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Schöpfung, zweiter Versuch

Sie streiften in riesigen Herden über die Steppen der Nordhalbkugel, bis sie vor 10.000 Jahren, am Ende der Eiszeit, plötzlich verschwanden. Für immer, so glaubte man. Doch was, wenn es Wege gäbe, sie wiederauferstehen zu lassen? Pure Fiktion? Die Rückkehr der Eiszeitriesen scheint für einige Wissenschaftler denkbar, manch einer sagt sogar: Sie sei nur noch eine Frage der Zeit.

Von Michael Lange |
    Angestrengt blicken die Touristen Richtung Osten in die tief stehende sibirische Sonne. Seit mehr als einer Stunde stehen sie auf einer Art Wachturm. Sie haben viel bezahlt für diesen Moment und erwarten etwas Besonderes. Ein Lebewesen, das es eigentlich nicht geben dürfte. Dann: Tatsächlich. Da bewegt sich etwas. Langsam. Majestätisch. Fast 500 Meter entfernt. Auf den ersten Blick nichts als buschiges Fell und riesige Stoßzähne. Einigen stockt der Atem.

    "Vor drei Jahren hätte ich gesagt: Unmöglich! Aber momentan findet ein revolutionärer Fortschritt in vielen Bereichen der Molekularbiologie statt, und deshalb denke ich heute, zum jetzigen Zeitpunkt, dass es nicht mehr unmöglich ist."

    Seit das Klonschaf Dolly das Licht der Welt erblickte, gibt es Spekulationen, dass Wissenschaftler eines Tages das ausgestorbene Mammut wiederauferstehen lassen könnten. Doch immer wieder wurden die Hoffnungen enttäuscht. Die gefunden Zellen waren zu schlecht, oder die Methoden nicht ausgereift. Doch nun gibt es einen neuen Weg, auf dem das Mammut schon bald zurückkehren könnte.

    "Der Mammutbulle wiegt mehr als zwölf Tonnen", erklärt ein Ranger, "Genforscher haben dieses wunderbare Tier im Labor zusammen gebaut - aus über 10.000 Jahre alten genetischen Bauplänen." "Kaum zu glauben", flüstert ein Tourist um die 65 und greift nach seinem Feldstecher. "Dass ich das noch erleben darf."

    Grundlage für die Auferstehung des Mammuts ist das vollständige Genom: Die Reihenfolge der einzelnen Buchstaben im Erbgut. Mehr als 70 Prozent des Mammut-Erbguts sind seit Ende 2008 bekannt. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Und jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit und des Geldes, bis auch der Rest in den Computern der Genforscher fehlerfrei gespeichert ist. Stephan Schuster und sein Team an der Pennsylvania State University haben bereits begonnen, eine zweite, vollständigere Version zu erstellen. Noch im Jahr 2010 soll sie vorliegen. Die stupide Arbeit der Sequenzierung erledigen Automaten und Computer. Unterdessen versuchen die Forscher, die vorliegenden Daten auszuwerten. Schuster:

    "Durch die Daten, die wir jetzt sammeln konnten, haben wir Vergleiche gemacht zu 50 heute bereits sequenzierten Wirbeltierarten, die meisten davon Säugetiere. Und es gibt Regionen, in diesen Genomen, die als ultrakonserviert bezeichnet werden. Das heißt: Diese Bereiche in diesem Genom sind identisch auf Aminosäureniveau in allen untersuchten Tierarten. Und nur im Mammut finden wir jetzt Bereiche, einzelne Aminosäuren, die anders sind."
    Das bedeutet: Das Mammut-Genom ist einzigartig und sehr ursprünglich. Besonders interessieren sich die Forscher für die Abweichungen und Übereinstimmungen des Mammuts zu seinen nächsten lebenden Verwandten, den Elefanten. Ist ein Mammut im Grunde ein Elefant mit Fell? Erste genetische Analysen haben ergeben: Elefanten weisen eine hohe genetische Übereinstimmung mit dem Mammut auf. Der Unterschied beträgt nach ersten Schätzungen weniger als ein Prozent. Beim Asiatischen oder Indischen Elefanten etwas weniger, beim Afrikanischen Elefanten etwas mehr.

