Verletzung bei Fußball-EM
Warum der Rettungseinsatz für Ungarns Varga gut gelaufen ist

Der Zusammenprall von Ungarns Nationalspieler Barnabas Varga schockierte Mitspieler und Fans. Teamkollegen kritisierten, dass die Sanitäter zu spät auf den Platz kamen. Rettungsexperte Klaus Runggaldier teilt die Kritik nicht.

24.06.2024
Der Ungar Barnabas Varga wird im EM-Spiel zwischen Ungarn und Schottland mit einer Verletzung vom Platz getragen.
Die Verletzungsszenen um Stürmer Varga überschatten den ungarischen EM-Sieg gegen Schottland. (IMAGO / Colorsport / IMAGO)
Es war eine Szene, die man bei Fußball-Spielen eigentlich nicht sehen will. Spieler hatten Tränen in den Augen, auch die Fans im Stuttgarter Stadion waren ganz still.
Es läuft die 68. Minuten im Spiel der Gruppe A zwischen Ungarn und Schottland, als der Fußball für einige Minute in den Hintergrund rückt. Ungarns Stürmer Barnabas Varga prallt nach einer Freistoßflanke von Kapitän Dominik Szoboszlai mit dem Kopf gegen den schottischen Torwart Angus Gunn. Der ungarische Nationalspieler liegt danach minutenlang regungslos im Fünfmeterraum und wird behandelt. Tücher werden als Sichtschutz hochgezogen.

Szoboszlai: UEFA muss Protokoll überarbeiten

"Das wünsche ich niemandem, was ich gesehen habe. Ich war einer der Ersten, der bei ihm war. Ich weiß auch nicht, was ich machen sollte. Ich habe ihn auf Seite getan. Und dann habe ich gesagt, kommt so schnell wie möglich. Dann sollten sie auch laufen und alles reinbringen, was möglich ist, weil Sekunden können helfen", sagt Ungarns Kapitän Dominik Szoboszlai mit den Tränen in den Augen.
Dominik Szoboszlai (Ungarn) im Trikot von Barnabas Varga (Ungarn)
Ungarns Kapitän Dominik Szoboszlai trägt nach dem Spiel das Trikot von Barnabas Varga. Er war einer der Ersten, der nach dem Zusammenprall bei ihm war. (IMAGO / Shutterstock / IMAGO / Michael Zemanek / Shutterstock)
Es habe sehr lange gedauert, bis die Sanitäter aufs Feld durften und man ihm helfen konnte, kritisiert Szoboszlai. Zudem seien sie zu langsam gewesen. Das könne nicht sein, wenn jemand offenkundig Hilfe brauche. Der frühere Leipzig-Profi fordert die UEFA auf, dieses Protokoll zu überarbeiten. Die UEFA wies diese Vorwürfe in einem Statement zurück. "Wir möchten klarstellen, dass der Mannschaftsarzt innerhalb von 15 Sekunden nach dem Vorfall eingegriffen hat. Unmittelbar danach nahm ein zweiter Arzt eine erste Beurteilung vor, um eine angemessene Behandlung gemäß den üblichen medizinischen Verfahren durchzuführen."

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Brauchten die Rettungskärfte zu lange?

Fernsehbilder zeigen, wie die Rettungskräfte quasi im Schritttempo sich der Stelle nähern. Die Spieler selbst schnappten sich die Trage und brachte sie auf den Platz.
Rettungsexperte Klaus Runggaldier von der MSH Medical School Hamburg teilt die Kritik bei aller Dramatik, die in den Einsatz hineininterpretiert wird, nicht. Nachdem was er im TV sehen konnte, sei der Einsatz sehr professionell, sehr strukturiert und organisiert abgelaufen. Vargas Teamkollegen hätten sofort die Schwere der Verletzung erkannt und die Betreuer herbeigerufen.

Betreuer waren schnell auf dem Platz

"Die Betreuer, das muss man noch mal klar sagen, das sind Fachleute, das sind Profis. Es ist auf jeden Fall ein Arzt dabei, der vor Ort bei dem verletzten Spieler war und dann offensichtlich festgestellt hat: Das ist hier etwas Ernsthaftes und entsprechend diesen Patienten dann sofort versorgt hat, mit den Maßnahmen, die notwendig sind", sagt der gelernte Notfall-Sanitäter.
Auch seien weitere Maßnahmen der Versorgung eingeleitet worden. Unter anderem seien auch die Sanitäter herbeigerufen worden, die dann dafür sorgten, dass der Patient nach der Erstversorgung zur weiteren Versorgung ins Krankenhaus gebracht wird. Die Bilder zeigen, dass die Sanitär zwei Minuten nach dem Zusammenprall Varga erreichen.

Aus Sicht der betroffenen Mitspieler geht das wahrscheinlich nicht schnell genug. Als neutraler Außenstehender muss man sagen: Schnelligkeit nützt da keinem was.

Rettungsexperte Klaus Runggaldier
Es helfe zum Beispiel niemanden, wenn die Sanitäter auf dem nassen Rasen ausrutschen würde. Deswegen seien die Sanitäter für diese Situation in einem vollen Stadion darauf vorbereitet, ihren Einsatz ganz ruhig abzuarbeiten.

Erste Hilfe rettet Leben

Die Spieler auf dem Feld hätten ebenfalls richtig reagiert, indem sie Vargas nach dem Zusammenprall sofort in die stabile Seitenlage gebracht haben. "Das rettet Leben", sagt Runggaldier und erinnert nochmals daran, wie wichtig es ist, in Erste Hilfe geschult zu sein.
Viele EM-Teams, darunter auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, nahmen vor dem Start des Turniers an einem Reanimationstraining teil. "Die Profis müssen das können. Aber natürlich sollte jeder einzelne Mensch in dem Bereich besonders qualifiziert sein, weil das im Zweifel Leben rettet - und nicht der schnell rennende Sanitäter", unterstreicht Runggaldier.

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Wie wichtig das sein kann, zeigt auch das Beispiels des dänischen Nationalspielers Christian Eriksen, der bei der EM 2021 einen Herzstillstand erlitt und reanimiert werden musste. Drei Jahre später sorgte er für die wohl schönste Geschichte der EM, als er zum zwischenzeitlichen 1:0 gegen Slowenien traf.

Vargas erlitt mehrere Brüche im Gesicht

Ungarns Nationalspieler Barnabas Vargas erlitt bei dem heftigen Zusammenprall eine Gehirnerschütterung und mehrere Brüche im Gesicht. Ungarns Verband teilte noch in der Nacht mit, dass der Stürmer wahrscheinlich operiert werden müsse.

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Mehr zur Gruppe A

Genesungswünsche für Vargas im Netz

Direkt nach dem Spiel fluteten Genesungswünsche die sozialen Netzwerke. Der Zuspruch aus der eigenen Mannschaft war groß.

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Auch Fußballer anderer Teams setzten Internet-Postings ab. Frankreichs Superstar Antoine Griezmann schickte auf X herzliche Genesungswünsche:

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EM für Varga beendet - Ungarn wahrt Chance aufs Achtelfinale

Angesichts der schweren Verletzung ist das Turnier für den 29-Jährigen beendet. Seine Mannschaftskollegen wahrten mit dem 1:0-Erfolg gegen die Schotten noch die Chance, sich als Dritter in der Gruppe A für das Achtelfinale der Europameisterschaft zu qualifizieren.

sima