Es ist wie in jedem Jahr, Anfang Januar. Es ist Klausurzeit in Wildbad Kreuth. Fotografen, Kameraleute und Reporter balgen sich um die besten Plätze. Die CSU-Granden stapfen durch den Schnee auf das ehemalige Kurhaus zu. Die idyllisch verschneite oberbayerische Berglandschaft ist die perfekte Kulisse für schöne Bilder. Der Tagungsort war einst ein Sanatorium für Schwindsüchtige. Zaren, Kaiser und Könige suchten im Tegernseer Tal Genesung. Eine Steilvorlage für eine Journalistenfrage - denn es schwindet, kränkelt auch die CSU.
""Wie wollen Sie Ihrer CSU jetzt Selbstbewusstsein einimpfen, die verunsichert ist bis ins Mark und wieder rumkrakelt?"
"Ich muss hier keine Impfaktionen durchführen. Die CSU ist selbstbewusst und dynamisch. Jedenfalls allen, denen ich begegne. Und so werden wir diese Woche Kreuth und nächste Woche Kreuth gestalten."
Horst Seehofer trägt passend zur Kulisse Trachtenjanker. Der Parteivorsitzende präsentiert sich gut gelaunt und charmant wie immer. Vor allem demonstriert er Selbstbewusstsein. Von Verunsicherung keine Spur. Jedenfalls zeigt er sie nicht.
Es ist Seehofers zweites Kreuth, seit er nach dem Desaster bei der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2008 die Ämter an der Spitze von Partei und Freistaat übernommen hat. Als Hoffnungsträger ließ er sich damals von einer stark angeschlagenen CSU feiern. Mit Seehofer sollte es wieder aufwärts gehen. Doch die einst so übermächtige bayerische Partei schlittert immer tiefer in die Krise:
"Ich denke, dass sie sich alle davon überzeugen konnten, dass der Geist von Kreuth lebt. Munter und vergnügt wie eh und je. Und ich glaube, dass auch der letzte von ihnen überzeugt werden konnte, dass von Krisenstimmung hier keine Spur ist."
Hans Peter Friedrich ist neu im Amt. Es ist sein erstes Kreuth als Chef der Landesgruppe im Bundestag. Da ist die Verlockung wohl groß, die Krise seiner Partei einfach auszublenden. Katerstimmung - Fehlanzeige. In Friedrichs Wahrnehmung gibt es keine Krise, weil es keine Krise geben darf.
Doch die Fakten sind andere: Minus 17 Prozentpunkte bei der bayerischen Landtagswahl 2008. Fast Minus sieben Prozentpunkte bei der Bundestagswahl 2009. Das Spitzenpersonal ist angezählt. Das Milliarden-Desaster bei der bayerischen Landesbank erzürnt die Bürger. Der Fehlkauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria reißt Gräben quer durch die Partei.
Vom Stimmungshoch für Shooting-Star Karl-Theodor zu Guttenberg schwappt nichts auf die CSU über. In der Berliner Wunschkoalition herrscht sowieso Rosenkrieg. Schwarz-Gelb ist bereits angekratzt. Laut jüngstem Deutschlandtrend sind nur 28 Prozent der Bürger mit der Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP zufrieden. Das Standing des kleinsten Koalitionspartners lässt zu wünschen übrig: Positiv wird die CSU kaum mehr wahrgenommen. Ihr Bundesverteidigungsminister hat wegen der Kundus-Affäre mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu kämpfen. Und ihr Vorsitzender findet sich nicht mal mehr unter den Top-Ten der zehn bedeutendsten deutschen Politiker wieder:
"Wir werden als CSU den Kurs mitbestimmen, wesentlich mitbestimmen in der Neuen Regierung und wir stehen für ein Jahrzehnt der Erneuerung in Deutschland."
Seehofer spricht den Seinen Mut zu. Er fordert ein Ende der Selbstkasteiung. Die CSU rede sich nur selber schlecht. Damit soll endlich Schluss sein. Er richtet den Blick eisern nach vorne. Eine Dekade, ein Jahrzehnt der Erneuerung ruft der Parteichef aus. Inhalte jedoch bleibt er schuldig. Leere Worte? Ein Marketing-Gag? Es ist kein geringerer als der Hoffnungsträger zu Guttenberg, der den Aufruf seines Vorsitzenden als solchen entlarvte.
"Dekade der Erneuerung - was verstehen sie darunter?"
"Das höre ich jetzt zum ersten Mal von Ihnen."
"Wer hat den - einer einzeln bitte - wer hat das gesagt?"
"Horst Seehofer hat diesen Begriff geprägt: Es beginne die Dekade der Erneuerung."
"Das ist doch schön, dann erneuern wir doch mal."