    Mammut-Nachrichten. In aller Kürze. Das Broad-Institute in Boston hat das Erbgut des Afrikanischen Elefanten entschlüsselt. Insgesamt sieben Mal wurden die einzelnen Buchstaben im genetischen Bauplan des Säugetiers ermittelt, um eine möglichst vollständige und fehlerfreie Version des Elefanten-Genoms zu erhalten. Die Daten sollen helfen, die Evolution und die genetische Vielfalt der Elefanten und ihrer Verwandten zu erforschen. Demnächst will das Team des Broad-Institute auch den genetischen Bauplan des Indischen Elefanten bestimmen.
    Würde man in einem Elefanten-Erbgut alle Unterschiede so verändern, dass sie dem Mammut-Bauplan entsprechen, entstünde aus einem Elefanten ein Mammut. Zunächst ist das nicht mehr als ein Gedankenspiel, an dem sich auch der Molekularbiologe Stephan Schuster gerne beteiligt.

    "Was wir scherzhaft nennen: reverse engineering. Also, dass wir versuchen herauszufinden, welche Veränderungen müssen wir in einen Asiatischen Elefanten einführen, dass er mehr mammutartig wird. Also eine Mammutifizierung eines Indischen Elefanten"

    Für viele Wissenschaftler steht fest: Der Weg zum Mammut führt über den Elefanten. Wahrscheinlich ist dessen Mammutifizierung einfacher und sicherer als das Mammut aus künstlich hergestellter DNA neu zu erschaffen. Schuster:

    "Um so etwas mit einem Mammut zu machen, müsste man minimal 400.000 Änderungen durchführen und maximal mehrere Millionen."

    Seit den 70er-Jahren können Gentechniker einzelne Gene von einer Art in eine andere verpflanzen. Mit Hilfe von Viren oder kleinen Erbgutringen, so genannten Plasmiden, übertragen sie kleine Erbgutabschnitte aus 1000 oder 2000 Bausteinen. Mit dieser Technik könnte man schon heute eines der über 20.000 Mammut-Gene synthetisch herstellen und in eine andere Art verpflanzen. Aber eben nur ein Gen. Schuster:

    "Also, man kann einfach diese Kopie mit Hilfe der PCR Methode in viele, viele Kopien vervielfachen. Und was dann trivial wäre, das einem Bakterium einzupflanzen. Aber man könnte auch relativ einfach eine transgene Maus machen, die dann die Kopie eines Mammut-Gens trägt."

    Statt einer Maus könnte aber auch ein Elefant als Empfänger dienen. Das Ergebnis wäre ein Elefant mit 19.999 Elefanten-Genen und einem Mammut-Gen. So ließe sich zum Beispiel untersuchen, welche konkrete Rolle ein einzelnes Gen im Mammut-Stoffwechsel spielt. Aber mit der Rekonstruktion eines ganzen Tieres hat das natürlich nichts zu tun. Erst nach Genmanipulationen und vielen Generationen entstünde nach und nach ein Mammut. Schuster:

    "Momentan sind wir nicht so weit, dass das technisch möglich wäre. Man kann sich das auf dem Papier überlegen, und es gibt auch inzwischen unter den Kollegen keine Widerstände mehr. Aber es gibt noch mehrere technische Hürden, die überwunden werden müssen, bis es dann letztlich so weit ist."

    Man müsste also viele Gene gleichzeitig übertragen, so dass Millionen Erbgutbausteine verändert würden. Auch darüber haben sich Wissenschaftler bereits Gedanken gemacht. Forscher aus Japan und den USA haben bereits vor etwa 20 Jahren künstliche Hefechromosomen entwickelt. Auf diesen so genannten Mikro-Chromosomen lassen sich viele Hundert oder sogar Tausend Gene unterbringen. Das sind Hunderttausende, manchmal Millionen Erbgutbausteine. Die Mikrochromosomen finden in der Tierzucht Verwendung. Bei der Firma Hematech in South Dakota werden sie genutzt, um Rinder mit einem menschlichen Immunsystem zu züchten. Die Nutztiere sollen so zu Impfstoff-Lieferanten für den Menschen werden.

    Das kleine Kälbchen steht noch unsicher auf seinen langen, dürren Beinen. Verängstigt schaut es durch eine Glasscheibe nach draußen. Die Tierärztin Julie Koster erklärt, dass der Raum extrem sauber sein muss. Denn das Kalb besitzt kein natürliches Immunsystem. Nur Tierpfleger in weißen Schutzanzügen gelangen – gut gesäubert - durch eine Schleuse in das Innere des Raumes. Dieses Kalb ist genmanipuliert. Es besitzt menschliches Erbmaterial zum Aufbau eines menschlichen Immunsystems.

