Archiv

"Interview der Woche"
Scholz erklärt Debatte über weitere Nutzung der Atomenergie für beendet

Bundeskanzler Scholz hat der weiteren Nutzung der Kernenergie in Deutschland eine klare Absage erteilt. Der SPD-Politiker sagte im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, die Atomkraft sei - so wörtlich - "ein totes Pferd". Zudem bekräftigte er seine Skepsis gegen die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises und warnte davor, immer neue Schuldenberge anzuhäufen.

    Der Bundeskanzler sitzt an einem Tisch und schaut den Interviewer an. Vor beiden sind Mikrofone angebracht.
    Bundeskanzler Scholz im DLF-Interview der Woche (C. Kruppa)
    Mit dem Ende der Nutzung habe auch der Abbau der noch bestehenden Atommeiler begonnen, sagte Scholz. Falls man doch neue Kernkraftwerke bauen wollte, brauchte man 15 Jahre und müsse pro Stück 15 bis 20 Milliarden Euro ausgeben. Zuletzt hatten die FDP und die CDU eine Rückkehr zur Atomkraft gefordert. Auch die AfD ist für eine weitere Nutzung.

    Scholz bekräftigt Skepsis gegen subventionierten Industriestrompreis

    Zu den Forderungen von Wirtschaftsverbänden und Teilen der Ampelkoalition nach einem Industriestrompreis äußerte sich der Kanzler verhalten. Natürlich sei "der Vorschlag, wem man Geld geben soll, einfacher gemacht als der Vorschlag, wo es herkommen soll", sagte Scholz. Er betonte, es gebe nur drei Wege der Finanzierung, um den Strompreis für einige Firmen zu verbilligen. Zahlen müssten dann etwa die anderen Kunden oder die Steuerzahler. Die dritte Option sei eine Finanzierung über Schulden. Es sei jedoch ganz offensichtlich, dass dazu im Parlament sehr unterschiedliche Ansichten existierten. Deshalb müsse "natürlich" zu jeder Diskussion gehören, wo man Milliarden wegnehmen wolle. Scholz verwies in diesem Zusammenhang erneut darauf, dass die eigentliche Aufgabe sei, den Strompreis strukturell zu senken. Er hatte dabei zuvor etwa auf den nötigen Ausbau billiger Ökostrom-Erzeugung und den Netzausbau verwiesen.

    Scholz verteidigt "Wachstumschancengesetz"

    Der Kanzler verteidigte den zuletzt vom Kabinett beschlossenen Entwurf für das sogenannte Wachstumschancengesetz mit Maßnahmen zur Förderung und Entlastung der Wirtschaft. Diese zielten nicht einfach darauf ab, jemanden weniger Steuern zahlen zu lassen, sondern die Investitionstätigkeit anzuregen. Das habe man "genau kalibriert“, erklärte Scholz weiter. So straften Ansiedlungen internationaler und deutscher Chiphersteller alle Lügen, die jetzt sagten, man wolle in Deutschland nicht mehr investieren. Vielmehr seien günstigere Abschreibungsregeln und Möglichkeiten zum Verlustvortrag "genau der Impuls, den die Wirtschaft genau zu diesem Zeitpunkt" brauche.

    Keine neuen Sonderschulden

    Insgesamt sprach sich Scholz gegen neue Sonderschulden außerhalb des regulären Haushalts aus. Es könne nicht zum Regelfall werden, dass der Staat sich mit 100 oder 200 Milliarden Euro pro Jahr verschulde. Mit Blick auf die Steuereinnahmen meinte er, man müsse sehen, dass man mit dem vielen Geld, das man habe, zurechtkomme. Wenn die Wirtschaft nicht wolle, dass die Schuldenbremse aufgehoben werde, dann müsse sie auch sagen, dass es gut ist, dass die Bundesregierung in großem Umfang die Wirtschaft unterstütze, aber nicht mit Hundert-Milliarden-Programmen, betonte Scholz. Zuletzt hatte der Bundesrechnungshof die in sogenannten Sondervermögen ausgelagerte Verschuldung des Bundes gerügt und als budgetflüchtige Ausgaben bezeichnet.

    "G20 bleiben wichtig"

    Der Bundeskanzler betonte trotz der geplanten Erweiterung des sogenannten BRICS-Blocks um sechs Staaten die Bedeutung der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Die G20 würden auch weiterhin wichtig sein. Dafür würden schon die Präsidentschaften Indonesiens, Indiens und Brasiliens im vergangenen, in diesem und im kommendem Jahr sorgen. Scholz sprach in diesem Zusammenhang von einer "großen Aufgabe" und einer "verdammten Verpflichtung", die Welt der Zukunft gemeinsam und auf Augenhöhe mit den aufstrebenden Nationen in Asien, Südamerika und Afrika zu gestalten. Hier hätten die Westeuropäer eine Verantwortung mit ihrer kolonialen Geschichte und Vergangenheit. Denn man dürfe nicht vergessen, dass diese in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern noch nicht lange zurückliege.

    "Faire Partnerschaften anbieten"

    Auf die Frage, was man im Wettbewerb etwa mit China anders machen wolle, sagte der Kanzler, man wolle "faire Partnerschaften" anbieten. So könne man etwa Staaten im sogenannten globalen Süden dabei helfen, nicht nur Rohstoffe abzubauen, sondern diese gleich auch dort zu verarbeiten. Der G20-Gipfel findet in der kommenden Woche in Indien statt.
    Mit Blick auf die gewünschte Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auch durch Schwellenländer sagte Scholz, dass es bei diesen die Erwartung gebe, dass sich der Westen dann auch um Überfälle auf Nachbarländer in anderen Teilen der Welt kümmern müsse.
    (Das vollständige Interview mit Bundeskanzler Scholz können Sie hier nachlesen.)
    Diese Nachricht wurde am 02.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.