Zwischen den großen stillgelegten Fabrikgebäuden des ehemaligen DDR-Industriestandortes Berlin-Oberschöneweide ist heute ein kleines Archiv untergekommen: das Archiv Schreibende ArbeiterInnen. Es erzählt von der Zeit, als es hier noch Zehntausende ihrer Beschäftigung nachgingen, Lärm, Ruß und Dreck den Stadtteil prägten. Da die Klingel kaputt ist, muss angeklopft werden.
„Kommen Sie rein!" "Hallo Frau Pieschke!" "Wollen Sie gleich nen Kaffee?“
„Kommen Sie rein!" "Hallo Frau Pieschke!" "Wollen Sie gleich nen Kaffee?“
Das Archiv Schreibende ArbeiterInnen
Die ehrenamtliche Archivleiterin Dolores Pieschke führt durch ein kleines Büro in den Nachbarraum. Auf Lastenregalen steht hier, in grauen Pappkisten verwahrt und gut sortiert, das Herzstück des Archivs - die Manuskripte früherer "Schreibender Arbeiter":
„Anne war so eine ganz Kleine. Eine ganz Energische. Kurzhaarig, viel kürzer als ich noch, wirklich eine ganz Energische. Und die ist in 'Berlin Chemie' im Zirkel Schreibender Arbeiter gewesen und die hat als Anlagenfahrerin gearbeitet. Da hat sie eine Art Biografie geschrieben. 'Ich und die Republik'. Also sie war eine der DDR recht positiv gegenüber stehende DDR-Bürgerin. Hier den Text kannst du haben. Weil der so unverblümt ist. Also so völlig ohne Beschönigung, so wie das Leben wirklich im Betrieb war.“
Auszug aus Annemarie Klose „Ich und die Republik“: „Ich bin Arbeiterin, Anlagenfahrerin, stehe an einer Maschine, die meinen Einsatz verlangt. Es ist eine komplizierte Maschine. Das Ineinandergreifen der Bewegung fasziniert mich, lässt mich die Monotonie der Arbeit vergessen. Meine Maschine ist zwölf Meter lang, nimmt fast den ganzen Raum ein. Sie ist eine halbautomatische Anlage, eine Fertigungsstraße für Zäpfchenherstellung.
Ich muss mich recken. Verflucht, wieder verbrannt. Jetzt habe ich die vierte Brandwunde am rechten Unterarm. Alle Frauen der Abteilung besitzen diese Kennzeichen. Gebrandmarkt. Ein scheußliches Wort. Die Pferde und Rinder wurden früher gebrandmarkt. Sind wir Rindviecher?“
Ich muss mich recken. Verflucht, wieder verbrannt. Jetzt habe ich die vierte Brandwunde am rechten Unterarm. Alle Frauen der Abteilung besitzen diese Kennzeichen. Gebrandmarkt. Ein scheußliches Wort. Die Pferde und Rinder wurden früher gebrandmarkt. Sind wir Rindviecher?“
Die Kölner Historikerin Anne Sokoll forscht seit vielen Jahren zur Geschichte der "Schreibenden Arbeiter" der DDR:
„Ich denke, die Bewegung Schreibender Arbeiter ist so besonders, weil sie eine Form von Kultur und Literatur popularisiert hat und letztlich ein Thema in die Mitte der Gesellschaft getragen hat, dass es vielleicht heute gar nicht mehr so präsent gibt, dass nicht so präsent gemacht wird. Eine Art von Laienliteratur, der ein doch sehr hoher Stellenwert im Gesamtgefüge zugestanden worden ist - und das ist eine ganz große Besonderheit.“
Forschungsstand und Historie
2021 hat Anne Sokoll ihre Dissertation zum Thema veröffentlicht.
„Als ich begonnen habe, mich mit den Schreibenden Arbeitern zu beschäftigen, war ich natürlich auf Konferenzen, habe versucht mich anzudocken an Forscherinnen und Forscher, die zum Thema DDR-Literatur arbeiten. Mir wurde immer mit einer gewissen Skepsis begegnet, immer wieder wurde mir eigentlich vor Augen geführt, das gehört gar nicht zum Kanon, das ist es gar nicht wert, das war alles nur ideologische Schreibe. Und warum soll das eine Besonderheit sein?“
Anne Sokoll hat zunächst die Entstehungsgeschichte der Zirkel Schreibender Arbeiter der DDR nachvollzogen. Schnell seien nach dem Ende des Nationalsozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone Kulturstätten gegründet, Laienwettbewerbe initiiert, erste Bildungsvereine aufgebaut worden. Laienautoren und -autorinnnen seien in der Anfangsphase der DDR kaum aufgetreten. Dennoch habe die früh geförderte Laienkultur in den Klubs und Kulturhäusern einen Grundstein für spätere Zirkelaktivitäten gelegt.
