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Schön geglättet?

Nach monatelangem Tauziehen hat das Bundeskabinett den Armuts- und Reichtumsbericht gebilligt. Demnach sind die Einkommen in Deutschland immer noch sehr ungleich verteilt. Doch ein Hinweis auf die wachsende Einkommensschere ist in dem Bericht nicht mehr zu finden.

Von Theo Geers | 06.03.2013
    Beim Armuts-und Reichtumsbericht war Ursula von der Leyen bemüht, die Fakten nach vorn und den Streit nach hinten zu stellen. Heraus kam eine Präsentation nach dem Motto "Deutschland steht gut da, muss aber besser werden." Zum Beleg präsentierte die Bundesarbeitsministerin zahlreiche Beispiele - an erster Stelle die Einkommensverteilung.

    "Wir sehen auch, dass im Berichtszeitraum die Einkommensungleichheit nicht mehr zugenommen hat, sondern wir eine Seitwärtsbewegung haben und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen. Aktuell ist das Auseinanderdriften der Einkommen gestoppt."
    Entscheidend bei dieser wie auch den meisten anderen Zustandsbeschreibungen von der Leyens ist das Wort "Berichtszeitraum." Der reicht von 2007 bis 2011. Vor diesem Berichtszeitraum, also ab 2000, ging die Einkommensschere dagegen auseinander, auch wegen der damals höheren Arbeitslosigkeit und der zu deren Bekämpfung beschlossenen Hartz-Reformen I bis IV. Das ist es auch, was die Betroffenen beim Vergleich ihrer heutigen Lage mit der von früher immer noch eher spüren als solche Aufholprozesse, die in den letzten vier Jahren von Ursula von der Leyen gemessen hat:

    "Wenn man sich wir die realen Haushaltseinkommen gestiegen sind, dann haben in den letzten zwei bis drei Jahren die unteren 40 Prozent der Einkommensgruppen stärker zugelegt als die Gesamtheit. Das ist den Verhandlungen der Tarifparteien und den guten Tarifabschlüssen zu verdanken."

    Trotz solcher Erfolgsmeldungen sind die Vermögen hierzulande weiter ungleich verteilt. Die unteren 50 Prozent aller Haushalte besitzt gerade einmal ein Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschland, umgekehrt verfügen die obersten zehn Prozent der Gesellschaft die Hälfte des Vermögens. Große Unterschiede gibt es auch zwischen zwischen Ost und West: In Westdeutschland beträgt das Immobilien- und Geldvermögen im Schnitt 132.000 Euro, in Ostdeutschland nur 55.000. Fast unbeirrt davon listete Ursula von der Leyen aber weitere Erfolge im Kampf gegen die Armut auf. Beispiel 3: Kinderarmut
    Eine Viertelmillion weniger Kinder in Hartz IV.

    "Die Zahl der Kinder in Hartz IV ist gesunken, mehr als eine Viertelmillion weniger Kinder in Hartz IV. Das ist ein Zeichen dafür, dass im Berichtszeitraum die Dinge besser geworden sind."

    Besser geworden ist – wohlgemerkt im Berichtszeitraum seit 2007 - auch die Lage am Arbeitsmarkt.

    "Armut kann am besten bekämpfen durch Arbeit",
    ist die Arbeitsministerin überzeugt und listete auf die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die gesunken Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss, die bessere Integration der Schulabgänger mit Migrationshintergrund, von denen inzwischen 40 Prozent das Abitur machten, die gesunkene Zahl der Langzeitarbeitslosen und auch die steigende Zahl älterer Arbeitnehmer:

    "Wir sind in Europa inzwischen die zweitbesten hinter Schweden, was Erwerbsbeteiligung der Älteren angeht."
    Zwölf Prozent bekamen weniger als sieben Euro die Stunde, vier Prozent weniger als fünf Euro. Gestiegen dagegen die Erwerbstätigkeit der Frauen. Allerdings räumte von der Leyen hier einen gravierenden Schönheitsfehler ein: Zugenommen hat vor allem die Teilzeitarbeit, da gebe es manches zu verbessern,

    "Deshalb möchte ich gerne, dass wir uns mit Teilzeitrecht noch mal auseinandersetzen und dort einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit einführen."
    Eckpunkte für ein solches Gesetz lägen, so die Arbeitsministerin, schon vor, es gehe jetzt um die Ressortabstimmung.