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Schools of Education
"Lehrerbildung galt lange Zeit als fünftes Rad am Wagen der Unis"

Sogenannte Schools of Education an Hochschulen sollen eine bessere Lehrerausbildung garantieren. Durch die Etablierung komme man weg von dem Image der Lehrerausbildung als fünftes Rad am Wagen, sagte Holger Burckhart, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz, im DLF. Neben Koordinierungsaufgaben böten die Schools auch unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte.

Holger Burckhart im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Kinder sitzen in einem Klassenraum und hören der Lehrerin zu.
    Lehrer müssen sich immer neuen Herausforderungen stellen. (dpa/ picture-alliance/ Caroline Seidel)
    Jörg Biesler: Die Lehrerausbildung ist anhaltend ein Gegenstand der Diskussion in den letzten Jahren mit den vielen Debatten um das deutsche Bildungssystem in ganz besonderer Weise. Holger Burckhart ist Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz, unter anderem dort für die Lehrerbildung zuständig, und er ist Rektor der Universität Siegen. Guten Tag, Herr Burckhart!
    Holger Burckhart: Guten Tag!
    Biesler: Die Schools of Education, eine davon haben wir gerade kennengelernt, die sind auch eine Reaktion auf die Bewegung im Bildungssystem, was die Lehrerausbildung angeht – die richtige?
    Burckhart: Auf jeden Fall der richtige Weg. Am Ziel sind wir sicherlich noch nicht damit – das gilt einerseits hinsichtlich der Ausprägung der School of Education als solche und andererseits der Etablierung der Schools of Education innerhalb der jeweiligen Hochschulen –, aber es ist der richtige Fingerzeig, und es ist sicherlich der richtige Weg, denn die Lehrerbildung galt doch sehr lange als fünftes Rad am Wagen der Universitäten, und durch die Schools of Education oder auch Lehrerbildungszentren bekommt die Lehrerausbildung einen strukturellen Ort an der Hochschule und kann ihre Querschnittsaufgabe über die Fächer, die sie als Unterrichtsfächer betreut, und über die Bildungswissenschaften sehr deutlich besser platzieren und im Bewusstsein der gesamten Universitätsabläufe. Insofern, ja, auf gutem Weg.
    Biesler: Wenn Sie sagen, fünftes Rad am Wagen, dann kommt das Problem daher, dass wir quasi eine Vernetzung mehrerer Wissensbereiche haben, also der fachlichen Bereich auf der einen Seite und der didaktischen Bereiche, der erziehungswissenschaftlichen Bereiche auf der anderen Seite - und die haben nicht immer so gut miteinander gearbeitet?
    Burckhart: Das ist das Problem, dass wir einerseits die fachliche Seite haben, also klassischerweise die Unterrichtsfächer haben, die jetzt im Hintergrund natürlich immer wissenschaftliche Disziplinen sind – Germanistik, Philosophie, Mathematik, Latein et cetera – wo dahinter eben wissenschaftliches Land an der Universität ist und dann die Lehrerbildung in dem Segment, im Rahmen der Fachdidaktik beispielsweise, dann immer so etwas stiefmütterlich behandelt worden ist. Und auf der anderen Seite die zentralen pädagogischen Fragestellungen der Psychologie, der Pädagogik, der Ethik, der Wertevermittlung et cetera, die dann auch disziplinär ganz anders wieder verortet waren.
    Diese werden jetzt zumindest organisatorisch und strukturell zusammengeführt in den Schools of Education, und die unterschiedlichen Standorte – begonnen hat ja alles in München an der Technischen Universität mit der School of Education von Herrn Prenzel, die aber eine rein auf technische Unterrichtsfächer ausgerichtete School war, damit hat es begonnen. Die jetzigen Ausprägungen, die wir im Moment in Deutschland erleben, gehen auf die gesamte Lehrerausbildung: Zum einen auf alle Schulformen, zum anderen aber auch auf alle Schulfächer.
    Vorbereiten auf wechselnde Anforderungen
    Biesler: Die Herausforderungen wachsen ja auch für die Lehrerinnen und Lehrer – die Performance vorne vor der Klasse muss sicher heute eine andere sein, auch die Inhalte nehmen ständig zu, verändern sich, werden auch komplexer. Aber das alles wandelt sich ja vor allen Dingen auch sehr schnell und man kann nicht mehr davon ausgehen, dass man im Berufsleben ständig die gleichen Inhalte vermitteln will. Können da die Schools of Education auch eine Rolle spielen, einfach die Lehrer darauf vorzubereiten, dass sich alles ständig ändert?
    Burckhart: Ja, das ist eine ganz spannende Frage. Das hängt jetzt ganz von der Konzeption ab. Wir können Schools of Education erleben, die rein nur eine organisatorische Aufgabe haben. Sie sorgen also dafür, dass das Lehrangebot für die Lehramtsstudierenden koordiniert wird, dass die Prüfungsangelegenheiten erledigt werden et cetera. Andere Schools of Education wie die in Wuppertal, die Bochumer – wenn wir jetzt in Nordrhein-Westfalen bleiben –, die Kölner, unsere eigene, die haben auch inhaltliche Schwerpunkte, und da kommt es jetzt auf die School an: Die eine School sagt, uns geht es im Wesentlichen um die Professionalisierung und wollen das Thema Professionalisierung neben der Organisationsaufgabe, die wir wahrnehmen müssen und wahrnehmen wollen als Querschnittseinrichtung, wollen wir inhaltlich an diesem Standort jetzt beispielsweise die Professionalisierung der Lehrerpersönlichkeit ins Zentrum stellen. In Köln ist es sehr stark die Sprachkompetenz und interkulturelle Kompetenz. So unterscheiden sich dann die unterschiedlichen Standorte noch mal hinsichtlich des inhaltlichen Profils, und da sind die Schools ideal – um auf Ihre Frage konkret zu antworten –, da sind sie ideal, weil sie ein Schmelztiegel aller Lehrer sind, die an der Lehrerbildung beteiligt sind, und das ist ihre Einmaligkeit.
    Biesler: Das heißt, wir werden uns darauf einrichten können, dass die Schools of Education in unterschiedlichen Ausprägungen, aber doch mittelfristig sich durchsetzen werden an allen Hochschulen, die Lehrerausbildung überhaupt machen?
    Burckhart: Davon bin ich überzeugt, weil ich das für eine angemessene Antwort halte, um der Lehrerbildung ihren wichtigen Platz in dieser Gesellschaft, auch innerhalb des Hochschulsystems, wirklich zu garantieren.
    Biesler: Holger Burckhart, der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz für die Lehrerbildung unter anderem. Die schlechte Qualität der Telefonleitung bitten wir zu entschuldigen – in der Uni Siegen gibt es im Augenblick kein Festnetztelefon. Herr Burckhart, auch dafür wünsche ich Ihnen alles Gute, dass das bald wieder funktioniert!
    Burckhart: Ganz herzlichen Dank! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.