    "Gentechnische Eingriffe beschränken sich meist auf ein paar Tausend Basenpaare. Aber wir mussten Millionen Basenpaare einschleusen."

    James Robl hat sich als Klonexperte für Rinder einen Namen gemacht. Der Universitätsprofessor ist Gründer der Firma Hematech mit Sitz in Sioux Falls in South Dakota. Während er an seinem Schreibtisch sitzt, schaut eine Kunststoff-Kuh über seine Schulter.

    "Wir mussten ein neues Chromosom bauen, das wir zum Rinder-Erbgut hinzufügten. Normalerweise besitzen Kühe 60 Chromosomen. Unsere Rinder haben 61 Chromosomen. Das zusätzliche Chromosom besitzt etwa 25 bis 30 Millionen Basenpaare. Damit ist es ein sehr kleines Chromosom, verglichen mit natürlichen Chromosomen. Aber es reicht aus, um die Erbinformation für über 1000 Gene zu tragen. Das heißt für die heutige Gentechnik ist es riesig. Wir haben dieses Chromosom mit Hilfe von Hefezellen hergestellt. Wichtig ist, dass es alle Elemente besitzt, um sich bei einer Zellteilung zu verdoppeln, so dass nach einer Zellteilung beide Tochterzellen ein Mikro-Chromosom erhalten."

    Tatsächlich entwickelten einige Rinder Teile eines menschlichen Immunsystems und produzierten menschliche Antikörper. Die Nachkommen dieser Tiere jedoch hatten diese Fähigkeit wieder verloren. Das künstliche Chromosom war bei der Fortpflanzung verloren gegangen. Nur durch Klontechnik konnten die Forscher weitere Rinder mit zusätzlichen, menschlichen Chromosomen züchten. Der ursprüngliche Plan, Rinder als Impfstoff-Lieferanten für den Menschen zu nutzen, ließ sich bislang nicht verwirklichen, muss James Robl eingestehen. Dennoch äußert er sich auch nach zehn Jahn Forschung optimistisch.

    "Die Technik ist nicht gerade einfach. Sie ist extrem kompliziert, auch heute noch. Deshalb arbeiten wir seit einigen Jahren mit dem japanischen Nahrungsmittel- und Pharmakonzern Kirin zusammen. Die Forscher dort in Tokio haben die meisten Erfahrungen mit Mikrochromosomen. Es ist schwierig, die richtigen Gene in einem Chromosom zusammen zu bringen und die entsprechenden Erbanlagen im Empfänger auszuschalten. Aber wir haben es bereits mehrfach geschafft. Einige unserer veränderten Kühe mit künstlichen Chromosomen sind bereits fünf oder sechs Jahre alt."

    Die von James Robl gegründete Firma Hematech wurde inzwischen vom japanischen Konzern Kirin aufgekauft. Geforscht wird weiter, aber zu den Erfolgsaussichten, will sich die Kirin-Konzernleitung nicht äußern. Sollte diese Technik eines Tages eingesetzt werden, um ein Mammut zu erschaffen, müssten alle typischen Mammutgene auf einem künstlichen Mikrochromosom vereinigt werden. Gleichzeitig müssten die entsprechenden Gene des Elefantengenoms ausgeschaltet werden. Extrem viel Kleinarbeit, die im Labor von Hand gemacht werden müsste. Ergebnis ungewiss.

    Fünf Minuten später steht das Mammut immer noch bewegungslos neben ein paar zerzausten Kiefern. Die ersten Touristen werden ungeduldig. "Ich sehe kaum etwas", beschwert sich ein übergewichtiger Mann um die 60. "Könnten die das Mammut nicht ein wenig in unsere Richtung treiben? Schließlich haben wir für diese Attraktion bezahlt." Der Ranger schüttelt den Kopf. "Sie können froh sein, dass Sie im 21. Jahrhundert so ein Wunder der Natur überhaupt zu Gesicht bekommen. Sie ahnen ja nicht, was unsere Forscher alles unternommen haben, um das hier möglich zu machen."

    Der amerikanische Genom-Forscher George Church von der Harvard Medical School in Boston hat zum Thema "Rückkehr des Mammuts" eine eigene Idee. Seine Philosophie lautet: Automatisierung. Und dann konstruiert das Leben sich selbst.