Guttenbergs Lachen spricht Bände. Nicht mal er scheint an Seehofers Gerede von Erneuerung zu glauben. Dessen Ruf als Retter der CSU ist verpufft. Seit der verpatzten Bundestagswahl ist Seehofer als Heilsbringer entzaubert. Das Wirtschaftsimage seiner CSU wurde von der Krise bei der BayernLB zertrümmert. Ihre Glaubwürdigkeit von der Wackelpolitik des Parteichefs. Immer mehr Bürger haben das Vertrauen in die Regierungskunst seiner CSU verloren:
"Der Seehofer ist ein Populist, der irgendwie nur an sich denkt und nicht ans Volk denkt."
"Ich mag ihn. Aber geradlinig ist er nicht. Aber er hat eine sympathische Ausstrahlung."
"Ich bin zwar ein alter CSU-ler. Aber die Herrschaft ist vorbei. Die Alleinherrschaft."
"Die Leute wählen vor lauter Verzweiflung die FDP, weil sie nichts anderes mehr finden."
"Im Endeffekt finde ich, dass die CSU den Wähler eigentlich in großen Sachen betrogen hat. Und ich bin eigentlich dadurch enorm enttäuscht."
Wie schnell sich Seehofer drehen und wenden kann, beweist er aktuell im Steuerstreit. Bisher kämpfte er Seite an Seite mit der FDP für weitere Steuersenkungen. Doch jetzt, da er merkt, dass die Bürger keine Geschenke auf Pump haben wollen, schwenkt er auf die Linie der Unionsschwester CDU um. In Kreuth erklärt Seehofer, weitere Steuererleichterungen könne es nur nach einer positiven Mai-Steuerschätzung geben.
Unglaubwürdig, weil wankelmütig - das Urteil der Münchner Abendzeitung klingt hart. Redakteurin Angela Böhm hat den Stab über Horst Seehofer längst gebrochen:
"Mein Stimmungsbarometer ist ein Kaffeekränzchen von älteren Damen, die ihr Leben lang CSU gewählt haben. Und die sagen, sie wollen Herrn Seehofer nicht mehr als CSU-Chef und auch nicht als Ministerpräsident."
Das Kaffeekränzchen senkte bereits bei Stoiber und Beckstein die Daumen. Doch allein trägt Horst Seehofer nicht die Schuld am Niedergang seiner CSU. Er muss auch ausbaden, was ihm vor allem sein Vor-Vorgänger Edmund Stoiber eingebrockt hat. Der wollte immer der Primus aller Ministerpräsidenten sein.
Wirtschaftskraft,Arbeitsplätze, Staatsfinanzen, Innere Sicherheit - unter ihm stand der Freistaat in allen Statistiken an der Spitze. Als der ehrgeizige Stoiber im Jahr 2005 als Bundeswirtschaftsminister aber kniff, war er vielen seiner Landsleute nur noch peinlich.
Stoiber regierte den Freistaat mit harter Hand. Nur er und die Seinen glaubten zu wissen, was für die Bayern das Beste ist. Bis die den Hochmut, die Überheblichkeit und Arroganz der CSU endgültig satt hatten. Und den Christsozialen als Korrektiv im Land den Koalitionspartner FDP zur Seite stellten. Der Gleichklang CSU gleich Bayern, Bayern gleich CSU war gestern. Für die erfolgsverwöhnte Regierungspartei ein Schock, von dem sie sich bis heute nicht wirklich erholt hat. Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuther bezeichnet die CSU unter Horst Seehofer als orientierungslos. Er vermisst ein klares Profil, eine verlässliche Linie:
"Man muss mal wieder wissen, verlässlich, wohin soll es denn gehen. Und nicht dieses Themen-Hopping. Heute dorthin ein Subventiönchen, übermorgen dorthin eine Reparatur - sondern eine Linie: Wohin will der Freistaat, was ist seine Position. Und da ist jetzt eine deutliche Führungsleistung auch von Horst Seehofer zu erwarten."
Zehn Milliarden Euro musste der Freistaat vor gut einem Jahr in seine BayernLB pumpen, um das Institut vor der Pleite zu retten. 3,75 Milliarden Euro hat die Landesbank bei der Hypo Group Alpe Adria in den Sand gesetzt. Weil die Klagenfurter Tochter wegen dubioser Geschäfte auf dem Balkan weiter nur Milliardenverluste zu produzieren drohte, hat die Staatsregierung die Bank kurz vor Weihnachten für den symbolischen Betrag von einem Euro einfach an Österreich abgestoßen.
Die Quittung dafür droht Mitte der Woche. Wenn in Wildbad Kreuth nach der Landesgruppe die CSU-Landtagsabgeordneten in Klausur gehen, wird eine neue Umfrage in die Schneelandschaft platzen. Es ist die erste zur politischen Stimmung im Freistaat nach der Bundestagswahl. Die Zahlen, die der Bayerische Rundfunk am Mittwoch veröffentlichen wird, werden klar machen, wo die Partei in der Wählergunst aktuell steht. Der Abgeordnete Karl Freller macht sich keine Illusionen. Seine CSU wird unter die 40-Prozent-Marke rutschen:
"Es hieße, die Wahrheit zu verdrängen, wenn ich sagen würde, dass uns die Umfrage beruhigt, die kommen wird. Sie beunruhigt uns wahrscheinlich, weil sie eine Zahl erreicht, die noch vor einigen Jahren für die CSU im Negativen unvorstellbar gewesen wäre. Das muss man ganz offen bekennen. Es sind Fehler gemacht worden in den letzten Jahren, wir haben Vertrauen verloren. Vielleicht sind es 39 oder 38, vielleicht 41 oder 42 - das eine ist schlimm genug wie das andere. Es ist als solches schlimm. Für mich, der die CSU kennt mit über 60 Prozent ist 39 so schlimm wie 41."
