Als der britische Außenminister Ernest Bevin und sein französischer Kollege Georges Bidault am 4. März 1947 in Dünkirchen einen Beistandspakt unterzeichnet hatten, schauten sie vom Balkon des Rathauses auf eine Ruinenlandschaft. Die Hafenstadt am Ärmelkanal war in einer der ersten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs 1940 von der deutschen Wehrmacht beschossen und bombardiert worden, um die Flucht des englischen Expeditionskorps zu verhindern. Aber mehr als 300.000 französische und britische Soldaten konnten sich gemeinsam auf die Insel retten und von dort aus den Kampf gegen Nazideutschland fortsetzen. Knapp zwei Jahre nach Kriegsende hatten nun die Diplomaten das Wort, und sie wählten ganz bewusst Dünkirchen als Ort der Vertragsunterzeichnung.
Die französisch-britische Allianz nämlich richtete sich zumindest dem Wortlaut nach gegen jede Bedrohung durch ein wieder erstarkendes Deutschland. Seite an Seite mit Bidault, dem ehemaligen Résistance-Kämpfer und Minister in de Gaulles Londoner Exilkabinett, erklärte Bevin, der Gewerkschaftsführer und langjährige Arbeitsminister:
"Nie mehr dürfen sich Dinge ereignen, die die Wiederauferstehung eines angriffslüsternen Deutschlands ermöglichen und eine Wiederholung des teuflischen Unglücks gestatten, dessen Opfer wir beide waren."
So konnte man es am folgenden Tag, dem 5. März, in der Wiener "Arbeiter-Zeitung" lesen. In Frankreich selbst fiel die Nachricht vom Pakt von Dünkirchen dem Zeitungsstreik zum Opfer, der mehrere Wochen lang die Druckerpressen lahm legte. Und so blieb es ausländischen Presseorganen, etwa dem deutschen "Spiegel", vorbehalten, die offizielle Lesart zu verbreiten:
"Das Zustandekommen dieser neuen für 50 Jahre vorgesehenen Entente Cordiale zeigt, dass beide Länder willens sind, unter entstandene Misshelligkeiten und Meinungsverschiedenheiten einen Schlussstrich zu ziehen. Sie wollen sich bei dem wirtschaftlichen Wiederaufbau die Hände reichen. Amtlich wurde darauf hingewiesen, dass der neue Allianzvertrag keine getarnte westeuropäische Blockbildung darstelle."
Auf eben diese Blockbildung aber lief der Dünkirchen-Pakt hinaus. Denn schon wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung, am 12. März 1947, läutete US-Präsident Harry S. Truman den Kalten Krieg ein, als er dem von kommunistischen Aufständischen bedrohten Griechenland erhebliche Wirtschaftshilfen in Aussicht stellte und seine Doktrin formulierte, dass die USA künftig jedem Volk zu Hilfe kommen würden, dessen Freiheit von sowjetischer Aggression bedroht sei. Und nur ein Jahr später, am 17. März 1948, wurde die französisch-britische Allianz durch den Beitritt der Benelux-Staaten zum Brüsseler Fünfmächtevertrag erweitert. Vor diesem Hintergrund konstatierte die "Zeit" bereits im März 1948 unter der Überschrift "Dünkirchen überholt":
"Es war einsichtsvollen Politikern schon beim Abschluss dieses Vertrages klar, dass die Abwehr eines möglichen Angriffs des besiegten und besetzten Deutschlands allein kein genügender Inhalt eines Abkommens sein konnte, das die Zusammenarbeit zur Lösung aller drängenden Probleme Europas sichern sollte. Dabei hat sich, vornehmlich unter dem Eindruck des Prager Kommunistenputsches, die Überzeugung durchgesetzt, dass das Muster des Dünkirchener Vertrages, der seine schmale Basis in einem Sicherungsvertrage gegen Deutschland hat, der heutigen Lage in keiner Weise mehr entspricht, da Deutschland, ob man das wünscht oder nicht, doch die erste Linie jeder Verteidigung Westeuropas darstellt."
Nicht nur der "Zeit"-Kommentator sah die Deutschen 1948 schon wieder an vorderster Front. In der nun folgenden Konfrontation mit der Sowjetunion wurde die Spaltung des Landes nur vertieft, gegen jede Annäherung setzten sich Sicherheitsinteressen durch - so, wie es der von den Nazis verfolgte und drangsalierte Victor Klemperer bereits geahnt hatte: Im Februar 1947, der Pakt von Dünkirchen war noch nicht einmal unterzeichnet, notierte der Dresdner Romanist auf der anderen Seite des gerade noch durchlässigen Eisernen Vorhangs:
"Der Europaverlag in Freiburg richtet eine Rundfrage an mich: der französische Zonenkommandant erbittet eine Denkschrift über Annäherungsmöglichkeiten, wirtschaftliche und geistige, zwischen Deutschland und Frankreich. Ich werde mich sehr kurz und skeptisch fassen: wie können wir geistige Annäherung predigen, wenn Ihr uns um der sûreté – der Sicherheit - willen abwürgt?!"