    "Sie können die genetischen Veränderungen gewissermaßen im laufenden Betrieb durchführen. Also, während die Zellen leben und sich teilen. Das ist, als ob man bei seinem Auto neue Teile einbaut, ohne anzuhalten. Das ist die beste Art, um Säugetiere gentechnisch zu verändern."

    Mammut-Nachrichten. In aller Kürze. Genetiker der Harvard Medical School in Boston stellen im Fachblatt "Nature" eine neue Methode der Genmanipulation vor. Das Team um George Church hat eine Methode entwickelt, mit der sich viele Hundert genetische Veränderungen parallel durchführen lassen. Ihr Verfahren nennen sie Multiplex-Genom-Technik. Sie haben es zunächst an Bakterien der Art Escherichia coli erprobt. Nach Angaben des Entwicklers George Church lässt sich die gleiche Methode auf Säugetierzellen übertragen. So sei es nun prinzipiell möglich aus der Zelle eines Elefanten eine Mammutzelle zu machen, erklärte Church gegenüber der New York Times.

    George Church ist einer der Stars einer neuen Forschungsrichtung: der Synthetischen Biologie. Fast so etwas wie ein Guru. Er äußert sich häufig zu theoretischen Fragen der Wissenschaft, denkt über neue Methoden nach, und wie sie die Welt verändern könnten. Er wirkt stets ruhig und gelassen. Nur gelegentlich genießt er es, zu provozieren.

    "Wir haben eine Methode entwickelt, die mehrere Hundert genetische Veränderungen parallel durchführt. Die DNA-Erbmoleküle, die so entstehen, sind nicht wirklich synthetisch. Wir könnten jetzt Gensequenzen vom Elefanten nehmen und automatisch verändern. Danach ist es keine Elefanten-DNA mehr, sondern irgendetwas anderes. Was immer Sie wollen. Das Erbmaterial verpflanzen Sie in eine Elefanten-Stammzelle, aus der wird ein neues Tier. Aus einer einzelnen Zelle können sie dann ein ganzes Mammut machen."

    Das Geheimnis steckt in einem unscheinbaren Apparat auf einer Laborbank im Raum neben George Churchs Büro. Das Gerät ist nicht größer als ein Laser-Drucker. Mehrere Dutzend dünne Schläuche verbinden verschiedene Reaktionsgefäße. Nichts bewegt sich, nur manchmal leuchtet ein rotes oder weißes Signal. Daran angeschlossen ein gewöhnliches Notebook. Damit lässt sich der Wunderkasten steuern. Church:

    "Der ganze Prozess ist automatisiert. Die DNA befindet sich auf einem Chip. Es handelt sich nicht um ein paar Hundert Basenpaare sondern um 100.000. Die Erbinformationen werden nach und nach so verändert, wie der Computer es vorgibt. Dann geben wir diese veränderte DNA in eine Elefantenzelle – mit den Standardmethoden der Gentechnik. Das machen wir mehrfach und langsam wird aus der Elefantenzelle eine Mammutzelle."

    Das hört sich so an, als könne man das Erbgut eines Elefanten einfach umändern, wie einzelne Buchstaben bei der Textverarbeitung im Computer. Man streiche ein G und setze stattdessen ein C. Für George Church – alles kein Problem. Wie der Apparat die Änderungen stets an den richtigen Stellen durchführt, bleibt unklar. Auch eine andere Schwierigkeit erwähnt er nur im Nebensatz: Um aus einer einzelnen Zelle einen ganzen Elefanten zu machen, muss diese Zelle embryonale Eigenschaften besitzen. Sie muss totipotent sein. Das heißt: Die biologischen Schalter im Erbmaterial müssen so eingestellt sein, dass aus der Zelle ein ganzes Lebewesen entstehen kann. Nur wenige Zellen besitzen diese Eigenschaft. Befruchtete Eizellen, aber auch embryonale Stammzellen. Neuerdings gibt es noch einen weiteren Zelltyp,der in Frage kommt: Reprogrammierte Körperzellen, so genannte IPS-Zellen.

    Mammut-Nachrichten. In aller Kürze. Chinesische Forscher erschaffen erstmals Mäuse aus umprogrammierten Körperzellen. Die Herstellung dieser sogenannten IPS-Zellen hatte im Jahr 2007 Euphorie ausgelöst. Wissenschaftler der Universität Kyoto hatten durch das Einschleusen genetischer Faktoren aus Hautzellen neue Zellen gemacht, deren Eigenschaften denen embryonaler Stammzellen ähnelten. Nun konnten daraus erstmals lebensfähige Tiere hergestellt werden. Die erste durch diese Methode erzeugte Maus erhielt den Namen: Xiao Xiao. Das bedeutet winzig.