Den Absturz auf ein Ergebnis von 30 plus X - CDU und SPD haben es längst hinter sich. Nun droht auch die Volkspartei CSU im Eiltempo auf deutsches Mittelmaß zu schrumpfen. Übervater Franz Josef Strauß würde in seiner Grabstätte rotieren, sagt Peter Gauweiler. Der Strauß-Schüler warnt die Seinen vor einer Verzwergung.
Kreuth II ist berüchtigt, an der CSU-Spitze gefürchtet. Seit vor drei Jahren auf der Winterklausur der Landtagsfraktion Günther Beckstein und Erwin Huber bei Nacht und Nebel gegen Stoiber geputscht hatten. Horst Seehofer droht ein ähnliches Schicksal nicht. Es fehlt die personelle Alternative. Keiner wagt sich an ihn ran. Noch nicht, behauptet Angela Böhm, die bereits 1993 über Streibls Rücktritt berichtet hatte:
"Es ist pure Ratlosigkeit und auch Machtlosigkeit, denn eigentlich müsste sich die CSU total erneuern und einen Generationswechsel darstellen. Mit Seehofer kommt sie nicht weiter. Sie traut sich aber nicht an Seehofer ran, weil sie Angst davor hat, schon wieder einen CSU-Chef zu schassen. In drei Jahren drei Chefs, das geht der CSU über die Hutschnur - so was kann sie nicht machen. Das ist das einzige Argument, warum sie noch Seehofer hält. Im nächsten Jahr wird es anders ausschauen."
Die Abendzeitungs-Redakteurin ist nicht die einzige, die das Szenario zu kennen glaubt: 2011 werde Karl-Theodor zu Guttenberg den Parteivorsitz übernehmen. Am Posten des Ministerpräsidenten habe er kein Interesse. Laut Landesverfassung ist der heute 37-Jährige sowieso zu jung, außerdem werden dem Baron höhere Ambitionen in der Bundespolitik nachgesagt. Als bayerischer Regierungschef stünde der heutige Umweltminister Markus Söder bereit.
Noch weisen beide Kronprinzen diese Spekulationen kopfschüttelnd zurück. Doch Beobachter sind sich einig: Sobald sie eine Allianz gegen Seehofer schmieden, werden sie das Ruder in der Partei und im Freistaat übernehmen.
Wildbad Kreuth, am späten Nachmittag. Es dämmert bereits. Die Temperatur ist auf Minus zehn Grad abgesackt. Die Journalisten sind in warmen Daunenjacken verpackt. Auch in der warmen Stube drinnen läuft es den Christsozialen eiskalt über den Rücken. Denn hinter verschlossenen Türen hat der Parteichef wenig Gutes zu berichten: Das Umfrage-Desaster wird kommen.
Die CSU, so zitiert Seehofer aus einer internen Studie, habe zwei Jahre nicht wahrnehmen wollen, dass die Landesbank dem bayerischen Bürger heftige Bauchschmerzen bereitet. Bereits im Herbst hat er die Stimmung im Freistaat von Meinungsforschern testen lassen: 91 Prozent der befragten Bürger halten negative Auswirkungen auf die Politik in Bayern für wahrscheinlich. 82 Prozent geben an, sie hätten wegen der Bankenaffäre nun eine schlechtere Meinung von der Staatsregierung als vorher:
"Wir werden das Thema aufarbeiten und lösen. Und zwar in aller Gelassenheit, aber mit großem Nachdruck. Alles andere wäre nicht in Ordnung. Es gibt die alte goldene Regel der Bibel: Man sollte anderen nichts zumuten, was selbst nicht zugemutet haben möchte."
Seehofer will aufklären. Er muss gleichzeitig aber vermeiden, den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an den Pranger zu stellen. Lange hat Stoiber zur Bankenaffäre geschwiegen; in Kreuth eilte er sofort nach seiner Ankunft vor die Mikrofone:
"Ich habe ja öffentlich erklärt, wie sehr ich die Entwicklung der Landesbank bedauere, wie schmerzhaft sie auch für mich ist. Der Landtag richtet dazu einen Untersuchungsausschuss ein. Und dort werden alle Fragen geklärt werden, die aufgeworfen sind. Ich begrüße das außerordentlich. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, werde ich das natürlich tun."
"Herr Stoiber, haben Sie Fehler gemacht?"