Die französisch-britische Allianz nämlich richtete sich zumindest dem Wortlaut nach gegen jede Bedrohung durch ein wieder erstarkendes Deutschland. Seite an Seite mit Bidault, dem ehemaligen Résistance-Kämpfer und Minister in de Gaulles Londoner Exilkabinett, erklärte Bevin, der Gewerkschaftsführer und langjährige Arbeitsminister:
"Nie mehr dürfen sich Dinge ereignen, die die Wiederauferstehung eines angriffslüsternen Deutschlands ermöglichen und eine Wiederholung des teuflischen Unglücks gestatten, dessen Opfer wir beide waren."
So konnte man es am folgenden Tag, dem 5. März, in der Wiener "Arbeiter-Zeitung" lesen. In Frankreich selbst fiel die Nachricht vom Pakt von Dünkirchen dem Zeitungsstreik zum Opfer, der mehrere Wochen lang die Druckerpressen lahm legte. Und so blieb es ausländischen Presseorganen, etwa dem deutschen "Spiegel", vorbehalten, die offizielle Lesart zu verbreiten:
"Das Zustandekommen dieser neuen für 50 Jahre vorgesehenen Entente Cordiale zeigt, dass beide Länder willens sind, unter entstandene Misshelligkeiten und Meinungsverschiedenheiten einen Schlussstrich zu ziehen. Sie wollen sich bei dem wirtschaftlichen Wiederaufbau die Hände reichen. Amtlich wurde darauf hingewiesen, dass der neue Allianzvertrag keine getarnte westeuropäische Blockbildung darstelle."
Auf eben diese Blockbildung aber lief der Dünkirchen-Pakt hinaus. Denn schon wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung, am 12. März 1947, läutete US-Präsident Harry S. Truman den Kalten Krieg ein, als er dem von kommunistischen Aufständischen bedrohten Griechenland erhebliche Wirtschaftshilfen in Aussicht stellte und seine Doktrin formulierte, dass die USA künftig jedem Volk zu Hilfe kommen würden, dessen Freiheit von sowjetischer Aggression bedroht sei. Und nur ein Jahr später, am 17. März 1948, wurde die französisch-britische Allianz durch den Beitritt der Benelux-Staaten zum Brüsseler Fünfmächtevertrag erweitert. Vor diesem Hintergrund konstatierte die "Zeit" bereits im März 1948 unter der Überschrift "Dünkirchen überholt":
"Es war einsichtsvollen Politikern schon beim Abschluss dieses Vertrages klar, dass die Abwehr eines möglichen Angriffs des besiegten und besetzten Deutschlands allein kein genügender Inhalt eines Abkommens sein konnte, das die Zusammenarbeit zur Lösung aller drängenden Probleme Europas sichern sollte. Dabei hat sich, vornehmlich unter dem Eindruck des Prager Kommunistenputsches, die Überzeugung durchgesetzt, dass das Muster des Dünkirchener Vertrages, der seine schmale Basis in einem Sicherungsvertrage gegen Deutschland hat, der heutigen Lage in keiner Weise mehr entspricht, da Deutschland, ob man das wünscht oder nicht, doch die erste Linie jeder Verteidigung Westeuropas darstellt."
Nicht nur der "Zeit"-Kommentator sah die Deutschen 1948 schon wieder an vorderster Front. In der nun folgenden Konfrontation mit der Sowjetunion wurde die Spaltung des Landes nur vertieft, gegen jede Annäherung setzten sich Sicherheitsinteressen durch - so, wie es der von den Nazis verfolgte und drangsalierte Victor Klemperer bereits geahnt hatte: Im Februar 1947, der Pakt von Dünkirchen war noch nicht einmal unterzeichnet, notierte der Dresdner Romanist auf der anderen Seite des gerade noch durchlässigen Eisernen Vorhangs:
"Der Europaverlag in Freiburg richtet eine Rundfrage an mich: der französische Zonenkommandant erbittet eine Denkschrift über Annäherungsmöglichkeiten, wirtschaftliche und geistige, zwischen Deutschland und Frankreich. Ich werde mich sehr kurz und skeptisch fassen: wie können wir geistige Annäherung predigen, wenn Ihr uns um der sûreté – der Sicherheit - willen abwürgt?!"