    George Church spricht so, als ginge es bei seiner Forschung bereits um die Wiedererschaffung des Mammuts. Dabei hat er nie mit Elefantenzellen gearbeitet. Die an seinem Labor entwickelten Techniken wurden ausschließlich an Bakterien ausprobiert. Dennoch ist George Church überzeugt, dass sein Verfahren den Weg aufzeigt zur Rückkehr der Eiszeitriesen. Gerne lässt er sich mit einem "synthetischen" Mammut aus Plüsch fotografieren. Keine Frage: Church selbst freut sich auf die Rückkehr des Mammuts.

    "Es könnte sein, dass wir zuerst einen kleinen Testlauf machen. Wie wäre es mit einem Elefanten mit längeren Stoßzähnen und ein wenig Haarwuchs. Dann werden wir sehen, wie die Öffentlichkeit auf dieses Tier reagiert. Ich glaube, dass die ersten Tiere, die so entstehen, in Zoos leben werden. Aber wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir sie auswildern können. Nur so werden wir ausgestorbene Arten wirklich zurückbringen."

    Schließlich, so ergänzt er, sei der Mensch für das Verschwinden vieler Arten verantwortlich, da könne er auch einige zurück bringen.

    "Viele ökologische Studien haben gezeigt, wie wichtig die Artenvielfalt für unsere Ökosysteme ist. Wir brauchen so viel Vielfalt wie möglich. Und deshalb sollten wir lernen, alte Arten zurückzuholen oder neue zu erschaffen."

    In Berlin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung schüttelt man den Kopf über solche Äußerungen. Viel effizienter wäre es, so viel wie irgend möglich von der heutigen Vielfalt zu erhalten. Dennoch: Das Mammut-Projekt stößt auch hier auf Interesse.

    "Ich denke, es ist ein extrem interessantes Projekt. Und es zeigt sich, dass viele Dinge, die vorher überhaupt nicht denkbar waren hinsichtlich der Gentechnik und der Rekonstruktion des Genoms, heute oder in naher Zukunft realisierbar sind."

    Thomas Hildebrandt wird häufig zu Hilfe gerufen, wenn in einem Zoo eine schwierige Elefantengeburt bevorsteht. In seinem Büro wimmelt es nur so von Elefanten: Gemalt, fotografiert und als Modell aus Holz, Kunststoff oder Metall. Die meisten sind Geschenke verschiedener Zoos, als Dank für eine erfolgreiche Geburtshilfe.

    "Wenn ein Mammut-Projekt aus der Taufe gehoben wird, dann sind wir dabei, weil wir die Fortpflanzungsspezialisten in der Welt sind."

    Thomas Hildebrandt interessiert sich für alle Elefanten, und ein Mammut ist für ihn zunächst ein Elefant. Elefanten unterschiedlicher Arten können sich im Prinzip sogar miteinander paaren. Auch wenn sie so unterschiedlich aussehen wie Asiatische und Afrikanische Elefanten.

    "Und es gab auch die erfolgreiche Geburt eines Hybriden, der dann leider zehn Tage später gestorben ist. Also die theoretische Möglichkeit, dass ein Mammut in einem Asiatischen Elefanten ausgetragen werden könnte, die ist da."

    Die Wahl würde auf den Asiatischen Elefanten fallen, da der nach neuesten Erkenntnissen etwas enger verwandt ist mit dem Mammut als der Afrikanische. Bei der Genetik, da sieht Thomas Hildebrandt wenig Schwierigkeiten. Doch da wäre noch die Reproduktionsbiologie. Die künstliche Befruchtung hat zwar in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Die meisten der neuen Verfahren wurden jedoch bei Nutztieren oder direkt beim Menschen entwickelt. Ohne Weiteres lassen sie sich nicht bei Elefanten anwenden, so Thomas Hildebrandt. Wenn zum Beispiel ein Mammut-Embryo in einer Elefanten-Leihmutter heranwachsen soll, müsste der Embryo zunächst in deren Gebärmutter verpflanzt werden. Beim Menschen eine erprobte, vielfach eingesetzte Technik, nicht aber beim Elefanten. Hildebrandt:

