignete Methoden, um die mRNA aus der Flüssigkeit herauszufischen und sie zu vermehren. Dann kann er diese analysieren
„Wir haben die Versuchsprotokolle mehrfach erheblich verändert, um möglichst viele Transkripte zu erhalten. Schließlich gelang es uns, die Aktivität von 1.000 bis 2.000 Genen zu messen – mit einer kleinen Probe aus einer Zelle.“
Das Ergebnis ist ein so genanntes Transkriptionsprofil. Die Summe aller Gen-Abschriften. Also die mRNA, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zelle hergestellt wird. So kann Bart Deplancke eine Liste aller Gene erstellen, die zu diesem Zeitpunkt aktiv sind. Man könnte auch sagen: Ein Schnappschuss. Aber dabei muss es nicht bleiben. Da die Zelle die Prozedur überlebt, sind weitere Schnappschüsse möglich. Und die lassen sich verknüpfen zu einem kleinen Film, wie in den Urzeiten des Kinos, als die Bilder laufen lernten.
„Wir haben die Versuchsprotokolle mehrfach erheblich verändert, um möglichst viele Transkripte zu erhalten. Schließlich gelang es uns, die Aktivität von 1.000 bis 2.000 Genen zu messen – mit einer kleinen Probe aus einer Zelle.“
Das Ergebnis ist ein so genanntes Transkriptionsprofil. Die Summe aller Gen-Abschriften. Also die mRNA, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zelle hergestellt wird. So kann Bart Deplancke eine Liste aller Gene erstellen, die zu diesem Zeitpunkt aktiv sind. Man könnte auch sagen: Ein Schnappschuss. Aber dabei muss es nicht bleiben. Da die Zelle die Prozedur überlebt, sind weitere Schnappschüsse möglich. Und die lassen sich verknüpfen zu einem kleinen Film, wie in den Urzeiten des Kinos, als die Bilder laufen lernten.
Ein vielfältiges Werkzeug
Bart Deplancke kann jetzt untersuchen, wie Fettzellen entstehen, zum Beispiel bei Adipositas, oder wie Immunzellen auf eine Infektion reagieren. Und das ist längst nicht alles. Nach einem Fachartikel in der Wissenschaftszeitschrift Nature erhielten Julia Vorholt und er noch mehr Anfragen als zuvor.
„Viele Forschungsteams suchen Antworten auf sehr spezielle Fragen. Einige wollen wissen, wie bestimmte Tumoren entstehen und wie sich Tumorzellen in ihrer Genaktivität unterscheiden. Andere untersuchen, wie genetische Signale durch Nervenzellen wandern. Die Methode ist vielfältig anwendbar, und deshalb haben wir so viel positive Resonanz erhalten.“
Die Wissenschaftswelt scheint geradezu gewartet zu haben, auf diese Innovation aus der Schweiz.
„Viele Forschungsteams suchen Antworten auf sehr spezielle Fragen. Einige wollen wissen, wie bestimmte Tumoren entstehen und wie sich Tumorzellen in ihrer Genaktivität unterscheiden. Andere untersuchen, wie genetische Signale durch Nervenzellen wandern. Die Methode ist vielfältig anwendbar, und deshalb haben wir so viel positive Resonanz erhalten.“
Die Wissenschaftswelt scheint geradezu gewartet zu haben, auf diese Innovation aus der Schweiz.