Tagelang war ein Team von Umweltforschern der Universität Potsdam und des Geoforschungszentrums auf dem Berliner Teltowkanal unterwegs.
Rund 60 Wasserproben haben sie genommen. Vor allem an den Ausläufen der Klärwerke. Dort vermuteten sie besonders viel Mikroplastik.
Nach Schätzungen der EU gelangen jährlich europaweit bis zu hunderttausend Tonnen winziger Plastikteilchen aus Kosmetika, Textilfasern, Reifenabrieb, Fassadenfarben und Straßenmarkierungen über die Kanalisation in die Klärwerke. Weil sie dort kaum zurück gehalten werden, landen sie in der Umwelt, wo sie schwer aufzuspüren sind, sagt Mathias Bochow vom Geoforschungszentrum Potsdam.
"Das Problem ist, dass wir bei so kleinen Teilchen, wir reden von Teilchen, die kleiner sind als ein Millimeter in der Regel, dass man die mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann. Ist das Plastik oder ein Sandkorn oder ein anderer Schwebstoff, der in den Gewässern vorhanden ist? D.h. man braucht bestimmte Messmethoden, um Plastik identifizieren zu können."
Gesamtlage nur schwer zu überschauen
Seit einiger Zeit sind Forscher dazu übergegangen, Wasserproben mithilfe von RAMAN- oder FTIR-Spektrometern zu untersuchen. Sie beleuchten die Mikroplastikpartikel darin mit Infrarotlicht, analysieren die reflektierte Strahlung und vergleichen sie mit den optischen Fingerabdrücken der verschiedenen Plastikarten. Doch es dauert sehr lange bis so ein Bild über die Gesamtsituation eines Gewässers entsteht - erzählt Mathias Bochow. Deshalb hat er nach einer schnelleren Methode gesucht und sie beim Plastikrecycling gefunden.
"Wir haben ja in Deutschland ein funktionierendes Recyclingsystem. Das heißt, Plastik wird ja über die gelben Säcke in den Recyclinganlagen sortiert. Und da habe ich mich gefragt, wie machen die das eigentlich? Das wird sortenrein sortiert, verschiedene Plastikarten, um dann sortenrein recycelt zu werden und zu hochwertigem Plastik wieder verarbeitet werden zu können. Die machen das auch mit Spektrometrie.
Und zwar mit einem Sensor, der auch bei Fernerkundungsflügen eingesetzt wird. Mathias Bochow hat aus dieser Einsicht eine Methode entwickelt, um Mikroplastik aufzuspüren:
"Wir haben das in den letzten Jahren entwickelt und sind gerade an einem Stand, dass der Algorithmus gerade fertig ist, um erste Ergebnisse zu liefern. Und im Vergleich zu dem RAMAN-Spektrometer und FTIR-Spektrometer sind wir einfach viel, viel schneller. Wir sind wesentlich ungenauer, muss man auch sagen. Die anderen spektroskopischen Methoden können wesentlich mehr Informationen über Plastikarten herausfinden. Das können wir nicht in dem Wellenlängenbereich, den wir hier messen. Wir können allerdings die Hauptarten, PE, PP beispielsweise unterscheiden, Polystyrol und Polymere und das eben sehr, sehr schnell."
Inspiriert vom Wertstoffrecycling
Mathias Bochow hat am Geoforschungszentrum eine Apparatur entwickelt. Der Sensor hängt in einem schwarzen Kasten über einem fahrbaren Tisch. Darauf stellt er Schälchen mit filtrierten Partikeln aus den Wasserproben. Automatisch schiebt sich der Fahrtisch unter den Sensor. Die Partikel in den Schälchen werden gescannt.
"Der Sensor ist ein abbildendes Spektrometer. Es zeichnet pro Pixel eine spektrale Signatur auf, die analysiert wird, ob wir in dem Pixel Plastik oder andere Materialien vorliegen haben. "
Das Ergebnis ist eine erste Momentaufnahme der Mikroplastikbelastung im Teltowkanal. Sascha Oswald vom Institut für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam will mit der neuen Methode künftig eine umfassende Frachtbilanz des Gewässers erstellen.
"Was wir sagen können, ist, dass wir in den Proben, die wir dort genommen haben, auch Mikroplastikpartikel finden. So um die zehn Stück pro Liter. Unser Ziel ist zu schauen, wie sich innerhalb eines Gewässers Mikroplastikkonzentration ändern kann, räumlich ändert. Jahreszeitlich oder durch Niederschläge ändert. Welche möglichen Quellen gibt es für unterschiedliche Mikroplastikarten, die da auftauchen. "
Mathias Bochow hofft, dass es mithilfe seiner Messmethode möglich wird, Gewässer nicht mehr nur punktuell sondern flächendeckend zu beurteilen. Sein Verfahren ist auch Teil des erst kürzlich gestarteten Verbundprojektes BASEMAN, in dem Forscher aus zehn Ländern einheitliche Standards für die Bestimmung von Mikroplastik entwickeln. Erst dann lassen sich zuverlässige und vergleichbare Zahlen gewinnen.