    "Das ist beim Elefanten extrem schwierig, weil der Embryotransfer in den oberen Abschnitt des Eileiters, in die Spitze des Uterushorns eine ganz andere Herausforderung darstellt als es beim Schaf, beim Rind oder gar beim Menschen wäre. Das Problem, das wir beim Elefanten haben: Die Lunge ist angewachsen bei allen Elefantenartigen. Und das heißt, dass der Druck im Bauchraum extrem hoch ist, und Sie können beim klassischen Vorgehen beim Embryotransfer, wo man Gas in die Bauchhöhle einströmen lässt, um die Gedärme beiseite zu drücken, um Zugang zur Gebärmutter zu bekommen, das kaum beim Elefanten umsetzen."

    Schon bei der künstlichen Besamung braucht Thomas Hildebrandt einen sehr langen Katheter. 2,50 Meter muss der lange, dünne Schlauch in die Elefantenkuh eindringen. Ein schwieriges Unterfangen. Hildebrandt:

    "Wir müssten aber für den Embryotransfer noch mindestens 70 Zentimeter weiter voran gehen, und in den Eileiter kommen. Das ist eine Herausforderung, die bisher extrem schwierig erscheint, weil, der Eileiter hat nur einen Außendurchmesser von vier Millimeter und ein inneres Lumen von 0,1 oder 0,2 Millimeter. Das heißt: Wir müssen auf einer Länge von über drei Metern mit Kathetertechnik operieren, die also fast Haardicke haben, um diesen Embryo dort abzusetzen."

    Wenn dann der Embryo nicht abgestoßen wird, sondern sich in der Gebärmutter einnistet, wäre es geschafft. Die Tragezeit, die bei Elefanten etwa 22 Monate dauert, könnte beginnen. Bei der Geburt könnte es allerdings erneut Probleme geben. Denn ein Mammut ist wahrscheinlich schon bei der Geburt größer als ein Elefantenbaby. Im Computer-Tomografie-Raum des Instituts erklärt Thomas Hildebrandt die möglichen Komplikationen bei der Mammut-Geburt.

    "Ein Kaiserschnitt beim Elefanten hat noch nie funktioniert. Wir hatten fünfzehn Versuche und alle haben tödlich geendet – für beide Seiten. Das heißt: Wir müssen unbedingt versuchen, wenn ein Mammut tatsächlich in einem Asiatischen Elefanten wachsen sollte, dass man dann das Größenverhältnis beachtet, und dem Mammut wirklich die Chance gibt, dass er rauskommt, und nicht zersägt werden muss."

    Wie dieses Problem zu lösen ist, da will sich Thomas Hildebrandt noch nicht festlegen. Das Wort "unmöglich" jedenfalls gehört nicht zu seinem Wortschatz. Für ihn steht aber fest, dass die Rückkehr des Mammuts nur mit extremem Aufwand und nach vielen Anstrengungen zu haben ist. Der Wunsch des Menschen, seinem Weggefährten, dem Mammut, wieder zu begegnen, den hält er allerdings für nachvollziehbar.

    "Das Verhältnis zwischen Menschen und den Elefantenartigen ist ein sehr besonderes Verhältnis. Es gab ja diesen Spruch von Schopenhauer, der gesagt hat: Die Idee des Elefanten ist unendlich. Das heißt: Wir Menschen nehmen den Elefanten sogar in unsere philosophische Welt mit hinein, und das Verhältnis der Menschen vor 10.000 Jahren zum Mammut war ein extrem intensives, weil, ein erlegtes Mammut hat das Überleben der Gruppe über den Winter ermöglicht."

    Neben den Wünschen des Menschen gibt es natürlich auch die Bedürfnisse des Mammuts. Keiner kann das Mammut fragen, ob es zurückkehren will - und wenn ja, wie es leben möchte. Hildebrandt:

    "Der Elefant – und man kann davon ausgehen, dass es ähnlich beim Mammut ist – ist ein hoch soziales, intelligentes Tier. Wir sehen das in der klassischen Zoohaltung, bis vor zwanzig Jahren, dass Tiere einzeln gehalten wurden, dass diese extrem schwere Depressionen entwickelt haben. Also der Elefant braucht den sozialen Zusammenhang, die Interaktion zwischen den Individuen. Das heißt: Ein Mammut wird wahrscheinlich mental erkranken. Also wir brauchen mindestens drei oder vier Jungtiere, die die Gruppe stimulieren. Das ist eine Herausforderung an die Wissenschaft, die noch komplexer ist als nur ein Tier zurückzuholen."

