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Schneller Überblick für Feuerwehrleute
Drohnen-Schwarm im Großeinsatz

Nicht zuletzt die Havarie von Fukushima hat gezeigt: Bei manchen Unfällen können sich Rettungseinheiten keinen Überblick der Lage vor Ort verschaffen – es ist zu gefährlich. Mit dem Projekt "Anchors" wollen Forscher und Ingenieure dieses Problem lösen. Sie haben einen Schwarm mechanischer Einheiten entwickelt, die selbstständig Gefahrengebiete durchforsten.

Von Piotr Heller |
    "Sie sehen hier einen Octocopter. Das heißt eine Drohne mit acht Propellern. Hier haben wir eine V-förmige Bauweise. Das heißt, je vier Rotoren sitzen auf einer Strebe, die V-förmig zulaufen. Und die Kamera ist vorne angebracht. Wir können senkrecht nach unten schauen, nach vorne und nach oben. Damit können wir zum Beispiel unter Brücken fliegen und die inspizieren."
    Die Drohne, die Norbert Pahlke erklärt, fliegt grade durch eine Halle im Ausbildungszentrum der Dortmunder Feuerwehr. Mit ihrem Infrarot-Auge beobachtet sie die Umgebung, macht sich ein Bild der Wärmeverteilung. Sie ist Teil des Projekts "Anchors". Ziemlich genau drei Jahre lang arbeiteten Forscher und Ingenieure daran, Feuerwehrleuten mechanische Partner an die Seite zu stellen. Hauke Speth ist Koordinator des Projekts.
    "Wenn wir große Schadensfälle angucken, wie in Fukushima oder in Tschernobyl, dann stellen wir fest, dass wir sehr großflächig kontaminierte Bereiche haben – in dem Fall Radioaktivität, das kann auch alles andere sein –, in die wir unsere Kollegen schlecht reinschicken können. Zu normalen Arbeitseinsätzen oder zur Erkundung. Deswegen war unser Gedanke, dass wir dort unbemannte Fluggeräte, unbemannte Bodenroboter einsetzen, um uns solche Erkundungen zu ermöglichen."
    Ein Kettenfahrzeug befördert die Drohnen an ihren Einsatzort
    Die Drohne in der Halle ist also nur ein Teil des Systems. Ein weiterer Teil ist ein Kettenfahrzeug, das mehrere Drohnen und Bodenroboter an ihren Einsatzort befördert. Dort schwärmen die Einheiten aus und machen sich selbstständig ein Bild der Umgebung. Dafür lassen sie sich mit allen möglichen Sensoren ausstatten: Für Radioaktivität, giftigen Rauch oder einfach nur Wärme. Aus den Messdaten erstellen sie Karten für die Einsatzkräfte.
    "Wir geben dafür unterschiedliche Suchstrategien vor. Es spielt eine Rolle, ob wir auf der Suche – im radioaktiven Fall – nach einer punktförmigen Quelle sind, oder ob wir mit einer flächigen Kontamination zu tun haben. Bei der Punktquelle macht man so was wie eine Maximum-Suche: Dort, wo das stärkste Signal empfangen wird, nähert man sich immer stärker an. Bei einer Flächensuche müssen Sie eher ein Gebiet abstreifen. Und nach diesen Algorithmen wird geflogen. Der Schwarm macht alles von sich alleine."
    Die Schwarmsteuerung ist das Herzstück des Projekts. Dank ihr weiß jede Drohne, wo die anderen Einheiten sich befinden. So findet sie immer den Weg zu ihrem Trägerfahrzeug. Dort kann sie selbstständig landen und ihre Akkus aufladen. Außerdem kann im Schwarm jede Einheit verschiedene Aufgaben übernehmen.
    "Sie können Messungen durchführen, sie können verwendet werden als optische Erkunder. Oder sie können auch eine Rolle als Kommunikationsrelais einnehmen. In Bereichen, wo eine Kommunikation über die Funkstrecke nicht ausreichend ist, kann eine Drohne positioniert werden, die diese Signale transferiert zwischen Schwarm und Bodenstadion. Dass diese Rollen dynamisch zugewiesen werden können, ist etwas Neues. Die Schwammsteuerung ist in der Lage, eine freie Drohne, die grade aufgeladen worden ist, mit einer Rolle zu verbinden, die sie übernehmen kann."
    Dass das System funktioniert, haben die Macher vor einigen Wochen bei einer Großübung bewiesen: Da hat der Drohnen-Schwarm selbstständig einen radioaktiven Strahler gefunden. Damit ist das Projekt beendet. Nun müsste es zu einem Produkt entwickelt werden. Sollte das klappen, würden die Drohnen zunächst einzeln arbeiten, denn das System ist modular aufgebaut. An verschiedenen Standorten würden die Drohen und Roboter der Feuerwehr etwa zur Luftaufklärung bei Bränden dienen. Die Feuerwehrleute könnten Erfahrungen mit ihren mechanischen Kollegen sammeln. Käme es dann tatsächlich zu einem größeren Unglück, könnte man die einzelnen Einheiten zusammenziehen. Im Schwarm würden sie dann die Lage überwachen und den Helfern eine Vogelperspektive verleihen.