Archiv


Schnell, schnittig und individuell

Spritsparend, umweltfreundlich und klimaschonend - so sollten Autos vernünftigerweise sein. Doch es gibt eine zahlungskräftige Klientel unter den Autokäufern, die auf genau das Gegenteil setzen: auf Breitreifen, Spoiler und edle Sonderausstattungen, vor allem aber auf noch mehr PS. Erfüllt werden solche Wünsche von Autotunern. Eine der größten Tuning-Schmieden Deutschlands hat ihren Firmensitz im Allgäuer Kempten - und dort baut man auf Wunsch auch ökologisch um.

Von Thomas Wagner |
    "Also jetzt sind wir gerade über 100 km/h in die Slalomstrecke hinein gefahren. Da können wir ein paar schöne Pylonen nehmen. Gut, da kommt richtig Laune immer auf. Und was irrsinnig ist, ist diese Beschleunigung mit diesem Kompressormotor. Wenn man da so von 0 auf 100 aus dem zweiten Gang heraus beschleunigt, ist das eine tolle Geschichte. So, jetzt sind wir wieder da."

    Christian Abt unterwegs mit einem getunten Golf auf der ADAC-Teststrecke bei Kempten im Allgäu: 600 PS dröhnen unter der Haube. Und wer bei einer solchen Probefahrt auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, dem wird schnell ein wenig blass im Gesicht.

    Ein modernes Gebäude im Industriegebiet von Kempten, nur wenige Kilometer von der Teststrecke entfernt: Hier hat die Abt Sportsline GmbH ihren Sitz, eine der größten Tuning-Schmieden Deutschlands. Hier geht es ausschließlich darum, zu den ohnehin schon zahlreichen PS beispielsweise eines Audio A6 noch ein paar mehr drauf zu satteln.

    "350 Standard oder 355. Und 500 ein bisschen aufwärts. So 510 herum hat er dann - ein großer Unterschied zur Serie. Und das ist das Wichtigste, das ist eben mehr Fahrspaß, sag ich. Das ist einfach mehr Saft in jeder Lage, in jedem Gang."

    Ursprünglich hat Peter Schmid Kfz-Schlosser gelernt. Nun ist er einer von 200 Mitarbeiter der Abt Sportsline GmbH, die sich vor allem mit einem beschäftigen: Wie lassen sich Autos schneller machen? Das ist nach wie vor der Haupttrend. Hans-Jürgen Abt führt den Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Bruder Christian bereits in der vierten Generation:

    "Der große Trend ist schon die Leistungssteigerung. Man sieht, wie sich die Leute so im 10-, 15-Prozent-Bereich einfach mehr Leistung leisten. Aber auch Spoiler, optisches Erscheinungsbild, Alufelgen, auch Interieur, Fahrwerke und Bremsen, was auch die Sicherheit betrifft, werden viel gesucht."

    Und das in Zeiten, in denen so intensiv wie nie zuvor über die Reduzierung von CO2-Emissionen und Sprit sparendes Fahren diskutiert wird. Doch den Allgäuer Autotuner Hans-Jürgen Abt ficht das nicht an:

    "Also erst einmal muss man sagen: Unsere Leistungssteigerungen sind CO2-neutral. Also sie brauchen nicht mehr CO2 wie die serienmäßigen Fahrzeuge. Das ist möglich, weil der Verbrauch im Prinzip der gleiche ist wie in der Serie auch."

    Dafür entwickelte Abt Sportsline eine eigene Technologie: Das zum Patent angemeldete Down-Sizing-Verfahren. Dabei erhalten die Motoren zwar mehr PS. Durch veränderte Übersetzungen und durch höhere Drehmomente ist das Fahrzeug aber mit geringeren Drehzahlen unterwegs. Und dies hilft, in der Tendenz Treibstoff einzusparen. Für den Fahrstil und den Spritverbrauch ist ohnehin der Autohalter verantwortlich. Tatsächlich hat Hans-Jürgen Abt auch im Auto-Tuning auf ökologische Aspekte gesetzt. Dies verschafft dem Unternehmen jetzt zumindest einen Vorteil vor den Wettbewerbern.

    "Wir sind schon 1996 mit Gasautos bei 24-Stunden-Rennen mitgefahren und wurden auch schon belächelt. Und heute sieht man ja, wie sich Gasautos weiter entwickeln. Also Abt steht nicht nur für Tuning nach oben, sondern auch für Ergonomie, für ökologisches Umfeld. Wir wollen immer Trends setzen, dass wir ganz vorne dabei sind."

    Die Werkstatt bei Abt erinnert eher an einen sterilen OP als an einen klassischen Kfz-Betrieb: Nirgendwo entdeckt der Besucher Schmieröl, alles ist blitzsauber. Manche der Mitarbeiter sitzen mit einem Labtop vor der geöffneten Motorhaube, um per Chiptuning die Leistung zu steigern. Andere hantieren mit einem klassischen Schleifgerät:

    "Das ist ein Heckspoiler für den Golf VI. Die Klebefläche wird vorbereitet, damit der Spoiler dann hundertprozentig darauf haftet. Deshalb muss hier geschliffen werden, muss gereinigt werden zwischendrin - und dann wird das Teil aufgeklebt."

    Für das Tuning ihres Autos geben manche Kunden sehr viel Geld aus. Abt Sportsline liefert mittlerweile getunte Fahrzeuge in 40 Länder. Da stehen dann schon mal russische Oligarchen mit viel Geld in Kempten in der Tür, um sich ihr Traumauto umbauen zu lassen. Sie wissen sich, so Hans-Jürgen Abt, in guter Gesellschaft:

    "Die Königsfamilie in Dubai hat ein Auto bei uns bestellt, zum Beispiel ein Q 7 mit Innen allem weiß, mit allem Interieur, Hifi, Fernseher, Computersystemen. Das Fahrzeug hat sehr viel Leistung. Auch im Optischen verfügt er über eine spezielle Mattlackierung. Da kommen natürlich sehr viele Wünsche aufeinander. Das schlägt sich auch im Preis nieder. Der war dann schon gut über 250.000 Euro. Und das schon nicht schlecht."

    Die Geschäfte laufen gut bei Abt Sportsline. Und das hängt nicht nur mit den Premium-Kunden zusammen. Die meisten Tuning-Fans geben für Umbauten am Fahrzeug bis zu 25 Prozent des Kaufpreises aus. Und so erwirtschaftete Abt im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 40 Millionen Euro. Jährlich konnte sich Firmenchef Hans-Jürgen Abt über Zuwächse von jeweils etwa fünf Prozent freuen. Der Krise, in der sich die Automobilindustrie derzeit befindet, sieht er gelassen entgegen. Auftragseinbrüche hat er noch nicht festgestellt.

    "Wir sind in einer so kleinen Nische. Wir sind im Verhältnis so klein auf dem Markt, dass wir auch eine Chance haben. Weil: Autos wird es immer geben. Autos werden dann vielleicht gar nicht mehr so häufig neu gekauft, aber vielleicht mehr veredelt. Aber man kauft sich ein Accessoire für sein Auto. Also: Ich hoffe, dass alle wieder positiver wird und wir auch alle gemeinsam wieder positiver denken!"