    Selbst der Forschungs-Optimist George Church wird nachdenklich beim Blick auf das kleine, einsame Plüsch-Mammut. Er greift in das Regal und stellt einen indischen Elefanten aus Porzellan daneben.

    "Wenn wir eine Art zurückholen, sind wir auch für deren Wohlergehen verantwortlich. Wir müssen menschlich sein gegenüber den Tieren und dafür sorgen, dass sie sich in ihrem neuen Genom genau so wohl fühlen wie in ihrem alten Genom."

    Mammut-Nachrichten. In aller Kürze. In der Provinz Jakutien im Nordosten Sibiriens soll die Eiszeit aufs Neue beginnen. Der russische Geologe Sergej Zimov verfolgt seit Jahren das Ziel einen großen unbewohnten Landstrich in eine Eiszeit-Steppe zu verwandeln. Zur Zeit ist die Fläche etwa 40 Mal 40 Kilometer groß. Dort soll nach Zimovs Plänen eine Landschaft entstehen, wie sie bis vor etwa 11.000 Jahren große Gebiete Eurasiens prägte. Viele der damals weit verbreiteten Tierarten sollen dort angesiedelt werden: Rentiere, Bisons, Wisents, Steppenpferde, Wölfe und falls möglich irgendwann auch Mammuts.

    Die Mehrzahl aller Tierarten, die jemals auf der Erde lebten, existiert heute nicht mehr. Die meisten sind ausgestorben. Wahrscheinlich machen die heute lebenden Arten weniger als ein Prozent aller jemals von der Evolution hervorgebrachten Arten aus. Für den Berliner Zoologen Alex Greenwood gehört das Aussterben deshalb ebenso zur Natur wie die Entstehung neuer Arten.

    "Die Säugetiere sind verbreitet, weil die Dinosaurier ausgestorben sind. Und dieser Zyklus passiert immer wieder. Wenn wir diesen Prozess beenden und nichts mehr ausstirbt, dann gibt es auch keine Artenentwicklung, denn alle Nischen sind besetzt. Wir kommen nicht zu Evolution."

    "Nächstes Jahr fahren wir wieder nach Kenia," sagt eine in ihren Pelzmantel gehüllte Frau und blickt vorwurfsvoll auf ihren Mann, der leise mit den Zähnen klappert. "Da kommt man viel näher an die Tiere heran. Außerdem ist es da nicht so kalt." "Vielleicht ist es gar kein Mammut," wirft eine junge Frau unter einer Bärenfellmütze ein. "Sie haben einfach einen Elefanten genommen und ihm Haare wachsen lassen, habe ich irgendwo gelesen."

    Ob das Mammut einst durch den Menschen von der Erde vertrieben wurde, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Alex Greenwood vermutet, dass Krankheitserreger damals eine wichtige Rolle spielten. Beim Afrikanischen und beim Asiatischen Elefanten ist das anders. Sie sind eindeutig deshalb bedroht, weil der Mensch ihren Lebensraum zerstört. Das Mammut zurückzuholen, während gleichzeitig andere Elefanten dezimiert werden, ergibt für die Berliner Zoologen Alex Greenwood und Thomas Hildebrandt keinen Sinn.

    Greenwood:

    "Ich würde es lieber sehen: Wir behalten unsere Elefanten als dass wir ausgestorbene Elefanten zurückbringen."

    Hildebrandt:

    "Wenn so viel Geld für eine ausgestorbene Tierart ausgegeben werden soll, möchten wir zuerst einmal etwas mehr Anstrengungen von der Öffentlichkeit sehen, dass sie sich um die Tiere kümmert, die dann möglicherweise in 10.000 Jahren attraktiv sein können."

    Eine Weile herrscht Stille. Fragende Blicke Richtung Ranger. Der vergräbt seine Hände noch tiefer in den Taschen. "Stimmt, das war mal ein Elefant," murmelt er. "Aber jetzt ist es ein Mammut. Das haben unsere Wissenschaftler eindeutig bestätigt." Einige Touristen nicken. Andere scheinen nicht überzeugt. Ein Trick? Haben sie ihr Erspartes für eine Illusion ausgegeben?

    Hinweis: Den ersten Teil des Doppelfeatures "Schöpfung, 2. Versuch - das Mammut kehrt zurück" können Sie hier nachlesen.