Eine Antwort bleibt Stoiber schuldig. Seine Großmannssucht aber hat den Freistaat Milliarden gekostet. Von der gleichen Anwaltskanzlei, die bereits für Siemens Regressforderungen gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer checkte, lässt Seehofer prüfen, ob er die ehemaligen Verwaltungsräte auf Schadenersatzzahlungen verklagen kann.
Die Alt-Vorderen im Parteivorstand tobten. Seehofer darf nicht andere opfern, um sich angesichts schlechter Umfragewerte selbst aus der Schusslinie zu bringen. Er soll die Stoibersche Demontage gefälligst lassen, poltert der Ehrenvorsitzende Theo Waigel. Wenn Seehofer den Ex-Ministerpräsidenten vom Sockel stürzt, würde es die Partei zerreisen.
Das Thema Landesbank und die Folgen liegt wie ein Schatten über dem Kreuther Talkessel. Es schreit nach personellen Konsequenzen. Doch Stoiber, Beckstein und Huber sind ihre politischen Ämter bereits los. Bleibt als mögliches Bauernopfer nur Georg Schmid. Der heutige Chef der Landtagsfraktion saß ebenfalls im Verwaltungsrat. Tagelang muss er um seinen Posten zittern:
"Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein, sage ich immer. Wir müssen zusammenhalten, zusammenstehen, da darf kein Trennstrich dazwischen stehen. Es geht nicht um Bauernopfer, es geht nicht um Personaldiskussionen, sondern darum, dass wir geschlossen auftreten und Sachpolitik für die Menschen im Land machen. Das erwarten die Menschen auch zu Recht von uns."
Putschgerüchte gegen Schmid machen die Runde. Was besonders auffällt, sie bleiben tagelang von Seehofer undementiert. Das ist typisch für den als herrisch geltenden Parteichef. Er lässt Dinge gerne laufen und wartet einfach ab, wie sich eine Diskussion entwickelt. Seehofer winkt ab:
"Die können Sie alles vergessen. Weil ich ihnen das mitteile und das ist die Wahrheit."
Dass sich Ministerpräsident und Fraktionschef nicht mögen, ist ein offenes Geheimnis. Wie die Tatsache, dass Schmid neben Seehofer blass wirkt und die Fraktion nicht engagiert verkaufen kann. Es heißt, Markus Söder wolle den Fraktionsvorsitz übernehmen:
"Ich führe nie Personaldebatten. Eine Fußballmannschaft kann in der Kabine, in der Halbzeit über Taktik diskutieren. Wenn sie spielt muss sie aber geschlossen sein."
Der Putsch ist abgeblasen. Söder hätte, so heißt es, in der Fraktion zwar eine knappe Mehrheit. Doch noch lange nicht alle haben sein rotziges Auftreten als Stoibers Generalsekretär vergessen. Der 43-Jährige muss an seinem Image noch feilen.
Vier Tage lang werden die 92 Landtagsabgeordneten in Wildbad Kreuth auf engstem Raum beisammen sitzen. Sie kommen direkt aus dem Weihnachtsurlaub. Sie hatten viel Zeit, sich zuhause die Kritik ihrer Basis und ihrer Wähler anzuhören.
Das Papier der Fraktion trägt den Titel "Gemeinsam Bayern bewegen". Der Ministerpräsident legt ein eigenes Konzept unter dem Motto "Aufbruch Bayern" vor. Typisch Seehofer. Von seinem selbstherrlichen Führungsstil kann der 60-Jährige nicht lassen.
Auf die Krise seiner Partei will der CSU-Chef mit einer Kursänderung reagieren. "Die CSU steht im Moment an einer Wegscheide", lässt sich Seehofer im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitieren. Und weiter, "wir müssen der ganzen Vielschichtigkeit der Gesellschaft entsprechen". Im Klartext: Die bayerische Bevölkerung hat sich gewandelt; die CSU aber nicht.
Althergebracht oder modern - so simpel stellt sich für Umweltminister Markus Söder die Frage. Es geht um eine inhaltliche Diskussion. Um den künftigen Kurs der CSU:
"Die Hauptherausforderung ist, dass sich Bayern verändert hat - aber wir uns noch nicht ausreichend mitentwickelt haben. Die Bayern sind heute freiheitlicher, ökologischer und unabhängiger geworden, das muss man ansehen."
Auch der Politikprofessor Heinrich Oberreuter predigt das schon ewig. Endlich reagiert die Partei auf den gesellschaftlichen Wandel in Bayern, sagt der CSU-Kenner. Und dann der Paukenschlag: Horst Seehofer traut er eine solche Zukunftskonzeption nicht zu:
"Wenn man Seehofers politischen Weg verfolgt, dann hat er sich nicht dadurch ausgezeichnet, dass er an solchen konzeptionellen Überlegungen im Wesentlichen beteiligt war. Ich will nicht behaupten, dass sein Vorgänger Beckstein auf diesem Feld sehr viel begabter gewesen wäre. Auch nicht. Und das gehört mit zum Desaster der CSU, dass diese Kompetenz nach Stoiber abgebrochen ist."