„Das hat natürlich auch mit Weltverständnis, Gesellschafts- und Kulturverständnis zu tun. Die Kultur gehört in die Mitte der Gesellschaft, gehörte mit der Ökonomie und der Politik dazu eine neue Gesellschaft zu gründen, mit sozialistischem Weltbild. Das war im Grunde eine Vorreiterbewegung, die sich dann letztendlich gut anlief und sich dann in der DDR mit der Idee eines neuen sozialistischen Menschen über neue Gesellschaft, neue Literatur, ein neues System, wunderbar ineinandergriff. Und so kam es eigentlich dann zur 1. Bitterfelder Konferenz.“
„Als ich begonnen habe, mich mit den Schreibenden Arbeitern zu beschäftigen, war ich natürlich auf Konferenzen, habe versucht mich anzudocken an Forscherinnen und Forscher, die zum Thema DDR-Literatur arbeiten. Mir wurde immer mit einer gewissen Skepsis begegnet, immer wieder wurde mir eigentlich vor Augen geführt, das gehört gar nicht zum Kanon, das ist es gar nicht wert, das war alles nur ideologische Schreibe. Und warum soll das eine Besonderheit sein?“
Anne Sokoll hat zunächst die Entstehungsgeschichte der Zirkel Schreibender Arbeiter der DDR nachvollzogen. Schnell seien nach dem Ende des Nationalsozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone Kulturstätten gegründet, Laienwettbewerbe initiiert, erste Bildungsvereine aufgebaut worden. Laienautoren und -autorinnnen seien in der Anfangsphase der DDR kaum aufgetreten. Dennoch habe die früh geförderte Laienkultur in den Klubs und Kulturhäusern einen Grundstein für spätere Zirkelaktivitäten gelegt.
„Das hat natürlich auch mit Weltverständnis, Gesellschafts- und Kulturverständnis zu tun. Die Kultur gehört in die Mitte der Gesellschaft, gehörte mit der Ökonomie und der Politik dazu eine neue Gesellschaft zu gründen, mit sozialistischem Weltbild. Das war im Grunde eine Vorreiterbewegung, die sich dann letztendlich gut anlief und sich dann in der DDR mit der Idee eines neuen sozialistischen Menschen über neue Gesellschaft, neue Literatur, ein neues System, wunderbar ineinandergriff. Und so kam es eigentlich dann zur 1. Bitterfelder Konferenz.“
Erste Bitterfelder Konferenz 1959
Die 1. Bitterfelder Konferenz am 24. April 1959 bildete den eigentlichen Auftakt der Bewegung Schreibender Arbeiter. Ursprünglich als Konferenz für Autoren und Autorinnen des Mitteldeutschen Verlags geplant, wurde sie zu einem kulturpolitischen Ereignis, an dem nicht nur professionelle Schreibende und Vertreter des Verlagswesens, sondern auch Laienautoren teilnahmen und zum gegenseitigen Austausch aufgerufen wurden. Anne Sokoll:
„Schriftsteller wurden aufgefordert, in die Betriebe zu gehen, sich auseinanderzusetzen nicht nur mit Gegenwartsthemen - das war das Eine, sondern auch wirklich mit Menschen vor Ort und mit ihnen über Schriftstellerei zu sprechen, über das, was Schriftstellertum ausmacht. Man wollte nicht mehr nur den lesenden Arbeiter, den man zuvor im Fokus hatte, sondern jetzt sollte auch der Arbeiter schreiben. Und das ging dann soweit, dass man sich vorstellte, dieser schreibende Arbeiter soll die neue sozialistische Nationalliteratur schaffen. Das war natürlich ein Hammer.“
"Zirkelalltag" - selbstorganisiert oder "geführt"
Bis zu 600 Zirkel sollen sich, oft spontan und selbstorganisiert, unmittelbar nach der 1. Bitterfelder Konferenz gegründet haben. Die öffentlich finanzierten und geförderten Schreibgruppen waren an Betriebe und Kulturhäuser angeschlossen. Man traf sich regelmäßig, diskutierte literarische und gesellschaftliche Themen, las Werke bekannter Autoren und Autorinnen und stellte eigene Texte vor. Laien, Mitarbeiter der Betriebe, aber auch Schriftstellerinnen wie Brigitte Reimann, Christa Wolf oder Franz Fühmann übernahmen die Zirkelleitung.
