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Schottlands Weg in die Unabhängigkeit?

Seit mehr als 300 Jahren sind Engländer und Schotten unter der britischen Krone vereint. Die Schottische Nationalpartei SNP, nach der letzen Parlamentswahl mit der absoluten Mehrheit ausgestattet, will langfristig die Unabhängigkeit Schottlands durchsetzen.

Jochen Spengler |
    Äußerlich wird alles so sein wie immer bei der Eröffnung einer neuen Parlamentssession: Auf der Royal Mile in Edinburgh findet die traditionelle Prozession der Würdenträger und der Bürger statt, zuvor wird Schottlands Krone aus dem 15. Jahrhundert zum Parlament getragen, wo sich die Queen des United Kingdom an die neuen Abgeordneten wendet. Sie sei zuversichtlich, dass es ihnen um das Wohl des Volkes gehen werde, um eine bessere Zukunft für dieses großartige Land - das erklärte sie bei der letzten Parlamentseröffnung 2007:

    "I am confident that the Scottish people will be at the heart of the business of this session as you keep on walking with them and together build a better and more sustainable future for this great land."

    Ob die Queen heute noch ebenso zuversichtlich ist, wird sie kaum verraten, dürfte aber bezweifelt werden. Denn alle Parteien, die vorbehaltlos zur 304 Jahre alten Union Schottlands mit England stehen, Labour, Tories und Liberaldemokraten, sind erstmals in der Minderheit. Am 5. Mai kam es zu einem Erdrutschsieg der SNP. Die Schottische Nationalpartei wurde vom 56-jährigen Alex Salmond zur absoluten Mehrheit geführt. Und aus seinem Ziel macht der charismatische Parteichef keinen Hehl:

    "Ich möchte, dass mein Land unabhängig wird, weil es für das schottische Volk am besten ist und es einen Beitrag leisten wird für Europa und die Menschheit insgesamt."

    Noch nie war Schottlands alter und neuer Erster Minister, der ein wenig an Danny de Vito erinnert, dem Traum von der Unabhängigkeit so nah:

    "Wir werden ein Referendum über die Unabhängigkeit organisieren innerhalb unserer fünfjährigen Legislaturperiode. Es wird gegen Ende der Amtszeit sein."

    Denn Alex Salmond ist nicht nur humorvoll und sympathisch – er ist vor allem schlau und spielt auf Zeit. Volksbefragung frühestens 2014. Salmond weiß, dass seine Mitte-Links-Partei in der Wahl triumphiert hat, weil sie wie keine andere die Interessen des Nordens vertritt, nicht aber, weil das stolze Volk der Schotten schon jetzt für die Separation wäre.

    "Sogar wenn man die SNP in dieses Parlament gewählt hat, war das doch kein Votum für die Unabhängigkeit, das ging gegen Labour","

    sagt eine Mittvierzigerin und ein Schotte in den 50ern ergänzt,

    ""die Unabhängigkeit hat doch in deren Wahlkampagne gar keine Rolle gespielt."

    Laut letzter Repräsentativbefragung ist noch nicht einmal jeder Dritte der fünf Millionen Schotten für die Trennung von England, Wales und Nordirland. Da ist noch Überzeugungsarbeit von Salmond nötig.
    Schon jetzt hat Schottland, das etwa so groß wie Bayern ist, mehr Rechte als ein deutsches Bundesland. Gesundheit, Erziehung, Polizei, Umwelt, Tourismus, Justiz – alles wird in Edinburgh entschieden. Das reicht uns nicht, sagt Angus Robertson, der die SNP im Londoner Unterhaus vertritt.

    "Der normale Zustand für eine Nation ist, selbstbestimmend zu sein. Bei wichtigen Fragen im Verteidigungsbereich, wo in England die staatstragenden Parteien alle Unterstützer von Atomwaffen sind, wir in Schottland alle sind dagegen. Aber alle Atomwaffen sind in Schottland stationiert."

    Die entscheidende Frage ist aber, ob ein eigenständiges Schottland wirtschaftlich überlebensfähig wäre. Das bezweifelt nicht nur die Journalistin Lesley Riddoch:

    "Wenn die Schotten eine Garantie darauf haben wollen, dass es ihnen nach der Unabhängigkeit besser geht, werden sie die niemals bekommen."

    Bis vor wenigen Jahren hat die SNP auf Irland als Vorbild verwiesen. Heute argumentiert sie lieber mit Norwegen, und auch über die Royal Bank of Scotland schweigt man beredt; die existiert nur noch wegen der Hilfsgelder aus England. Mehr wirtschaftliche Autonomie und vor allem eine eigene Unternehmenssteuer, um massiv in Wind und Gezeitenenergie zu investieren. Das will Alex Salmond in den Verhandlungen mit London als Nächstes durchsetzen. Es stehen schwierige Gespräche mit Großbritanniens Premierminister David Cameron ins Haus:

    "Wir werden uns alle Vorschläge, die First Minister Salmond gemacht hat, anschauen ... Ich nehme den Respekt voreinander sehr ernst. Aber das ist keine Einbahnstraße. Einerseits respektiere ich die Ansichten und Wünsche des schottischen Volkes, aber umgekehrt müssen sie respektieren, dass wir noch Teil des Vereinigten Königreichs sind und wie ich glaube immer sein werden."

    Deswegen wird Alex Salmond auch ein Hintertürchen ins Referendum einbauen. Es wird nicht nur gefragt: Unabhängigkeit ja oder nein. Als Rückfallposition gibt es eine zweite Frage, sollte die Idee von der Independence doch nicht verfangen: finanzielle Autonomie, ja oder nein.
    Einen weiteren Stolperstein hat der schlaue Salmond, der um die Beliebtheit der Queen weiß, schon längst aus dem Weg geräumt. Natürlich werde auch ein unabhängiges Schottland stolz und glücklich sein, als Staatsoberhaupt Ihre Majestät zu behalten.

    "We'll be very proud and happy to have our Majesty the Queen as Queen of Scots."