Selbst der Passauer Politikwissenschaftler ist ratlos. Er hat kein Rezept für den Weg aus der Krise. Er sagt, die Kronprinzen seien noch nicht so weit. Mit Horst Seehofer an der Spitze aber könnte der Freien Fall gerade so weiter gehen. Spätestens dann werden die Messer in der CSU wieder gewetzt.
""Wie wollen Sie Ihrer CSU jetzt Selbstbewusstsein einimpfen, die verunsichert ist bis ins Mark und wieder rumkrakelt?"
"Ich muss hier keine Impfaktionen durchführen. Die CSU ist selbstbewusst und dynamisch. Jedenfalls allen, denen ich begegne. Und so werden wir diese Woche Kreuth und nächste Woche Kreuth gestalten."
Horst Seehofer trägt passend zur Kulisse Trachtenjanker. Der Parteivorsitzende präsentiert sich gut gelaunt und charmant wie immer. Vor allem demonstriert er Selbstbewusstsein. Von Verunsicherung keine Spur. Jedenfalls zeigt er sie nicht.
Es ist Seehofers zweites Kreuth, seit er nach dem Desaster bei der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2008 die Ämter an der Spitze von Partei und Freistaat übernommen hat. Als Hoffnungsträger ließ er sich damals von einer stark angeschlagenen CSU feiern. Mit Seehofer sollte es wieder aufwärts gehen. Doch die einst so übermächtige bayerische Partei schlittert immer tiefer in die Krise:
"Ich denke, dass sie sich alle davon überzeugen konnten, dass der Geist von Kreuth lebt. Munter und vergnügt wie eh und je. Und ich glaube, dass auch der letzte von ihnen überzeugt werden konnte, dass von Krisenstimmung hier keine Spur ist."
Hans Peter Friedrich ist neu im Amt. Es ist sein erstes Kreuth als Chef der Landesgruppe im Bundestag. Da ist die Verlockung wohl groß, die Krise seiner Partei einfach auszublenden. Katerstimmung - Fehlanzeige. In Friedrichs Wahrnehmung gibt es keine Krise, weil es keine Krise geben darf.
Doch die Fakten sind andere: Minus 17 Prozentpunkte bei der bayerischen Landtagswahl 2008. Fast Minus sieben Prozentpunkte bei der Bundestagswahl 2009. Das Spitzenpersonal ist angezählt. Das Milliarden-Desaster bei der bayerischen Landesbank erzürnt die Bürger. Der Fehlkauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria reißt Gräben quer durch die Partei.
Vom Stimmungshoch für Shooting-Star Karl-Theodor zu Guttenberg schwappt nichts auf die CSU über. In der Berliner Wunschkoalition herrscht sowieso Rosenkrieg. Schwarz-Gelb ist bereits angekratzt. Laut jüngstem Deutschlandtrend sind nur 28 Prozent der Bürger mit der Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP zufrieden. Das Standing des kleinsten Koalitionspartners lässt zu wünschen übrig: Positiv wird die CSU kaum mehr wahrgenommen. Ihr Bundesverteidigungsminister hat wegen der Kundus-Affäre mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu kämpfen. Und ihr Vorsitzender findet sich nicht mal mehr unter den Top-Ten der zehn bedeutendsten deutschen Politiker wieder:
"Wir werden als CSU den Kurs mitbestimmen, wesentlich mitbestimmen in der Neuen Regierung und wir stehen für ein Jahrzehnt der Erneuerung in Deutschland."
Seehofer spricht den Seinen Mut zu. Er fordert ein Ende der Selbstkasteiung. Die CSU rede sich nur selber schlecht. Damit soll endlich Schluss sein. Er richtet den Blick eisern nach vorne. Eine Dekade, ein Jahrzehnt der Erneuerung ruft der Parteichef aus. Inhalte jedoch bleibt er schuldig. Leere Worte? Ein Marketing-Gag? Es ist kein geringerer als der Hoffnungsträger zu Guttenberg, der den Aufruf seines Vorsitzenden als solchen entlarvte.
"Dekade der Erneuerung - was verstehen sie darunter?"
"Das höre ich jetzt zum ersten Mal von Ihnen."
"Wer hat den - einer einzeln bitte - wer hat das gesagt?"
"Horst Seehofer hat diesen Begriff geprägt: Es beginne die Dekade der Erneuerung."
"Das ist doch schön, dann erneuern wir doch mal."
Guttenbergs Lachen spricht Bände. Nicht mal er scheint an Seehofers Gerede von Erneuerung zu glauben. Dessen Ruf als Retter der CSU ist verpufft. Seit der verpatzten Bundestagswahl ist Seehofer als Heilsbringer entzaubert. Das Wirtschaftsimage seiner CSU wurde von der Krise bei der BayernLB zertrümmert. Ihre Glaubwürdigkeit von der Wackelpolitik des Parteichefs. Immer mehr Bürger haben das Vertrauen in die Regierungskunst seiner CSU verloren:
"Der Seehofer ist ein Populist, der irgendwie nur an sich denkt und nicht ans Volk denkt."
