Fernsehduell
Scholz und Merz erneuern gegenseitige Vorwürfe in der Migrationsdebatte

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl sind Bundeskanzler Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Merz im ersten von zwei geplanten Fernsehduellen aufeinandergetroffen. Unterschiede wurden vor allem in der Wirtschafts- und Migrationspolitik deutlich.

    Journalisten beobachten das TV-Duell von ARD und ZDF mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) und Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, am Studio Berlin-Adlershof.
    Journalisten beobachten das TV-Duell von ARD und ZDF mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) und Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, am Studio Berlin-Adlershof. (Kay Nietfeld / dpa )
    Der Start der Debatte war von den Abstimmungen im Bundestag zum Thema Migration geprägt. Die Union hatte erstmals einen Antrag mit Stimmen der AfD durchgesetzt und damit bei den Regierungsparteien SPD und Grüne für Empörung gesorgt. Scholz warf Merz in dem Duell erneut Wort- und Tabubruch vor. Er mache sich ernste Sorgen, dass es nach der Wahl eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD geben könne.
    Merz versicherte, er werde nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Es gebe mit der Partei keine Gemeinsamkeiten. Die gemeinsame Abstimmung in der vergangenen Woche sei keine Zusammenarbeit mit der AfD gewesen. Für die Abstimmung habe es im Übrigen sehr viel Zuspruch aus der Bevölkerung gegeben, sagte Merz. Dass der Publizist Michel Friedman deswegen aus der CDU ausgetreten sei, sei bedauerlich. Es habe aber parallel dazu auch "hunderte neue Eintritte" in die CDU gegeben.

    Unterschiedliche "Realitäten"

    In der Migrationspolitik warfen sich beide Kontrahenten vor, die Realität falsch wahrzunehmen. Scholz pochte darauf, dass seine Regierung so weitreichende Maßnahmen zur Begrenzungen der irregulären Migration erreicht habe wie keine Unions-geführte Regierung zuvor. Merz widersprach dem Kanzler. Auf Druck der Grünen habe die Bundesregierung die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern zusätzlich erschwert, sagte er. Zudem sei die Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen, anders als von Scholz behauptet, laut Grundgesetz möglich.
    Scholz konterte, die Union gefährde die erreichten Kompromisse in der europäischen Asylpolitik. "Warum soll man so doof sein?", fragte er. Die Union wolle genau in dem Augenblick, in dem Deutschland endlich nach vielen Jahren die europäische Asylreform durchgesetzt habe, einen nationalen Alleingang wagen, der vor dem Europäischen Gerichtshof und vor jedem Verwaltungsgericht keinen Bestand habe.

    Kann man von Deindustrialisierung sprechen?

    Auch in der Wirtschaftspolitik lagen die Einschätzungen der beiden Politiker deutlich auseinander. Scholz erklärte, es gebe in der Wirtschaft eine schlechte Stimmung, aber man könne nicht von Deindustrialisierung sprechen. Merz erwiderte, Deutschland befinde sich im dritten Jahr in der Rezession, es gebe drei Millionen Arbeitslose und eine Insolvenzwelle wie nie: "Das ist Deindustrialisierung."
    Scholz verwies zudem auf die Folgen des Ukraine-Kriegs und die daraus resultierende Energiekrise, die von seiner Regierung gemeistert werden musste. Merz warf dem Kanzler vor, inmitten dieser Energiekrise auf Drängen der Grünen drei funktionierende Kernkraftwerke stillgelegt zu haben.
    Unterschiede wurden auch in der Steuerpolitik deutlich. Scholz warf Merz vor, vor allem Besserverdienende entlasten zu wollen. Er plädierte für eine Reform der Schuldenbremse, weil anders die hohen Ausgaben für Investitionen und Verteidigung in den kommenden Jahren nicht zu leisten seien. Merz kritisierte, dass die SPD den klassischen Weg über höhere Schulden und Steuern gehen wolle, um Aufgaben zu bewältigen.

    Bürgergeld und FDP

    Mit Blick auf das Bürgergeld sagte CDU-Chef Merz, er wolle die Zahl der Leistungsempfänger um 400.000 reduzieren. Damit könne man sechs Milliarden Euro im Haushalt einsparen. Kanzler Scholz betonte, auch er befürworte harte Sanktionen für diejenigen, die nicht arbeiten wollten.
    Bei der Bewertung, was ein Bundestag ohne FDP wäre, waren sich Scholz und Merz einig: "Ärmer, aber durchaus lebensfähig", sagte Merz. Scholz meinte, er könne es nicht besser formulieren. Die FDP liegt in den Meinungsumfragen zur Bundestagswahl aktuell bei rund vier Prozent.

    Gemeinsame Kritik an Trump

    Übereinstimmungen zwischen beiden Spitzenkandidaten zeigten sich in Teilen der Außenpolitik: Beide plädierten für eine entschlossene europäische Antwort, sollte US-Präsident Trump die EU mit Strafzöllen überziehen.
    Scholz kritisierte den Plan von US-Präsident Trump, aus dem Gazastreifen eine Art Riviera zu machen. Diese Äußerung sei "ein Skandal", sagte Scholz, das sei "ein ganz furchtbarer Begriff". Die Umsiedelung von Menschen sei nicht akzeptabel und verstoße gegen das Völkerrecht. Auch Merz sagt, die Äußerungen Trumps seien durchaus irritierend. Es bleibe aber abzuwarten, was davon ernst gemeint sei und letztlich umgesetzt werden solle.

    Unterschiede in der Ukraine-Politik

    Scholz und Merz bekannten sich auch zu einer anhaltenden Unterstützung für die Ukraine und betonten, dass eine NATO-Mitgliedschaft des Landes derzeit nicht auf der Agenda stehe. In der "Taurus"-Debatte zeigten sich jedoch die bekannten Unterschiede: Merz verwies auf die Waffenlieferungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Deutschland hätte den weitreichenden "Taurus"-Marschflugkörper auch liefern sollen, sagte er.
    Scholz blieb bei seiner Position, dass die Lieferung von Waffen mit großer Zerstörungskraft weit im russischen Hinterland genau der Schritt sei, den man hierzulande nicht gehen solle.

    Weitere TV-Debatten geplant

    Die Grünen und die AfD hatten im Vorfeld bemängelt, dass ihre Spitzenkandidaten nicht eingeladen wurden. Die Sender RTL und ntv änderten inzwischen ihr Programm und luden zum "Quadrell" am 16. Februar. Dann werden sich Scholz und Merz eine Debatte mit den KanzlerkandidatInnen der Grünen und der AfD, Habeck und Weidel, liefern.
    Diese Nachricht wurde am 10.02.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.