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Schoecks "Das Schloss Dürande"
Premiere einer "entnazifizierten" Oper

Lange lag Othmar Schoecks Oper "Das Schloss Dürande", uraufgeführt 1943, in der Schublade. Zwar war der Komponist kein Nazi, sein Librettist allerdings ein überzeugter Anhänger des Regimes. Nun wurde der Text der Werks überarbeitet und "entnazifiziert", die szenische Uraufführung war am Staatstheater Meiningen.

Von Claus Fischer | 11.03.2019
    Ein Mann kniet auf dem Boden und blättert in einem Album. Um ihn herum sind schwarz gekleidete Männer mit weißen Halstüchern. Szene aus "Das Schloss Dürande" am Staatstheater Meiningen
    Szene aus "Das Schloss Dürande" (Meininger Staatstheater / Sebastian Stolz / www.filmwild.de)
    Ein tragisches Liebesdrama, angesiedelt in der Zeit der französischen Revolution. Renald, der Protagonist ist Gärtner am Hof des Grafen Dürande, eines Landadligen in Südfrankreich, seine Schwester Gabriele hat eine Liebesaffäre mit dem Sohn dieses Grafen. Das passt Renald überhaupt nicht. Er wird zu einer Art Michael Kohlhaas, will seine Schwester aus den Händen des in seinen Augen dekadenten Grafensohns befreien.
    In seinem Furor merkt er aber nicht, dass Gabriele und der junge Adlige sich tatsächlich lieben. Er bringt Gabriele erstmal in ein Kloster, ihr gelingt aber mit dem jungen Grafen die Flucht nach Paris. Dort beginnt die Revolution. Man flieht zurück aufs Schloss Dürande. Am Ende erschießt Renald seine Schwester mit ihrem geliebten jungen Grafen, steckt anschließend das Schloss in Brand und geht selbst im Feuer in den Tod. Summa summarum der perfekte Stoff für eine große Oper!
    Eine Frau liegt auf dem Tisch, ein Mann beugt sich über sie
    Gabriele hat eine Liebesaffäre mit dem Sohn des Grafen (Meininger Staatstheater / Sebastian Stolz / www.filmwild.de)
    Schoeck strebte eine große Karriere an
    Othmar Schoecks Oper "Das Schloß Dürande", die auf der gleichnamigen Novelle von Joseph von Eichendorff basiert, ist sein letztes Musikdrama. Entstanden aufgrund von Beziehungen, die der Schweizer Komponist nach Deutschland pflegte, unter anderem zum Kollegen Richard Strauss, der von 1933 bis 1935 Präsident der sogenannten "Reichsmusikkammer" war. Schoeck wollte Karriere machen und seine Werke nicht nur in der Schweiz, sondern auch im großen Nachbarland aufgeführt sehen, sagt der Intendant des Meininger Staatstheaters Ansgar Haag.
    "Schoeck war selber kein Nazi. Der war ein bisschen ein naiver Schweizer, der meint: Wenn man aus der Schweiz kommt, kann man neutral sein und ansonsten Wein trinken und Frauenaffären haben – und in dieser Welt hat Schoeck ein bisschen an der Realität vorbeigelebt!"
    Durch seine Deutschlandkontakte ergab sich auch die Zusammenarbeit mit dem Dichter des Librettos der Oper "Das Schloß Dürande" Hermann Burte. Der war nun definitiv Nationalsozialist. So ist in seinem Text ständig von der "bedrohten Heimat", von Blut und Boden die Rede, wird das Bild eines aufrechten patriotischen Bürgers im Gegensatz zum angeblich dekadenten Adel gezeigt.
    "Das Libretto von Hermann Burte ist kein großer Wurf", sagt der Schweizer Dirigent Mario Venzago. "Es ist in Reimen geschrieben, primitiv, einfach, simpel und es bedient auch Nazi-Propaganda-Kriterien."
    Libretto wurde "dekontaminiert"
    In einem Projekt der Universität Bern wurde das Libretto sozusagen "dekontaminiert". Dazu zog Mario Venzago den Schriftsteller Francesco Micieli zu Rate. Beide durchforsten die Gesammelten Werke Joseph von Eichendorff nach passenden Texten
    "Wir haben Gedichte gesucht, wir haben aus der Novelle Stellen gesucht, die man dieser Musik beigesellen kann. Sie dann zu unterlegen, sie zu rhythmisieren, sie der originalen Gesangslinie anzupassen, das war dann meine Aufgabe."