Elfriede Wojaczek-Steffke war über 20 Jahre Mitglied des Zirkels Maxim Gorki im Zentralen Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft (DSF). Auch heute noch kann sie sich gut an ihren ersten Tag dort erinnern:
„Ich klingelte unten im Haus der DSF, und da ging es die Treppen hoch dann erst einmal, und da kam mir eine strahlende Gestalt, ein kleiner Mann entgegen. 'Und du bist die Elfriede! Du bist die Elfriede!' Und es war klar: das war der Empfang. Ich musste erzählen, warum ich komme in die Zirkel, was ich schreibe und ich hab von vornherein immer gesagt 'Ich bin katholisch, das sollen sie einkalkulieren', und mich hat keiner unsittlich belästigt, indem er mich in die Partei kriegen wollte.“
Elfriede Wojaczek-Steffke war über 20 Jahre Mitglied des Zirkels Maxim Gorki im Zentralen Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft (DSF). Auch heute noch kann sie sich gut an ihren ersten Tag dort erinnern:
„Ich klingelte unten im Haus der DSF, und da ging es die Treppen hoch dann erst einmal, und da kam mir eine strahlende Gestalt, ein kleiner Mann entgegen. 'Und du bist die Elfriede! Du bist die Elfriede!' Und es war klar: das war der Empfang. Ich musste erzählen, warum ich komme in die Zirkel, was ich schreibe und ich hab von vornherein immer gesagt 'Ich bin katholisch, das sollen sie einkalkulieren', und mich hat keiner unsittlich belästigt, indem er mich in die Partei kriegen wollte.“
Rituale und Haltungs-Diskussionen
Der Zirkel im Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft war einer der größten Laienzirkel in Ostberlin - teilweise mit zwei Schreibgruppen und über 40 aktiven Mitgliedern. Da er keinem Betrieb, sondern einem Kulturhaus angehörte, war die berufliche Zusammensetzung des Kreises heterogen. Nicht nur Arbeiter, sondern auch Angestellte, Rentner oder Lehrer nahmen an den Treffen teil. Elfriede Wojaczek-Steffke arbeitete im Veterinäramt. Sie weiß noch genau, wie die Zirkelabende abliefen:
„Das war ein festes Ritual. Wer hat heute was mitgebracht, was neues. Worüber hast Du das geschrieben? Da haben die anderen gesagt, ja das wollen wir hören. Gut, dann liest derjenige vor. Und dann haben sie gesagt, „So kannst du das nicht stehen lassen, überleg mal“, und dann haben die anderen ihren Senf alle dazu gegeben. Manchmal schrien auch alle durcheinander. Wir haben gestritten. Sehr viel gestritten. Um Ausdrücke gestritten, um die Haltung gestritten dabei.“
„Das war ein festes Ritual. Wer hat heute was mitgebracht, was neues. Worüber hast Du das geschrieben? Da haben die anderen gesagt, ja das wollen wir hören. Gut, dann liest derjenige vor. Und dann haben sie gesagt, „So kannst du das nicht stehen lassen, überleg mal“, und dann haben die anderen ihren Senf alle dazu gegeben. Manchmal schrien auch alle durcheinander. Wir haben gestritten. Sehr viel gestritten. Um Ausdrücke gestritten, um die Haltung gestritten dabei.“
Auch DDR-kritische Positionen
„Ob die Zirkel als Freiheitsraum oder Mikrokosmos-Freiheitsraum bewertet werden können, ist sicherlich eine ganz individuell zu beantwortende Frage“, so die Kölner Historikerin Anne Sokoll. Auch die Stasi habe die Zirkel beobachtet, manche ZirkelleiterInnen und Mitglieder hätten über Aktivitäten der Schreibgruppen berichtet. Dem Zirkelleben wurden durch Qualifizierungsmaßnahmen, öffentliche Wettbewerbe und Förderangebote klare Vorgaben gemacht. Jedoch:
„Was wirklich für sich sprechen kann, sind Manuskripte, die sehr, sehr auf den Punkt gebracht haben, wie kritisch sie sich positioniert haben gegenüber einer DDR, in der Mangelwirtschaft herrschte, in der Umweltverschmutzung ein Riesenthema war, in der ein falsch verstandener Marxismus/Sozialismus von kulturpolitischer Seite gelebt wurde, in der große Fragezeichen gegenüber einer möglichen Zukunft herrschten und da auch noch formalästhetisch eigentlich fern von dem, was gefordert wurde, fern vom sozialistischen Realismus. Deshalb würde ich diese These eines mikrokosmischen Freiraums, wenn es denn Zirkelleiter, Zirkelmitglieder zuließen, durchaus stattgeben.“
"Es durfte kaum etwas gedruckt werden"
Elfriede Wojaczek-Steffke: „Dass wir die Gedankenfreiheit hatten und was jeder draus gemacht hat, das war seine Sache. Manch einer war als Sozialist gekränkt, aber er hatte eben so viel Toleranz, uns reden zu lassen und es durfte eben bloß kaum etwas gedruckt werden.“
Sie schlägt ein kleines Buch auf, dass neben ihr auf dem Tisch liegt. Auch ihre Mutter sei im Schreibzirkel dabei gewesen. Deren Natur- und Liebesgedichte konnten in der DDR veröffentlicht werden.
