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Schnell und heftig statt lang und ausdauernd

Bisher galt beim Ausdauertraining das Dogma: Möglich lang trainieren, dafür nicht an die Belastungsgrenze gehen. Dies muss nach neuen medizinischen Erkenntnissen revidiert werden: Statt Dauerlauf sollen nun kurze, aber kraftraubende Trainingseinheiten Sportler fit machen.

Von Marieke Degen |
    Im Ausdauertraining findet zurzeit ein Paradigmenwechsel statt. Und der heißt: Weg vom stundenlangen lockeren Dauerlauf und hin zu kurzen, aber kraftraubenden Trainingseinheiten. Die Athleten laufen nur wenige Minuten, gehen dafür aber an ihre Belastungsgrenze. Und das mehrere Male hintereinander. Hochintensives Training heißt das im Fachjargon. Wilhelm Bloch, Sportmediziner an der Deutschen Sporthochschule in Köln:

    "Man ist durchaus in der Lage, sich auf einen 5000-Meter-Lauf, wenn man jetzt von einer passablen Zeit ausgeht, mit einem hochintensiven Training vorzubereiten. Ich muss nicht unbedingt Grundlagen-Ausdauertrainig machen, um einen 5000-Meter-Lauf passable zu bestreiten."

    Jahrzehntelang haben Läufer ihre Ausdauer im sogenannten aeroben Bereich trainiert. Dabei wird die Energie für die Muskeln hauptsächlich mit Hilfe von Sauerstoff abgedeckt. Die Sportler laufen locker bei einer geringen körperlichen Belastung und halten lange durch. Wenn sie aber eine bestimmte Belastungsgrenze überschreiten - wie auch beim hochintensiven Training - kommen sie in den anaeroben Bereich. Und der hatte bislang einen schlechten Ruf. Der Köper muss nämlich zusätzlich Energie gewinnen, und dabei entsteht Milchsäure, oder auch Laktat.

    Lange sind Forscher davon ausgegangen, dass Laktat den Muskel versteift, und Schuld daran ist, dass die Sportler bei hoher Belastung schnell müde werden. Hohe Laktatwerte im Blut waren im Training verpönt. Inzwischen weiß man: Laktat hat mit Muskelkater nichts zu tun, die Schmerzen kommen von winzigen Verletzungen im Gewebe. Im Gegenteil: Laktat steigert die körperliche Ausdauer.

    "Das Laktat selber dient dazu, im Körper Anpassungsprozesse anzuregen. Das wäre zum Beispiel Wachstum von Gefäßen - und damit Leistungsverbesserung - oder die Bildung von roten Blutkörperchen. Und noch vieles mehr."

    Dadurch kann der Körper den Sauerstoff besser verwerten und mehr Leistung bringen, so der Sportmediziner. Ähnliche Anpassungsprozesse wurden bislang nur dem Höhentraining zugeschrieben, das heißt Training bei Sauerstoffmangel, 2000 Meter über dem Meeresspiegel. Doch Höhentraining hat einen großen Nachteil: Durch den Sauerstoffmangel wird die Muskulatur geschwächt. Bei einem hohen Laktatspiegel passiert das nicht.

    Um sich optimal auf einen Langstreckenlauf vorzubereiten, empfiehlt Wilhelm Bloch eine Mischung aus Ausdauertraining und hochintensiven Trainingseinheiten.

    "Also flächendeckend ist es sicherlich noch nicht umgesetzt. Aber wir beobachten schon, dass das Interesse und auch der Paradigmenwandel zunehmend in den Köpfen der Sportler und Trainer ankommt. Da sind immer mehr Trainer, die sagen, ja, das wollen wir in Zukunft in unser Training einbauen oder es auch jetzt in zunehmendem Maße umsetzen."

    Dann klappt es hoffentlich auch mit dem Platz auf dem Siegertreppchen.