Zuvor hatte Scholz Lindners Entlassung damit begründet, es gebe kein Vertrauensverhälnis mehr. Zu oft habe Lindner sein Vertrauen gebrochen. Ein solches Verhalten wolle er dem Land nicht länger zumuten, erklärte der SPD-Politiker Scholz. Am 15. Januar will er die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, die Folge könnten Neuwahlen bis Ende März sein.
Weiter führte Scholz aus, er sei sich mit Vizekanzler Habeck einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs brauche. In den Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten wolle er alle Gesetze zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten. Dazu gehören nach seinen Worten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Zu Lindner erklärte er, diesem gehe es nicht ums Land, sondern um das eigene Klientel und das Überleben der eigenen Partei. Der Streit auf offener Bühne habe viel lange konstruktive Lösungen in der Koalition blockiert.
Wirtschaftsminister Habeck bedauerte den Bruch der Koalition. Dies fühle sich falsch an, gerade an einem Tag, an dem Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen müsse.
Lindner forderte Neuwahlen
Lindner machte den Bundeskanzler für das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich. "Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte Lindner am Abend in Berlin. Er warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben. So habe ihm der Kanzler etwa ein Ultimatum für ein Aussetzen der Schuldenbremse gestellt und keine für alle tragfähige Einigung mehr angestrebt.
Zudem warf Lindner SPD und Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass das Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige.
FDP zieht alle Minister aus Regierung zurück
Die FDP kündigte überdies an, alle ihre Minister aus der Bundesregierung zurückzuziehen. Sie wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen, sagte Fraktionschef Dürr. Damit beendet die FDP das Dreierbündnis der Ampel-Koalition.
Lindner hatte nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien beim Treffem des Koalitionsausschusses am Abend Neuwahlen vorgeschlagen. Dies habe Scholz abgelehnt. Weiter hieß es, Lindner habe zuvor beklagt, dass die Gespräche der vergangenen Tage über den Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik keine ausreichende Gemeinsamkeit für eine Wende darstellten.
An dem Treffen des Koalitionsauschusses im Kanzleramt nahmen neben Scholz und Lindner auch Wirtschaftsminister Habeck und die Partei- und Fraktionschefs sowie weitere Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP teil. Scholz hatte sich zuvor bereits mehrfach in kleiner Runde mit Habeck und Lindner getroffen, um Kompromisse auszuloten.
Lindner hatte in der vergangenen Woche ein 18-seitiges Forderungspapier für eine "Wirtschaftswende" in Deutschland vorgestellt und damit den Druck auf die Koalitionspartner erhöht. Mit seinem Vorstoß war Lindner bei SPD und Grünen jedoch weitgehend auf Ablehnung gestoßen.
"Ein sehr entscheidender Tag"
Habeck hatte die Koalitionspartner am Nachmittag erneut zur Einigung aufgerufen – auch und gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Herausforderungen für Deutschland durch den Wahlsieg des Republikaners Trump bei der US-Präsidentschaftswahl. Der CSU-Vorsitzende Söder sagte dagegen, eine schwache und zerstrittene Bundesregierung werde einen gestärkten US-Präsidenten nicht beeindrucken. Es brauche "jetzt erst recht" Neuwahlen.
Diese Nachricht wurde am 07.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.