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Schneller als der Wind

Technik. – Eine moderne Segelyacht kann bis zu dreimal schneller sein als der Wind – wenn sie optimal zur Brise liegt und die Segel exakt vorgespannt sind. Mit vielerlei Sensoren und Kameras setzen Forscher auf der „Dyna“ Segel, um neue Rekorde zu erzielen.

Von William Vorsatz |
    Moderne Segelyachten sind High-Tech-Produkte. Hoch spezialisierte Wissenschaftler experimentieren mit Booten, die voll gestopft sind mit Messelektronik und Rechentechnik. So wie die zehn Meter lange „Dyna“. Momentan liegt die Forschungsyacht der Technischen Universität Berlin im „Trockendock“. Der Ingenieur Gonzalo Tampier vom Institut für Land- und Seeverkehr klettert an Bord:

    „Jetzt befinden wir uns auf Deck, bis jetzt sieht eigentlich alles wie auf einer ganz normalen Segelyacht aus, also diese vier Stahlkabel hier halten den Mast fest, und hier unten, diese Teile hier, da können wir auch die Kräfte messen.“

    Wenn die Wissenschaftler wissen, wie stark die Winde am Mast zerren, können sie daraus ableiten, wie effektiv der Wind genutzt wird. Und an den Segeln sind sechs Kameras installiert. Sie zeichnen auf, wie sich die einzelnen Segel im Wind verhalten. Tampier geht hinab in den Schiffsrumpf:

    „Wir befinden uns jetzt im Innenraum der Segelyacht Dyna. Wie man sieht, ist alles voll gestopft mit Technik. Kabel ohne Ende, Messfühler überall, ein Computer, der misst fast alle Daten – ist natürlich für eine normale Crew sehr wenig Platz.“

    Aber das stört die Wissenschaftler nicht, wenn sie zu sechst auf der Ostsee oder dem Berliner Wannsee unterwegs sind. Dann messen sie beispielsweise, welche Spannung die Segelflächen haben sollten und wie stark sie sich wölben müssen, um am schnellsten voran zu kommen. Tampier vergleicht die vom Wind geblähten Segel mit den Tragflächen eines Flugzeugs:

    „Wie bei jedem Profil hat das Einfluss auf die Kraft, die so eine aerodynamische Form erzeugt. Bei Flugzeugen zum Beispiel ist eigentlich diese Wölbung die, die das Flugzeug in der Luft hält, und bei uns erzeugt diese Wölbung zum Beispiel die Kraft, die unser Segelboot vor treibt.“

    Der Segler muss genau wissen, in welchem Winkel Boot und Segel zum Fahrtwind stehen. Wenn der Wind schräg von hinten kommt, kann die Yacht durch die geschickte Ausnutzung der Luftströmungen sogar dreimal schneller sein als der Wind. Das wird guten Seglern künftig immer häufiger gelingen. Weil sie nicht mehr nur auf ihr Gefühl und ihre Erfahrungen angewiesen sind. Mit den Analysen der TU-Wissenschaftler kann jene Software verbessert werden, die schon heute bei computergestützten Trainings für Segelregatten eingesetzt wird. Bei den Wettkämpfen selbst sind solche Hilfen allerdings verboten – aus sportlichen Gründen. Aber auch die Konstrukteure werden profitieren. Selbst modernste Yachten können noch erheblich verbessert werden, glaubt der TU-Ingenieur Gonzalo Tampier:

    „Das ist eine der Zukunftsideen für neue Forschungsprojekte, einfach neue Segeltypen zu untersuchen, zum Beispiel solche flugzeugprofilartigen Segelformen, also starre Segel, nicht mehr aus Segeltuch, sondern aus Kohlefaserkunststoff, und die Idee ist, solche neuen Segeltypen, die es gar nicht gibt, dann zu untersuchen und dann auch unter realen Bedingungen solche Segeltypen zu messen und vergleichen.“

    Und so werden Yachten, deren Segel im Wind flattern, eines Tages vielleicht nur noch bei historischen Regatten zu sehen sein.