„Naturgewalten: Es ist als ob sich die Natur empörte, den Menschen ernst in seine Schranken weist. Weil ihre strenge Ordnung frech er störte und sie nach seinem Willen handeln heißt. Da toben Stürme und die Wetter grollen und Wassermassen tosen durch das Land. Der Mensch steht machtlos da mit seinem Wollen, mit zagem Herzen und mit schwacher Hand und muss erkennen, dass trotz allem Wissen, noch manch Geheimnis unerforschlich bleibt, dass eine Macht in Licht und Finsternissen selbst das Gesetz für ihr Schöpfung schreibt.“
"Und wenn man sich vorstellt, das war ein Bauernmädchen, da hatte sie doch viel Talent - nicht? Das war Heimat. Der Zirkel war Heimat. Wo man sich in diesem Land wirklich angenommen gefühlt hat von allen Seiten. Und insofern lass ich auf den nichts kommen.“
Wendezeit und Zirkelleben heute
Die Archivleiterin Dolores Pieschke hat für die Sammlung des Archivs Schreibende ArbeiterInnen viele Zeitzeugen-Interviews geführt und erzählt, wie schwierig es ist, kritische Stimmen über das Zirkelleben zu hören: „Also wenn man sich mit Ihnen unterhält, dann ist es schon ein romantischer Rückblick. Weil, sie haben das Positive in Erinnerung behalten, und viele würden auch auf Teufel komm raus nichts Schlechtes über ihren Zirkel sagen. Das macht man nicht, über Tote redet man nicht schlecht.“
Viele Laienautoren wollten nach dem Ende der DDR nicht mehr über ihre Zeit in den Schreibgruppen sprechen, nur wenige Zirkel überlebten die Wende.
Einer davon war der Zirkel "Maxim Gorki" des Zentralen Hauses der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Seine Mitglieder trafen sich nach dem Ende der DDR zunächst in Gaststätten, Parks oder Privatwohnungen, bis sie den Verein SchreibArt gründeten. Dieser ist Träger des Archivs, veranstaltet regelmäßig Lesepodien und organisiert seit über 20 Jahren Schreibwerkstätten - sie sind kostenlos und damit eine große Ausnahme in den Berliner Volkshochschulen. Die Teilnehmenden schreiben über ihren Alltag, über das was sie bewegt - thematisch orientieren sie sich heute weniger am Berufsleben.
Viele ehemalige Zirkelmitglieder sind mittlerweile zu alt, dafür kommen immer wieder Neue hinzu. Wie Dolores Pieschke, die in der DDR nie eine Schreibgruppe besuchte. Für sie sind es gerade die Texte im Archiv, welche die Bewegung der Schreibenden Arbeiter noch heute so interessant machen:
„Für Soziologen, für Historiker, für Literaturhistoriker ist das eine Fundgrube, was die Schreibenden Arbeiter, Männer wie Frauen wie Kinder und auch alle Berufsgruppen geschrieben haben. Wo man über das normale Leben in der DDR und in der Gesellschaft ganz viel erfahren kann. Also es gibt Texte, da fühle ich mich, als ob ich dabei bin.“
Fazit - Was bleibt?