"Ich mag ihn. Aber geradlinig ist er nicht. Aber er hat eine sympathische Ausstrahlung."
"Ich bin zwar ein alter CSU-ler. Aber die Herrschaft ist vorbei. Die Alleinherrschaft."
"Die Leute wählen vor lauter Verzweiflung die FDP, weil sie nichts anderes mehr finden."
"Im Endeffekt finde ich, dass die CSU den Wähler eigentlich in großen Sachen betrogen hat. Und ich bin eigentlich dadurch enorm enttäuscht."
Wie schnell sich Seehofer drehen und wenden kann, beweist er aktuell im Steuerstreit. Bisher kämpfte er Seite an Seite mit der FDP für weitere Steuersenkungen. Doch jetzt, da er merkt, dass die Bürger keine Geschenke auf Pump haben wollen, schwenkt er auf die Linie der Unionsschwester CDU um. In Kreuth erklärt Seehofer, weitere Steuererleichterungen könne es nur nach einer positiven Mai-Steuerschätzung geben.
Unglaubwürdig, weil wankelmütig - das Urteil der Münchner Abendzeitung klingt hart. Redakteurin Angela Böhm hat den Stab über Horst Seehofer längst gebrochen:
"Mein Stimmungsbarometer ist ein Kaffeekränzchen von älteren Damen, die ihr Leben lang CSU gewählt haben. Und die sagen, sie wollen Herrn Seehofer nicht mehr als CSU-Chef und auch nicht als Ministerpräsident."
Das Kaffeekränzchen senkte bereits bei Stoiber und Beckstein die Daumen. Doch allein trägt Horst Seehofer nicht die Schuld am Niedergang seiner CSU. Er muss auch ausbaden, was ihm vor allem sein Vor-Vorgänger Edmund Stoiber eingebrockt hat. Der wollte immer der Primus aller Ministerpräsidenten sein.
Wirtschaftskraft,Arbeitsplätze, Staatsfinanzen, Innere Sicherheit - unter ihm stand der Freistaat in allen Statistiken an der Spitze. Als der ehrgeizige Stoiber im Jahr 2005 als Bundeswirtschaftsminister aber kniff, war er vielen seiner Landsleute nur noch peinlich.
Stoiber regierte den Freistaat mit harter Hand. Nur er und die Seinen glaubten zu wissen, was für die Bayern das Beste ist. Bis die den Hochmut, die Überheblichkeit und Arroganz der CSU endgültig satt hatten. Und den Christsozialen als Korrektiv im Land den Koalitionspartner FDP zur Seite stellten. Der Gleichklang CSU gleich Bayern, Bayern gleich CSU war gestern. Für die erfolgsverwöhnte Regierungspartei ein Schock, von dem sie sich bis heute nicht wirklich erholt hat. Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuther bezeichnet die CSU unter Horst Seehofer als orientierungslos. Er vermisst ein klares Profil, eine verlässliche Linie:
"Man muss mal wieder wissen, verlässlich, wohin soll es denn gehen. Und nicht dieses Themen-Hopping. Heute dorthin ein Subventiönchen, übermorgen dorthin eine Reparatur - sondern eine Linie: Wohin will der Freistaat, was ist seine Position. Und da ist jetzt eine deutliche Führungsleistung auch von Horst Seehofer zu erwarten."
Zehn Milliarden Euro musste der Freistaat vor gut einem Jahr in seine BayernLB pumpen, um das Institut vor der Pleite zu retten. 3,75 Milliarden Euro hat die Landesbank bei der Hypo Group Alpe Adria in den Sand gesetzt. Weil die Klagenfurter Tochter wegen dubioser Geschäfte auf dem Balkan weiter nur Milliardenverluste zu produzieren drohte, hat die Staatsregierung die Bank kurz vor Weihnachten für den symbolischen Betrag von einem Euro einfach an Österreich abgestoßen.
Die Quittung dafür droht Mitte der Woche. Wenn in Wildbad Kreuth nach der Landesgruppe die CSU-Landtagsabgeordneten in Klausur gehen, wird eine neue Umfrage in die Schneelandschaft platzen. Es ist die erste zur politischen Stimmung im Freistaat nach der Bundestagswahl. Die Zahlen, die der Bayerische Rundfunk am Mittwoch veröffentlichen wird, werden klar machen, wo die Partei in der Wählergunst aktuell steht. Der Abgeordnete Karl Freller macht sich keine Illusionen. Seine CSU wird unter die 40-Prozent-Marke rutschen:
"Es hieße, die Wahrheit zu verdrängen, wenn ich sagen würde, dass uns die Umfrage beruhigt, die kommen wird. Sie beunruhigt uns wahrscheinlich, weil sie eine Zahl erreicht, die noch vor einigen Jahren für die CSU im Negativen unvorstellbar gewesen wäre. Das muss man ganz offen bekennen. Es sind Fehler gemacht worden in den letzten Jahren, wir haben Vertrauen verloren. Vielleicht sind es 39 oder 38, vielleicht 41 oder 42 - das eine ist schlimm genug wie das andere. Es ist als solches schlimm. Für mich, der die CSU kennt mit über 60 Prozent ist 39 so schlimm wie 41."
