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Schneller Kohleausstieg
Die Verbraucher müssten zahlen

Ein schneller Ausstieg aus der Kohlestromproduktion dürfte für die Haushalte in Deutschland teuer werden. Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln beziffert die Mehrkosten auf rund 72 Milliarden Euro für die Jahre 2020 bis 2045. Die Hälfte davon müssten die Verbraucher tragen, erklärte Institutsmitarbeiter Harald Hecking im DLF.

Harald Hecking im Gespräch mit Georg Ehring | 09.05.2016
    Weißer Dampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerk der Vattenfall GmbH in Boxberg (Sachsen) auf, aufgenommen am 14.03.2016. Foto: Arno Burgi
    Ein schneller Ausstieg aus der Kohlestromproduktion würde für die Verbraucher teuer. (dpa / Arno Burgi)
    Georg Ehring: Noch sorgt die Kohle für rund die Hälfte der Stromproduktion in Deutschland. Doch wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, dann kann das nicht so bleiben. Der Ausstieg aus der Kohle wird allerdings teuer, warnt das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln.
    Das "Handelsblatt" zitiert heute aus einer Studie des Instituts. Demnach kostet ein schnellerer Kohleausstieg in der Zeit von 2020 bis 2045 rund 72 Milliarden Euro zusätzlich.
    Über die Kosten des Kohleausstiegs möchte ich jetzt sprechen mit Dr. Harald Hecking vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln. Guten Tag, Herr Hecking.
    Harald Hecking: Guten Tag, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Hecking, wie kommen Sie denn auf diese hohe Zahl und was haben Sie womit verglichen?
    Hecking: Wir haben uns orientiert an einem Konzept, was der Think Tank Agora Energiewende Anfang des Jahres herausgebracht hat, und dort wird verglichen ein Szenario, in dem der bisherige Betrieb so weitergeht, und ein Szenario, wo es einen beschleunigten Kohleausstieg bis 2045 gibt.
    Ehring: Und wie kommt dann die hohe Zahl zustande? Was verursacht die Mehrkosten?
    Hecking: Es sind im Wesentlichen zwei Positionen. Das Erste ist, dass Kohle durch Erdgas ersetzt werden müsste, und Erdgas ist bei den gegebenen Preisen heute deutlich teurer als Kohle. Und der zweite Punkt ist, das sind die Kapitalkosten. Das heißt: Dadurch, dass bestehende Kraftwerke abgebaut werden, müssen andere Kraftwerke, zum Beispiel Gaskraftwerke diese ersetzen. Und diese Investitionen in diese Kraftwerke verursachen natürlich Kosten und die machen einen Teil dieser Mehrkosten aus.
    Ehring: Warum vergleichen Sie Kohle mit Gas? Die erneuerbaren Energien sind doch im Betrieb CO2-frei und Sonne und Wind drängen doch auch auf den Markt.
    Hecking: Richtig. Aber wir haben alle erneuerbaren Energien mit einem, sage ich mal, Wachstumspfad hinterlegt. Das heißt, die kommen sowieso in beiden Szenarien sehr deutlich. Hier geht es dann wirklich nur noch um den Ersatz Kohle und Gas, und da haben wir große Computermodelle, mit denen wir das simulieren, und da ist Gas einfach die nächst günstige Alternative, um die Kohle zu ersetzen.
    Man muss dabei auch berücksichtigen, dass es natürlich auch Momente gibt, wo die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das heißt, wir reden auch über das Thema gesicherte Leistungen. Und wenn Kohlekraftwerke vorzeitig stillgelegt werden, muss man sich bewusst sein, dass dann natürlich Gaskraftwerke diesen Dienst erfüllen müssen.
    "Man kommt dann auch in gewisse technische Schwierigkeiten"
    Ehring: Das heißt, Ihrer Ansicht nach wird es mit erneuerbaren Energien dann noch teurer?
    Hecking: Ich glaube, man kommt dann auch in gewisse technische Schwierigkeiten, wenn man über das Thema gesicherte Leistungen spricht. Und noch dazu kommt: Oft sind natürlich auch Strom- und Wärmeerzeugung gekoppelt, zum Beispiel für Fernwärme oder Industrieprozesse, und da kommt man einfach an technische Grenzen, was dann durch erneuerbare Energien in diesem Bereich leistbar ist.
    Ehring: Wie sieht es denn mit der CO2-Bilanz aus, wenn der Kohleausstieg aus Kostengründen verlangsamt wird?
    Hecking: Die CO2-Bilanz ist letztlich vorgegeben aus dem europäischen Emissionshandels-System EUETF. Das heißt, die Menge, die in Deutschland zum Beispiel durch einen Kohleausstieg zusätzlich vermieden wird, würde europaweit sowieso kompensiert werden. Das heißt, letztlich wäre der Effekt eines Kohleausstiegs alleine erst mal null.
    Um einen wirklichen Effekt zu erzielen, müsste sich zum Beispiel die deutsche Bundesregierung in Europa dafür einsetzen, zusätzliche Zertifikate stillzulegen, um diesen Kompensationseffekt im Prinzip nicht auftreten zu lassen. Das heißt, dass eine CO2-Minderung immer auch im europäischen Kontext gedacht werden muss.
    Hohe Einsparpotenziale im Gebäudesektor
    Ehring: Nun ist ja der Klimaschutz eine wichtige Sache. Wie könnte das CO2 denn dann kostengünstig anderweitig eingespart werden, damit man die Klimaschutzziele trotzdem erreicht?
    Hecking: Europaweit gibt es da viele günstigere Möglichkeiten. Ich denke da an den Ersatz von alten ineffizienten Kohlekraftwerken in anderen europäischen Ländern. Aber auch zum Beispiel an den stärkeren Ausbau von Windkapazitäten vor der Küste Schottlands oder in sonnenreichen Regionen die Fotovoltaik wie zum Beispiel in Spanien.
    Wenn man jetzt nur an Deutschland denkt, gibt es auch hier sehr große unerschlossene Potenziale für die CO2-Minderung, zum Beispiel im Verkehr oder auch bei der Wärme. Extremstes Beispiel ist da sicherlich der Gebäudesektor. Hier gibt es teilweise heute noch veraltete Heizungen, wo man bei einer Modernisierung CO2 sparen könnte und gleichzeitig Geld sparen könnte.
    Ehring: Kommen wir noch mal zurück zu den Mehrkosten. Wer muss die denn tragen, der Verbraucher, die Industrie? Worauf läuft es hinaus?
    Hecking: Man kann sagen, dass etwa die Hälfte dieser Mehrkosten vom Verbraucher getragen werden muss. Das heißt Haushalte, Gewerbe und Energie verbrauchende Industrien. Ein großer Teil von etwa 23 Milliarden Euro würde auch an Schaden bei den Kraftwerksbetreibern entstehen und hier stellt sich dann die Frage, wer am Ende diesen Schaden tragen würde. Wir haben ja bei der Klimareserve Ende letzten Jahres gesehen, dass dann die Braunkohlebetreiber entschädigt wurden über eine Umlage, und wenn so etwas beim gesamtdeutschen Kohleausstieg auch passieren würde, könnte man sich vorstellen, dass diese 23 Milliarden an zusätzlichem Schaden für die Kohlekraftwerke dann auch noch von den Verbrauchern getragen werden könnten.
    Ehring: Harald Hecking war das vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln über die Kosten des beschleunigten Ausstiegs aus der Kohle. Herzlichen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.