Scholz sagte, er habe damals von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, nachdem in der Regierung keine Einigung zustande gekommen sei. Grund seien divergierende Ansichten zwischen Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner gewesen. In Gesprächen unter anderem mit Kraftwerksbetreibern sei er zu der Einsicht gelangt, dass ein um dreieinhalb Monate längerer Betrieb sinnvoll sei, um die Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten.
Der Bundeskanzler betonte, er halte den 2011 beschlossenen Atomausstieg nach wie vor für richtig. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 sei aber intensiv geprüft worden, ob die letzten drei AKW länger betrieben werden können. Damals sei jedoch klar geworden, dass der Kauf neuer Brennelemente eine mehrjährige Laufzeitverlängerung bedeutet hätte. Das sei für ihn keine Option gewesen, sagte Scholz. Nach dem Angriff auf die Ukraine waren die Gaslieferungen aus Russland ausgeblieben, die Energiepreise stiegen rasant.
Vor Scholz wurde Habeck befragt
Während der Ampel-Partner FDP längere Laufzeiten bis mindestens 2024 forderte, hatte Wirtschaftsminister Habeck am Ende lediglich eine Einsatzreserve ins Auge gefasst. Habeck war gestern vom Untersuchungsausschuss neun Stunden lang befragt worden. Er versicherte, dass es eine ergebnisoffene Prüfung ohne ideologisch getriebene Vorfestlegung gegeben habe. Habeck verwies darauf, dass seine Position sich auch auf Angaben der AKW-Betreiber und der Stromnetzbetreiber gestützt habe. Gas-Einsparungen seien nur im Promille-Bereich mit längeren AKW-Laufzeiten möglich gewesen. Anfangs hätten die Betreiber auch längere Laufzeiten für praktisch nicht umsetzbar bezeichnet. Der Wirtschaftsminister gab an, nicht sicher zu wissen, ob ihn Kanzler Scholz über seine Entscheidung, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, informiert habe.
Unterschiedliche Bewertung der Zeugenaussagen
Der FDP-Politiker Schäffler bezeichnete das als "unglaubwürdig". Ähnlich kritisch äußerte sich der CSU-Politiker Lenz. Er hielt auch nach der Befragung an dem Vorwurf der Union fest, dass es anstelle einer ergebnisoffenen Prüfung ein "großangelegtes Täuschungsmanöver" gegeben habe. Der Grünen-Obmann im Ausschuss, von Notz, sagte dagegen im Deutschlandfunk, die Befragung von Zeugen und Gutachtern habe gezeigt, dass die Bundesregierung die Diskussion für den Weiterbetrieb der AKW ergebnisoffen geführt habe. Der Ausschussvorsitzende Heck von der CDU kritisierte, alle, die an entscheidender Stelle tätig waren, seien einen klaren Antiatomkurs gefahren.
Der Untersuchungsausschuss war auf Betreiben der Union eingesetzt worden. In den vergangenen Monaten wurden 40 Zeugen befragt. Dass dies trotz verkürzter Legislaturperiode möglich gewesen sei, sei eine "beachtliche Leistung", betonte Heck. Der Abschlussbericht, der Stellungnahmen aus allen Fraktionen enthalten soll, soll noch im Februar vor der Bundestagswahl der Bundestagspräsidentin vorgelegt werden.
Diese Nachricht wurde am 17.01.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.