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Schnee in der Kunst

Kunst darf auch einfach mal schön sein: Die Ausstellung "Lichtgestöber" im Arp Museum in Remagen zeigt Werke mit Motiven der eiskalten Jahreszeit - von Monet, Courbet, van Gogh oder Slevogt.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Das Folkwang-Museum in Essen feiert ja derzeit den "Rausch der Farben" mit Glanzstücken des Expressionismus. Eine neue Ausstellung im Arp Museum in Remagen scheint, sich auch der Pracht hinzugeben. Die Schau hat den fast romantischen Titel "Lichtgestöber". Gezeigt werden Wintermotive des Impressionismus. Die Namen der ausgestellten Künstler sind erlesen, auch wenn nicht nur Impressionisten darunter sind: Claude Monet, Gustave Caillebotte, Alfred Sisley, Courbet, van Gogh, Gauguin, Pissarro, Liebermann, Slevogt und Corinth mit Ansichten der eiskalten Jahreszeit, vom lichten Schneegestöber bis zum frühlingshaften Tauwetter.

    Grauer Schnee und farbenreicher Schnee, denn "Weiß existiert in der Natur nicht. Euer Himmel ist blau. Dieses Blau sollte auf dem Schnee erscheinen" – so hat es Auguste Renoir gefordert. "Lichtgestöber" - eine kullinarisch-gemütliche Weihnachtsausstellung mit ikonografischen Leckenbissen? – Das habe ich meinen Kollegen Stefan Koldehoff gefragt.

    Stefan Koldehoff: Ja das ist es auf jeden Fall und das will es, glaube ich, auch sein, und ich finde, das hat auch seine Berechtigung. Kunst darf auch einfach mal nur schön sein. Nun wäre es natürlich für ein Museum, das den Anspruch hat, auch Bildungsinstitut zu sein, ein bisschen wenig zu sagen, wir wollen nur unterhalten, und so hat denn diese Ausstellung auch einen gewissen Mehrwert. Das habe ich, ehrlich gesagt, zu meiner eigenen Überraschung erst festgestellt, als ich da war, denn als ich die Einladung bekam zur Pressekonferenz, habe ich auch zunächst mal gedacht, ach muss das denn jetzt auch noch sein, den Impressionismus haben wir ja nun wirklich von allen Ecken und Enden in den letzten Jahren gesehen: sein Verhältnis zu Blumenstillleben, sein Verhältnis zur Stadt Paris, das Verhältnis der Impressionisten untereinander, jetzt also auch noch der Schnee beziehungsweise die Winterbilder.

    Aber wenn man ist in dieser Ausstellung, Herr Schmitz, dann sieht man: Es ist tatsächlich ein Thema. Denn natürlich kann man immer wieder in Büchern lesen, es gibt die Farbe Weiß nicht als reine Farbe, und jeder sieht sie anders. Wenn man dann aber vor diesen Bildern steht und sieht, wie dieser Schnee, den die Künstler – Sie haben ja ein paar Namen gerade genannt.

    Es sind bei Weitem nicht nur Impressionisten, es ist ja auch van Gogh dabei, es ist Edvard Munch dabei, es ist Paul Gauguin dabei -, wie unterschiedlich die diese Jahreszeit wahrgenommen haben, dass da dreckiger Schnee bei ist, dass da Schneeschmelze bei ist, dass da Dreuende Wolken über Amsterdam gezeigt werden, dann ist es schon faszinierend, einfach noch mal zu begreifen, was war dieser Impressionismus. Da waren Künstler, die nicht mehr den Anspruch hatten, die Wirklichkeit abzubilden – das konnte die Fotographie längst besser, das musste die Malerei nicht mehr tun -, sondern die ihre eigenen Impressionen, ihre eigenen Eindrücke wiedergeben wollten und das auf sehr unterschiedliche Art und Weise tun. Also eigentlich ein Stück ausgestellte Kunstgeschichte.

    Schmitz: Die weißen Farbexplosionen seien den außergewöhnlich strengen Wintern der 1870er und 1890er-Jahre geschuldet, heißt es im Programmheft. Wie reagieren die Impressionisten farblich, aber auch inhaltlich auf diesen massiven Einbruch der Natur in die Städte und aufs Land?

    Koldehoff: Ich wusste nicht, dass es damals Kälterekorde bis zu Minus 23,9 Grad gab in Frankreich und rund um Paris. Zunächst mal reagieren sie so, wie man es von einem guten Impressionisten einfach erwartet: Sie bleiben nicht im Studio, sie packen sich warm ein, ziehen raus in die Landschaft, in die Vorstädte und malen, was sie da sehen. Und was sie da sehen, ist zum Teil die Schneeschmelze, sind ganz romantische Szenen, bei Monet beispielsweise tief verschneite Gehöfte mit Bäumen nebenan, ist aber auch beim deutschen Impressionisten Max Clarenbach, der in dieser Ausstellung durchaus noch mal vom Kunsthandelskünstler zum Museumskünstler rehabilitiert wird, ein vereister See mit eigentlich nur Baumskeletten im Hintergrund. Das bietet ja die wunderbare Möglichkeit, Bäume sozusagen als grafische Elemente zu sehen, eigentlich nur Äste und Linien vor weißem Hintergrund. Also eigentlich technisch so, wie man es erwartet, und doch überrascht es von den Motiven her.

    Denn was man sich immer nicht so ganz klar macht: Als die Impressionisten um 1860 anfangen, so zu malen, wie sie wollen, sich vom Akademismus loszulösen, da haben wir ja diese romantischen Landschaften eigentlich gar nicht mehr. Da hat ja die Industrialisierung längst stattgefunden, da gibt es ja die Eisenbahnen mit dreckigem Rauch, die Sie jetzt auch in Remagen sehen, da gibt es die qualmenden Fabrikschlote, die auf manchen Bildern im Hintergrund zu sehen sind. Also es ist schon sehr, sehr vielschichtig, und vor allen Dingen weist vieles von dem, was da Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen ist, schon sehr deutlich aufs 20. hinaus.

    Schmitz: Die Ausstellung sucht einen interdisziplinären Zugang zum Thema Winter in der Kunst. Welche Disziplinen reden hier auch mit?

    Koldehoff: Es redet einfach auch die Fotografie mit. Das ist eigentlich ein ganz kluger Schachzug, dass man auch zeitgenössische und spätere Fotografien mit dazugenommen hat, beispielsweise das berühmte "Einsame Bäumchen" von Renger-Patzsch, einem der wichtigsten Fotographen der neuen Sachlichkeit. Man sieht es immer so als Ikone, der einsame, fast silbrig glänzende Stamm vor einem weißen Himmel.

    Was man nicht sieht, ist, dass auf dem Boden vor diesem Baum tatsächlich geschmolzener Schnee liegt, also dass es auch ins Thema mit reinpasst. Und man versucht, dem Ganzen, weil man mit UNICEF zusammenarbeitet, auch eine kleine politische Komponente zu geben. Man weist darauf hin, dass jeden Tag 3000 Kinder sterben, weil sie keinen Zugang zu sauberem Wasser haben – Schnee ist gefrorenes Wasser -, und versucht deswegen, am Schluss der Ausstellung auch noch den Besucher zu bitten, darauf hinzuweisen oder daran zu denken, dass es nicht nur um schöne, gute Ware geht, sondern dass da auch noch einiges im Argen liegt.

    Schmitz: Stefan Koldehoff über die Ausstellung "Lichtgestöber. Der Winter im Impressionismus" im Arp Museum in Remagen bei Bonn.


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