Den Absturz auf ein Ergebnis von 30 plus X - CDU und SPD haben es längst hinter sich. Nun droht auch die Volkspartei CSU im Eiltempo auf deutsches Mittelmaß zu schrumpfen. Übervater Franz Josef Strauß würde in seiner Grabstätte rotieren, sagt Peter Gauweiler. Der Strauß-Schüler warnt die Seinen vor einer Verzwergung.
Kreuth II ist berüchtigt, an der CSU-Spitze gefürchtet. Seit vor drei Jahren auf der Winterklausur der Landtagsfraktion Günther Beckstein und Erwin Huber bei Nacht und Nebel gegen Stoiber geputscht hatten. Horst Seehofer droht ein ähnliches Schicksal nicht. Es fehlt die personelle Alternative. Keiner wagt sich an ihn ran. Noch nicht, behauptet Angela Böhm, die bereits 1993 über Streibls Rücktritt berichtet hatte:
"Es ist pure Ratlosigkeit und auch Machtlosigkeit, denn eigentlich müsste sich die CSU total erneuern und einen Generationswechsel darstellen. Mit Seehofer kommt sie nicht weiter. Sie traut sich aber nicht an Seehofer ran, weil sie Angst davor hat, schon wieder einen CSU-Chef zu schassen. In drei Jahren drei Chefs, das geht der CSU über die Hutschnur - so was kann sie nicht machen. Das ist das einzige Argument, warum sie noch Seehofer hält. Im nächsten Jahr wird es anders ausschauen."
Die Abendzeitungs-Redakteurin ist nicht die einzige, die das Szenario zu kennen glaubt: 2011 werde Karl-Theodor zu Guttenberg den Parteivorsitz übernehmen. Am Posten des Ministerpräsidenten habe er kein Interesse. Laut Landesverfassung ist der heute 37-Jährige sowieso zu jung, außerdem werden dem Baron höhere Ambitionen in der Bundespolitik nachgesagt. Als bayerischer Regierungschef stünde der heutige Umweltminister Markus Söder bereit.
Noch weisen beide Kronprinzen diese Spekulationen kopfschüttelnd zurück. Doch Beobachter sind sich einig: Sobald sie eine Allianz gegen Seehofer schmieden, werden sie das Ruder in der Partei und im Freistaat übernehmen.
Wildbad Kreuth, am späten Nachmittag. Es dämmert bereits. Die Temperatur ist auf Minus zehn Grad abgesackt. Die Journalisten sind in warmen Daunenjacken verpackt. Auch in der warmen Stube drinnen läuft es den Christsozialen eiskalt über den Rücken. Denn hinter verschlossenen Türen hat der Parteichef wenig Gutes zu berichten: Das Umfrage-Desaster wird kommen.
Die CSU, so zitiert Seehofer aus einer internen Studie, habe zwei Jahre nicht wahrnehmen wollen, dass die Landesbank dem bayerischen Bürger heftige Bauchschmerzen bereitet. Bereits im Herbst hat er die Stimmung im Freistaat von Meinungsforschern testen lassen: 91 Prozent der befragten Bürger halten negative Auswirkungen auf die Politik in Bayern für wahrscheinlich. 82 Prozent geben an, sie hätten wegen der Bankenaffäre nun eine schlechtere Meinung von der Staatsregierung als vorher:
"Wir werden das Thema aufarbeiten und lösen. Und zwar in aller Gelassenheit, aber mit großem Nachdruck. Alles andere wäre nicht in Ordnung. Es gibt die alte goldene Regel der Bibel: Man sollte anderen nichts zumuten, was selbst nicht zugemutet haben möchte."
Seehofer will aufklären. Er muss gleichzeitig aber vermeiden, den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an den Pranger zu stellen. Lange hat Stoiber zur Bankenaffäre geschwiegen; in Kreuth eilte er sofort nach seiner Ankunft vor die Mikrofone:
"Ich habe ja öffentlich erklärt, wie sehr ich die Entwicklung der Landesbank bedauere, wie schmerzhaft sie auch für mich ist. Der Landtag richtet dazu einen Untersuchungsausschuss ein. Und dort werden alle Fragen geklärt werden, die aufgeworfen sind. Ich begrüße das außerordentlich. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, werde ich das natürlich tun."
"Herr Stoiber, haben Sie Fehler gemacht?"
Eine Antwort bleibt Stoiber schuldig. Seine Großmannssucht aber hat den Freistaat Milliarden gekostet. Von der gleichen Anwaltskanzlei, die bereits für Siemens Regressforderungen gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer checkte, lässt Seehofer prüfen, ob er die ehemaligen Verwaltungsräte auf Schadenersatzzahlungen verklagen kann.
