Nach Messerangriff
Scholz und Wüst in Solingen - Anschlag befeuert Asyl- und Sicherheitsdebatte

Nach dem tödlichen Messerangriff von Freitag hat Bundeskanzler Scholz in Solingen der Opfer gedacht. Er bezeichnete den Anschlag als "Terrorismus gegen uns alle" und kündigte Konsequenzen an, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst (CDU) versprach Aufklärung. Derweil werden Forderungen nach härteren Abschieberegeln und einem strengeren Waffenrecht lauter.

    Solingen: Herbert Reul (CDU, l-r), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Tim Kurzbach (SPD), Bürgermeister von Solingen, und Mona Neubaur (Grüne), stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, legen Blumen an einer Kirche in der Nähe des Tatorts ab.
    Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest - Bundeskanzler Scholz legt Blumen am Tatort ab. (Thomas Banneyer / dpa / Thomas Banneyer)
    Scholz wurde in Solingen von Wüst und Solingens Oberbürgermeister Kurzbach (SPD) am Rathaus begrüßt. Gemeinsam mit ihnen legte er in der Solinger Innenstadt weiße Rosen nieder. Scholz sagte im Anschluss, er sei wütend auf diese Tat; sie müsse schnell und hart bestraft werden. Er kündigte an, alles dafür zu tun, dass Menschen, die nicht in Deutschland bleiben dürften, schneller abgeschoben würden. Auch die Zahl der Menschen, die irregulär nach Deutschland kämen, müsse gesenkt werden. Zudem erklärte Scholz, das Waffenrecht müsse insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Messern verschärft werden. Er sei überzeugt, dass eine entsprechende Gesetzesänderung schnell verabschiedet werde. 

    Wüst fordert Erleichterung von Abschiebungen

    Wüst kündigte umfassene Aufklärung an. Mit Blick auf die nicht erfolgte Abschiebung des Verdächtigen sei im konkreten Fall zu schauen, ob alles richtig gelaufen sei, sagte er in Solingen. Der CDU-Politiker rückte dabei auch die Arbeitsbedingungen der für Asylverfahren und Abschiebungen zuständigen Behörden in den Blick, denen die Arbeit schwer gemacht werde. Wüst verwies auf bürokratische Hemmnisse oder rechtliche Schlupflöcher.
    Beim "Fest der Vielfalt" zum 650. Solinger Stadtjubiläum waren am Freitagabend drei Menschen getötet und acht verletzt worden, vier davon schwer. Die Terrormiliz IS reklamierte den Anschlag für sich. Tatverdächtig ist ein 26-jähriger abgelehnter Asylbewerber aus Syrien. Er hatte sich am Wochenende der Polizei gestellt und befindet sich in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terroristischen Vereinigung im Ausland. Der tatverdächtige Syrer sollte im vergangenen Jahr abgeschoben werden. Er war 2022 über Bulgarien nach Deutschland eingereist. Die Abschiebung nach Bulgarien sei gescheitert, weil der Mann untergetaucht sei, hieß es.

    SPD-Politiker Hartmann betont Zuständigkeit der Länder, Reul weist Verantwortung zurück

    Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Hartmann, sieht bei Abschiebungen die Bundesländer stärker in der Pflicht. Er sagte im Deutschlandfunk, man müsse die Frage stellen, warum der mutmaßliche Täter nicht wie geplant abgeschoben worden sei. Für den Vollzug des Aufenthaltsrechts seien die Länder zuständig. Es sei unverständlich, warum die Behörden die Ausreisepflicht in diesem konkreten Fall nicht durchgesetzt hätten; die bestehenden Gesetze dafür seien ausreichend.
    NRW-Innenminister Reul, CDU, meinte, man müsse sich das Abschiebeverfahren generell anschauen. Es sei einfach zu kompliziert, sagte er ebenfalls im Deutschlandfunk. Eine persönliche Verantwortung wies Reul zurück; in Nordrhein-Westfalen sei das Grünen-geführte Familienministerium für Flüchtlinge zuständig. Das ganze Interview mit dem CDU-Politiker können Sie hier nachlesen.

    Scholz und Merz wollen gemeinsam über Konsequenzen sprechen

    Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Frei, sagte dem Sender Phoenix, dass Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz in dieser Woche gemeinsam über Konsequenzen aus dem Anschlag beraten wollten. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Throm, bekräftigte die Forderung nach einem Aufnahmestopp für Menschen aus Afghanistan und Syrien. Der CDU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, die Sicherheitslage in diesen Ländern müsse neu bewertet werden. So gebe es in Afghanistan gar keine Kämpfe mehr, in Syrien nur noch in einzelnen Regionen.
    CDU-Chef Merz hatte gestern in seinem E-Mail-Newsletter "MerzMail" einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan verlangt. Darin schrieb er wörtlich: "Nach dem Terrorakt von Solingen dürfte nun endgültig klar sein: Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen. In der Mehrzahl der Fälle sind dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stehen islamistische Motive dahinter." Im ARD-Brennpunkt betonte Merz: "Wenn Solingen jetzt für die Koalition nicht der Wendepunkt ist, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, damit hier einige Leute endlich mal zur Besinnung kommen."

    Kühnert: Aufnahmestopp mit Grundgesetz nicht vereinbar

    SPD-Generalsekretär Kühnert wies die Forderungen nach einem generellen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan zurück. Kühnert sagte im ARD-Fernsehen, dies sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Man müsse sich jetzt anschauen, warum die Rückführung des mutmaßlichen Täters von Solingen nicht geklappt habe. Bulgarien sei offenbar bereit gewesen, ihn zurückzunehmen. Daher müsse das Land Nordrhein-Westfalen jetzt die Fakten auf den Tisch legen.
    Ähnlich äußerte sich der Grünen-Vorsitzende Nouripour: Er sagte, das Asylrecht sei ein hochindividuelles Grundrecht, das sich nach der Schutzbedürftigkeit und nicht nach der Herkunft eines Menschen bemesse. Zugleich sprach auch er sich für eine schnelle Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber ausgesprochen. Nouripour betonte, Mörder und Terroristen seien in diesem Land nicht willkommen. Insbesondere für islamistisches Gedankengut gebe es in Deutschland keinen Platz. Der Islamismus sei ein Feind, der entschieden bekämpft werden müsse.
    Bundeskanzler Scholz hatte bereits im Juni nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. 

    Buschmann kündigt Verhandlungen über Waffenrecht für Messer an

    Bundesjustizminister Buschmann kündigte Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. "Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen", sagte der FDP-Politiker der "Bild"-Zeitung. Bisher hatte die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Faeser (SPD) zu schärferen Regeln und Verboten abgelehnt.
    Die Sprecherin der Grünen für Innen- und Religionspolitik im Bundestag, Lamya Kaddor, hat Bevölkerung aufgerufen, wachsam zu sein. Sie sagte im Deutschlandfunk, plötzliche Wesensveränderungen seien ein Indiz für eine Radikalisierung. Sie riet dazu, sich dann an die Polizei zu wenden oder an spezielle Projekte, die sich um solche Fälle kümmern.
    Diese Nachricht wurde am 26.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.