Im staatlichen Forschungslabor für historische Monumente haben die Verantwortlichen eine Abstellkammer mit einer Klimaanlage ausgestattet, die für die Bedingungen sorgt, die in Lascaux herrschen: niedrige Temperaturen, 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. In der "Testhöhle" lagern Petrischalen mit Gesteins- und Tonbrocken aus Lascaux. Darauf wuchern weiße Pilzteppiche, wie Schimmel im Marmeladenglas. Doch hier handelt es sich um die Gattung Fusarium: ein Schimmelpilz, dessen Sporen überall in der Erde stecken. Wuchert der als anspruchslos aber hartnäckig bekannte Pilz im Feld, sind die Ernten bei Tomaten, Tabak und Kartoffeln verloren. Fusarium überdeckt alles. Genevieve Orial, die die mikrobiologische Abteilung im Forschungslabor leitet, beschreibt:
Zum Höhepunkt der Invasion sah es in der Lascaux-Höhle aus, als hätte es geschneit. Der Boden war an vielen Stellen von weißen Fadenteppichen übersät. Als erste Notmaßnahme haben wir Löschkalk ausgestreut, um den Schimmelpilz ausgestreut und sein weiteres Wuchern zu unterbinden. Und im Anschluss haben wir Fungizide eingesetzt, um den Pilz abzutöten. Heute ist der Pilz mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen, er bildet einen dünnen Flaum im Gestein und in der Tonschicht, und jetzt müssen wir schauen, wie wir in da wieder herauskriegen.
Die Fusarium-Sporen bevölkern wohl auch seit eh und je den Boden in der Lascaux-Höhle. Dass der Pilz dort plötzlich zu wuchern begann, erklären sich die Experten mit klimatischen Veränderungen in der Höhle. In den fünfziger Jahren wurde hier, zum Schutz der berühmten Felszeichnungen, eine Belüftungsanlage eingebaut und ein künstlich stabiles Klima erzeugt. Doch 1999 begannen umfangreiche Arbeiten, die technische Ausstattung zu erneuern. Und dabei konnten beispielsweise heftige Regengüsse über der Höhlenanlage nicht wie sonst abgeleitet werden. Die Luftfeuchtigkeit stieg an, mit katastrophalen Folgen. Um Lascaux zu retten, haben die Mikrobiologen an die 20 verschiedene Pilzvernichtungsmittel ausprobiert. Im Labor funktionierte das bestens. In der Höhle jedoch nicht. Denn im dortigen Umfeld, wie mittlerweile erforscht wurde, ist der Schimmelpilz eine Lebensgemeinschaft eingegangen mit einer Bakterie. Orial:
Das Mittel, das wir anwenden, um die Pilzentwicklung zu blockieren, wirkt eine gewisse Zeit. Aber dieses Mittel dient der Bakterie als Nahrung. Je mehr die Bakterie so wuchert, desto mehr eliminiert sie das Pilzvernichtungsmittel. Und daraufhin kann sich auch der Schimmelpilz erneut ausbreiten. Ein teuflischer Kreislauf, den wir nur durch regelmäßige Behandlung immer wieder unterbrechen können.
Zwar wird mittlerweile nicht mehr täglich behandelt, sondern nur noch alle 10, 14 Tage. Doch jede neue Fungizid-Behandlung bringt zusätzlichen potentiellen Nährboden für die Bakterien in die Höhle. Nun sucht eine neugegründete wissenschaftliche Expertengruppe nach besseren Lösungen: hier arbeiten Hydrogeologen, Klimatologen, Chemiker und Mikrobiologen Hand in Hand. Das erste Ziel: detailliert zu erfassen, in welchem Zustand sich die Lascaux-Höhle befindet. Angestrebt wird auch eine sorgfältige Reinigung der Anlage. Das anspruchsvolle Endziel: Lascaux, die einzige Höhle weltweit mit künstlichem Belüftungssystem, soll ein natürliches Gleichgewicht wiederfinden, resümiert Genevieve Orial:
Wir müssen dafür sorgen, die Selbstreinigungskräfte der Höhle zu stärken. Sowohl was die biologischen wie auch die klimatologischen Bedingungen anbelangt. Andere Höhlen tun dies, Lascaux beherrschte dies früher auch. Wir müssen ihr helfen, damit sie sozusagen ihr eigenes Immunsystem wieder stärken kann, dass sie mit schädlichen Einflüssen selbst fertig wird.