Die Alt-Vorderen im Parteivorstand tobten. Seehofer darf nicht andere opfern, um sich angesichts schlechter Umfragewerte selbst aus der Schusslinie zu bringen. Er soll die Stoibersche Demontage gefälligst lassen, poltert der Ehrenvorsitzende Theo Waigel. Wenn Seehofer den Ex-Ministerpräsidenten vom Sockel stürzt, würde es die Partei zerreisen.
Das Thema Landesbank und die Folgen liegt wie ein Schatten über dem Kreuther Talkessel. Es schreit nach personellen Konsequenzen. Doch Stoiber, Beckstein und Huber sind ihre politischen Ämter bereits los. Bleibt als mögliches Bauernopfer nur Georg Schmid. Der heutige Chef der Landtagsfraktion saß ebenfalls im Verwaltungsrat. Tagelang muss er um seinen Posten zittern:
"Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein, sage ich immer. Wir müssen zusammenhalten, zusammenstehen, da darf kein Trennstrich dazwischen stehen. Es geht nicht um Bauernopfer, es geht nicht um Personaldiskussionen, sondern darum, dass wir geschlossen auftreten und Sachpolitik für die Menschen im Land machen. Das erwarten die Menschen auch zu Recht von uns."
Putschgerüchte gegen Schmid machen die Runde. Was besonders auffällt, sie bleiben tagelang von Seehofer undementiert. Das ist typisch für den als herrisch geltenden Parteichef. Er lässt Dinge gerne laufen und wartet einfach ab, wie sich eine Diskussion entwickelt. Seehofer winkt ab:
"Die können Sie alles vergessen. Weil ich ihnen das mitteile und das ist die Wahrheit."
Dass sich Ministerpräsident und Fraktionschef nicht mögen, ist ein offenes Geheimnis. Wie die Tatsache, dass Schmid neben Seehofer blass wirkt und die Fraktion nicht engagiert verkaufen kann. Es heißt, Markus Söder wolle den Fraktionsvorsitz übernehmen:
"Ich führe nie Personaldebatten. Eine Fußballmannschaft kann in der Kabine, in der Halbzeit über Taktik diskutieren. Wenn sie spielt muss sie aber geschlossen sein."
Der Putsch ist abgeblasen. Söder hätte, so heißt es, in der Fraktion zwar eine knappe Mehrheit. Doch noch lange nicht alle haben sein rotziges Auftreten als Stoibers Generalsekretär vergessen. Der 43-Jährige muss an seinem Image noch feilen.
Vier Tage lang werden die 92 Landtagsabgeordneten in Wildbad Kreuth auf engstem Raum beisammen sitzen. Sie kommen direkt aus dem Weihnachtsurlaub. Sie hatten viel Zeit, sich zuhause die Kritik ihrer Basis und ihrer Wähler anzuhören.
Das Papier der Fraktion trägt den Titel "Gemeinsam Bayern bewegen". Der Ministerpräsident legt ein eigenes Konzept unter dem Motto "Aufbruch Bayern" vor. Typisch Seehofer. Von seinem selbstherrlichen Führungsstil kann der 60-Jährige nicht lassen.
Auf die Krise seiner Partei will der CSU-Chef mit einer Kursänderung reagieren. "Die CSU steht im Moment an einer Wegscheide", lässt sich Seehofer im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitieren. Und weiter, "wir müssen der ganzen Vielschichtigkeit der Gesellschaft entsprechen". Im Klartext: Die bayerische Bevölkerung hat sich gewandelt; die CSU aber nicht.
Althergebracht oder modern - so simpel stellt sich für Umweltminister Markus Söder die Frage. Es geht um eine inhaltliche Diskussion. Um den künftigen Kurs der CSU:
"Die Hauptherausforderung ist, dass sich Bayern verändert hat - aber wir uns noch nicht ausreichend mitentwickelt haben. Die Bayern sind heute freiheitlicher, ökologischer und unabhängiger geworden, das muss man ansehen."
Auch der Politikprofessor Heinrich Oberreuter predigt das schon ewig. Endlich reagiert die Partei auf den gesellschaftlichen Wandel in Bayern, sagt der CSU-Kenner. Und dann der Paukenschlag: Horst Seehofer traut er eine solche Zukunftskonzeption nicht zu:
"Wenn man Seehofers politischen Weg verfolgt, dann hat er sich nicht dadurch ausgezeichnet, dass er an solchen konzeptionellen Überlegungen im Wesentlichen beteiligt war. Ich will nicht behaupten, dass sein Vorgänger Beckstein auf diesem Feld sehr viel begabter gewesen wäre. Auch nicht. Und das gehört mit zum Desaster der CSU, dass diese Kompetenz nach Stoiber abgebrochen ist."
Selbst der Passauer Politikwissenschaftler ist ratlos. Er hat kein Rezept für den Weg aus der Krise. Er sagt, die Kronprinzen seien noch nicht so weit. Mit Horst Seehofer an der Spitze aber könnte der Freien Fall gerade so weiter gehen. Spätestens dann werden die Messer in der CSU wieder gewetzt.