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Schottland und Brexit
Braveheart reloaded?

Die schottische Regierung will den Brexit nicht. Ihre Hoffnung ist, dass sich dieser Schritt wieder aufheben lässt. Den Weg zurück in die EU soll die eigene Unabhängigkeit ebnen. Doch ohne Zustimmung aus London können die Schotten verfassungsrechtlich kein bindendes Referendum abhalten.

Von Burkhard Birke         |
Ein Unabhängigkeitsbefürworter spielt bei einer Demonstration im schottischen Glasgow auf einem Dudelsack, aus dem Flammen hervorsteigen.
Demonstration für die Unabhängigkeit Schottlands in Glasgow. (AFP / Andy Buchanan)
Die Europa- und die schottische Fahne waren die Verkaufsschlager: Hunderte Menschen protestierten vor dem Parlamentsgebäude Holyrood in Edinburgh gegen Brexit und für Scexit: Den Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich. Eine Frau hielt ein Transparent hoch mit den Worten: Bye Bye Boris Brexit, hello independence.
"Wir wollen die EU nicht verlassen. Auf den 50 Pence Gedenkmünzen sollte stehen: Großbritannien, das einzige Land, das sich selbst sanktioniert. Das ist einfach doof."
Unabhängigkeit als Rückfahrkarte in die EU
"Ich bin traurig, aber auch aufgeregt, denn künftig könnte Schottland unabhängig werden, weil wir jetzt nicht mehr zu Europa gehören."
Das ist die Karte auf die Nicola Sturgeon setzt. In die Trauer mische sich Wut, erklärte die Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei. Die First Minister genannte Regierungschefin wittert im Brexit ihre Chance. 2014 verloren die Nationalisten das Unabhängigkeitsreferendum. Auch aus Angst aus der EU zu fliegen, stimmte damals eine deutliche Mehrheit der Schotten für Verbleib im Vereinigten Königreich. Jetzt gibt es eine andere Geschäftsgrundlage. 62 Prozent der Schotten hatten gegen Brexit gestimmt und fühlen sich jetzt verraten. In der Unabhängigkeit sehen viele die Rückfahrkarte in die EU. Nicola Sturgeon:
"Noch in diesem Jahr könnten wir ein Referendum abhalten. Wir müssen nur einen Weg finden, um es legal und bindend zu machen. Wir sind noch nicht so weit, aber ich glaube ein Referendum ist möglich dieses Jahr und ich werde alles in meinen Kräften stehende dafür tun."
Sturgeon will das Momentum nutzen. Letzte Umfragen prognostizieren 51 Prozent für Unabhängigkeit.
Boris Johnson stellt sich quer
Ohne Zustimmung aus London können die Schotten allerdings verfassungsrechtlich kein bindendes Referendum abhalten. Bislang macht Boris Johnson keinerlei Anstalten, den Schotten eine zweite Chance zu geben. Die Zeichen stehen somit auf Konflikt. Den katalanischen Weg möchten die schottischen Nationalisten allerdings nicht gehen, wohl aber den politischen Druck erhöhen:
"Das Timing dieses Jahr ist wichtig, denn nur so können wir den Schaden durch den Brexit begrenzen und auf den richtigen Weg kommen."
Im Klartext: Die Schotten wollen nicht mehrfach die Gesetze und Spielregeln ändern müssen, sondern möglichst nahtlos nach der Übergangsphase Ende des Jahres in die EU zurückkehren.
Die Mehrheit der Schotten ist freilich abstimmungsmüde, will erst einmal warten, was der Brexit bringt. Die Unabhängigkeitsgegner sind zudem nicht müde, ihre Argumente vorzutragen. Pamela Nash von Scotland in Union:
"Der Handel mit dem Rest Großbritanniens ist drei Mal so viel wie unser Volumen mit der EU. Es geht aber mehr als um Finanzen. Es geht um unsere gemeinsame Kultur, Geschichte und Zukunft und ich glaube wir sind besser in Großbritannien aufgehoben."
Genau über diese Frage scheint Schottland ähnlich zerstritten wie Großbritannien über den EU Austritt. Convince not confront: Nach diesem Motto will First Minister Sturgeon deshalb ihre Bevölkerung mit Argumenten und durch Taten überzeugen, bis der Rückhalt groß genug für ein erneutes Ja aus London wird. Sonst bliebe nur die Alternative vor Gericht das vom schottischen Parlament bereits mehrheitlich beschlossene Recht auf ein zweites Referendum einzuklagen. Das kann dauern. Sturgeons Zeitplan erscheint vielen Unabhängigkeitsbefürwortern überstürzt: Lieber warten und deutlich gewinnen, so ihre Devise. In der Nacht entzündeten sie Kerzen als Botschaft an Europa:
"Lasst das Licht für uns im Europaparlament brennen – wir wollen zurückkommen."