Nach Entlassung
Scholz: "Lindners Verhalten will ich dem Land nicht länger zumuten" - Vertrauensfrage angekündigt

Bundeskanzler Scholz hat Finanzminister Lindner entlassen. Der SPD-Politiker erklärte am späten Abend, es gebe kein Vertrauensverhälnis mehr. Zu oft habe Lindner sein Vertrauen gebrochen. Ein solches Verhalten wolle er dem Land nicht länger zumuten, erklärte Scholz. Am 15. Januar will er die Vertrauensfrage im Bundestag stellen.

    Bundeskanzler Scholz gibt ein Pressestatement vor dem Kanzleramt - er steht vor deutschen und europäischen Flaggen.
    Bundeskanzler Scholz informiert über die Entlassung von Finanzminister Lindner. (dpa / Markus Schreiber)
    Weiter führte Scholz aus, er sei sich mit Vizekanzler Habeck einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs brauche. In den Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten wolle er alle Gesetze zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten. Dazu gehören nach seinen Worten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.
    Zu Lindner erklärte er, diesem gehe es nicht ums Land, sondern um das eigene Klientel und das Überleben der eigenen Partei. Der Streit auf offener Bühne habe viel lange konstruktive Lösungen in der Koalition blockiert.
    Wirtschaftsminister Habeck bedauerte den Bruch der Koalition. Dies fühle sich falsch an, gerade an einem Tag, an dem Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen müsse.

    Lindner forderte Neuwahlen

    Lindner machte den Bundeskanzler für das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich. "Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte Lindner am Abend in Berlin. Er warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben.
    Zudem warf Lindner SPD und Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass das Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige.

    FDP zieht alle Minister aus Regierung zurück

    Die FDP kündigte überdies an, alle ihre Minister aus der Bundesregierung zurückzuziehen. Sie wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen, sagte Fraktionschef Dürr. Damit beendet die FDP das Dreierbündnis der Ampel-Koalition.
    Lindner hatte nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien beim Treffem des Koalitionsausschusses am Abend Neuwahlen vorgeschlagen. Dies habe Scholz abgelehnt. Weiter hieß es, Lindner habe zuvor beklagt, dass die Gespräche der vergangenen Tage über den Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik keine ausreichende Gemeinsamkeit für eine Wende darstellten.
    An dem Treffen des Koalitionsauschusses im Kanzleramt nahmen neben Scholz und Lindner auch Wirtschaftsminister Habeck und die Partei- und Fraktionschefs sowie weitere Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP teil. Scholz hatte sich zuvor bereits mehrfach in kleiner Runde mit Habeck und Lindner getroffen, um Kompromisse auszuloten.
    Lindner hatte in der vergangenen Woche ein 18-seitiges Forderungspapier für eine "Wirtschaftswende" in Deutschland vorgestellt und damit den Druck auf die Koalitionspartner erhöht. Mit seinem Vorstoß war Lindner bei SPD und Grünen jedoch weitgehend auf Ablehnung gestoßen.

    "Ein sehr entscheidender Tag"

    Habeck hatte die Koalitionspartner am Nachmittag erneut zur Einigung aufgerufen – auch und gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Herausforderungen für Deutschland durch den Wahlsieg des Republikaners Trump bei der US-Präsidentschaftswahl. Der CSU-Vorsitzende Söder sagte dagegen, eine schwache und zerstrittene Bundesregierung werde einen gestärkten US-Präsidenten nicht beeindrucken. Es brauche "jetzt erst recht" Neuwahlen.
    Diese Nachricht wurde am 06.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.