    Die textliche und musikalische Neueinrichtung, über deren Hintergründe sich das Meininger Publikum zwar nicht in der Vorankündigung, aber dann doch immerhin im umfangreichen Programmheft informieren konnte, bekommt Schoecks Oper tatsächlich gut. In dieser Fassung wurde das Werk bereits auch mehrfach konzertant in der Schweiz aufgeführt.
    Der Komponist Othmar Schoeck mit seiner Frau Hilde Schoeck-Bartscher und seiner Tochter Gisela am 19. April 1943 in Zürich
    Der Komponist Othmar Schoeck mit seiner Frau und seiner Tochter (picture-Alliance / dpa / Keystone)
    Der Meininger Generalmusikdirektor Philipp Bach, selbst Schweizer und mit dem Komponisten entfernt verwandt, hat seinem Intendanten Ansgar Haag vorgeschlagen, sie nun erstmals szenisch herauszubringen. Der war von der Idee sofort angetan, gab es am Haus in den letzten Jahren doch eine umfangreiche Retrospektive der meisten Opern von Richard Strauss.
    "Die Ähnlichkeit der spätromantischen Musik hat gebaut eine Brücke, dass das hier dem Orchester sehr gepasst hat, zu spielen, unser Publikum wird auch das erstmal mögen, das war der Anlass."
    Othmar Schoecks Oper "Das Schloß Dürande" erinnert klanglich an Richard Strauss oder den "Verismo-Stil" eines Eugen d´Albert. Gabriele, die geliebte Schwester des Jägers Renald und Geliebte des jungen Grafen Dürande hat kunstvoll-melodiöse Arien. Es gibt berückend-schöne Chöre, zum Beispiel den der Nonnen im Kloster – und alles auf der Basis eines sehr farbigen, satten, Orchesterklangs.
    In den düsteren Passagen kreiert Schoeck einen geradezu mystischen Klangteppich der Streicher. Das kann musikalisch auch langweilig werden, wurde es aber unter den Händen von Philippe Bach nie. Er hat das großartige Potenzial der Meininger Hofkapelle voll ausgelotet, es gab nur ganz wenige rhythmische Irritationen. Und auch die außergewöhnlichen Momente in der Partitur hat der Meininger Generalmusikdirektor schön herausgearbeitet: Klavier und Glockenspiel kommen da zum Einsatz, da geht Schoeck in seiner Tonsprache über Richard Strauss und d´Albert hinaus. Musikalisch ist diese Produktion ein großer Genuss!
    Klischees aus der Mottenkiste der Opernregie
    Die Inszenierung der Oper durch den Meininger Intendanten Ansgar Haag stach im Vergleich zur musikalischen Qualität deutlich ab. Der Regisseur erzählt nämlich lediglich Eichendorffs Novelle - und er tut damit Schoecks Musik absolut keinen Gefallen. Man sieht auf der Bühne einen dunklen Wald, oder die Halle im Schloß Dürande - bis auf die Kostüme im Stil des französischen Ancien Régimes. Nur die Szenerie in Paris spielt in den 1920er Jahren, aber leider auch entsprechend naturalistisch.
    Das noch größere Problem: Es gibt kaum Personenführung. Die Protagonisten stehen zum großen Teil herum, es wird selten gespielt. Dazu kommen Klischees aus der Mottenkiste der Opernregie. So halten die Nonnen, beziehungsweise die Damen des Opernchors, demonstrativ schwarze Gebetbücher mit silbernen Kreuzen in die Höhe, eine Spur zu demonstrativ. Mit ordentlicher Schauspielkunst hätte man auch in einigen der ruhigen Orchesterpassagen der Partitur optisch gegensteuern können. Ansgar Haag hat da doch sehr viel Potenzial verschenkt, was schade ist!
    Die Leistungen des Gesangsensembles waren in den Hauptpartien sehr ordentlich: Absoluter Glanzpunkt die deutsche Sopranistin mit türkischen Wurzeln Mine Yücel in der Rolle der Gabriele, als Einzige kam sie nicht aus dem Meininger Ensemble. Sie hatte Riesenpensum zu singen, über dreieinhalb Stunden musste sie immer präsent sein. Und sie hat das nicht nur gemeistert, sondern auch durch das kultivierte, ganz leicht abgedunkeltes Timbre ihre Stimme, das Publikum wirklich angerührt.
    Trotz der Schwächen in der Regie – die erste szenische Aufführung der Neufassung von Othmar Schoecks Oper "Das Schloss Dürande" zeigte eindrücklich das Potenzial, das in ihr steckt. Sehr gut möglich, dass sie sich in den nächsten Jahren – ähnlich wie Eugen d´Alberts "Tiefland" - auf deutschsprachigen Bühnen durchsetzt.