Ähnlich sieht das die Historikerin Anne Sokoll. Sie ergänzt: Die Bewegung der Schreibenden Arbeiter müsse vor allem als breite Bildungsbewegung verstanden werden.
„Dementsprechend würde ich sehr, sehr an Erasmus Schöfers Kritik anknüpfen, der im Grunde den Maßstab für Werke aus diesem Umwelt gar nicht in Brecht oder dem Literaturkanon sieht, sondern in ganz anderer Form. Also in dem Sinne, dass eben Kultur geschaffen wird überhaupt erst. Ich denke, dass die klassische Forschung, ob das nun historischer Art, kulturhistorischer, literaturwissenschaftlicher Art ist, Politikwissenschaftler, die beschäftigen sich mit der DDR als System, als Konstrukt, auch oft als Regime und man hat natürlich auf der Frage der Kunst - Kulturwissenschaften immer eine Art von Kanon im Kopf, und das macht auf zwei Ebenen die Bewegung schreibende Arbeiterinnen, schreibende Arbeiter schwer. "
„Dementsprechend würde ich sehr, sehr an Erasmus Schöfers Kritik anknüpfen, der im Grunde den Maßstab für Werke aus diesem Umwelt gar nicht in Brecht oder dem Literaturkanon sieht, sondern in ganz anderer Form. Also in dem Sinne, dass eben Kultur geschaffen wird überhaupt erst. Ich denke, dass die klassische Forschung, ob das nun historischer Art, kulturhistorischer, literaturwissenschaftlicher Art ist, Politikwissenschaftler, die beschäftigen sich mit der DDR als System, als Konstrukt, auch oft als Regime und man hat natürlich auf der Frage der Kunst - Kulturwissenschaften immer eine Art von Kanon im Kopf, und das macht auf zwei Ebenen die Bewegung schreibende Arbeiterinnen, schreibende Arbeiter schwer. "
Diktatur und Unterdrückung ist nicht wegzudenken
Dass das Thema Diktatur und Unterdrückung nicht ganz wegzudenken sei, betont Dolores Pieschke. Die Archivleiterin weiß genau: Die Frage nach Freiheit entschied sich nicht erst in den Zirkelabenden, sondern bereits an den Zugangsvoraussetzungen.
„Also wer nicht positiv zur DDR eingestellt war, der hat natürlich mit den Schreibzirkeln auch nichts im Sinne gehabt, weil: Das war ja eine DDR-Bewegung. Wer sich auch in seine Nische zurückziehen wollte, der ist auch nicht zu so einem Zirkel gegangen. Wer so richtig vom Inneren her Dissident war, der hat nicht in den Zirkeln schreibender Arbeiter geschrieben. Das hätte sich gebissen.“
„Also wer nicht positiv zur DDR eingestellt war, der hat natürlich mit den Schreibzirkeln auch nichts im Sinne gehabt, weil: Das war ja eine DDR-Bewegung. Wer sich auch in seine Nische zurückziehen wollte, der ist auch nicht zu so einem Zirkel gegangen. Wer so richtig vom Inneren her Dissident war, der hat nicht in den Zirkeln schreibender Arbeiter geschrieben. Das hätte sich gebissen.“
BRD-Gruppen im Austausch mit DDR-Zirkeln
Zwar habe es in der demokratischen Bundesrepublik mit der Dortmunder Gruppe 61 oder dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt vergleichbare Gruppen gegeben, die sogar im Austausch mit den DDR-Zirkeln gestanden haben. Doch im Vergleich zur DDR, in der tausende Schreibende Arbeiter aktiv waren, beschränkten sich die westdeutschen Kreise auf nur wenige hundert Mitglieder. Die Motivation der Laienautor:innen war für Dolores Pieschke aber überall ähnlich:
"Vielleicht ist das das was bleibt. Der normale Mensch findet Freude an kreativen Leistungen. Also die Gesellschaft muss, damit die Leute kreativ sein können, Bedingungen dafür schaffen. Entweder durch Raum, oder durch Geld oder durch kostenlose Angebote oder durch Ermunterung. Und so müsste die Gesellschaft für alle Arten von Kreativität ein förderndes Umfeld, ein befürwortendes ein wohlwollendes Umfeld schaffen. Das müsste sein. Und das hat es für das Schreiben in der DDR gegeben, wie auch für die gesamte Volkskunst.“