Theo Geers: Seit 2002 gehört der Tierschutz in diesem Land zu den Staatszielen, so steht es auch in Artikel 20a des Grundgesetzes. Doch Papier ist geduldig – das wissen Hühner, Puten oder auch Sauen, die unsere Bauern in Massentierställe pferchen, wohl am besten. Es bleibt also auch in Sachen Tierschutz noch etliches zu tun, und das hat sich Thomas Schröder vorgenommen, denn Thomas Schröder ist am Wochenende zum neuen Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes gewählt worden. Und jetzt ist er bei uns am Telefon. Guten Tag, Herr Schröder!
Thomas Schröder: Hallo, Herr Geers!
Geers: Herr Schröder, eine große Aufgabe, die Sie sich vorgenommen haben, ist eine Reform des Tierschutzgesetzes. Es gehört ja nun wenig Fantasie dazu, dass sie mehr Tierschutz, besseren Tierschutz wollen. Was wollen Sie genau?
Schröder: Wir müssen zuerst einmal noch klarstellen, dass das Staatsziel Tierschutz wirklich in keinster Weise bisher im Tierschutzgesetz Niederschlag gefunden hat. Wir haben jedes Jahr 20 Millionen Ferkel, die ohne Betäubung kastriert werden, wir haben Millionen von Geflügeltieren, bei denen die Schwänze kupiert werden, noch viel Schlimmeres mit den Tieren gemacht wird, und das alles ist nach Tierschutzgesetz legal, quasi sanktioniert durchs Gesetz. Und wenn ich dann das Staatsziel Tierschutz nehme: Wir haben als Tierschützer keine Möglichkeit heutzutage zu klagen, wenn uns nicht selbst die Tiere gehören, also wie bei solchen Mastställen, wenn dort Probleme sind. Wir brauchen also eine Verbandsklage, damit wir auch als Verband das Staatsziel Tierschutz einfordern können. Das geht auf Basis des Tierschutzgesetzes bisher eben leider nicht.
Geers: Sie sprechen von Verbandsklagerecht. Nun scheinen ja auch die deutschen Bauern den Tierschutz neu zu entdecken. In der letzten Woche war zu hören, dass die Bauern, die derzeit noch einen Massentierstall nach dem anderen aus dem ländlichen Boden stampfen, dass auch die letztlich nach neuen Lösungen suchen. Der Deutsche Bauernverband sagte, Stichworte seien – wie sie gerade auch sagten – das Kastrieren von nicht betäubten männlichen Ferkeln, das Kupieren von Schwänzen, das Kürzen von Schnäbeln und so weiter. Was sagen Sie denn dazu? Glauben Sie das den Bauern?
Schröder: Also ich würde gerne unterscheiden zwischen Bauern und Funktionären. Jetzt reden wir über die Funktionäre wie Herrn Sonnleitner oder sein Generalsekretär Born, die ankündigen, dass sie neu nachdenken wollen. Da bin ich froh drüber, aber ich habe die Bedenken, dass sie an kleinen Symptomen rumdoktern wollen, indem sie nämlich bei der unbetäubten Kastration von Ferkeln Zugeständnisse machen, aber immer wieder auf die EU verschieben – man muss also weite Regelungen haben, nicht nur national –, und dann tun sie so, als hätten sie was gefordert und getan, was dem Tierschutz entspricht. Es muss durchgreifend gehandelt werden. Wir haben in den Dunkelstallhaltungen der Landwirtschaft systemimmanente Probleme, die Haltungssysteme passen nicht zu den Tieren, und die Tiere werden hinein manipuliert. Das Zugeständnis, dass man was verändern muss, ist gut, aber mir fehlt noch die Tat, und die muss ich natürlich heute einfordern.
Geers: Welche Taten müssten denn folgen, Ihrer Meinung nach?
Schröder: Wir brauchen sofort ein Verbot der unbetäubten Ferkelkastration. Es gibt andere Methoden zumindest zu betäuben, bevor diese Ferkel vom Landwirt selber kastriert werden – es ist ja nicht mal ein Tierarzt beteiligt heutzutage –, das ist das Mindeste. Und wir brauchen zum Beispiel einen Tierschutz-TÜV, der Haltungssysteme kontrolliert und zertifiziert, die wirklich auf das Tier passen und nicht in das Tier hinein manipuliert wird, und ich wäre natürlich froh, wenn der Herr Sonnleitner auch irgendwann mal erklärt, dass er Großindustrieanlagen mit 80.000 Schweinen in einer Anlage in einzelnen Bundesländern, 20.000 Schweine am Tag in einen Schlachthof – dafür wird der Schlachthof so groß ausgebaut –, das alles muss Herr Sonnleitner mal öffentlich ablehnen. Da hält er sich immer noch zu sehr zurück.
Geers: Wie schätzen Sie denn das politische Klima ein, wenn Sie sagen, wir brauchen sofort Änderungen im Tierschutzgesetz? Wie schätzen Sie das politische Klima ein, dass Sie mit diesen Forderungen durchkommen?
Schröder: Das politische Klima ist sicherlich schwierig. Frau Aigner, habe ich das Gefühl, will etwas tun, aber sie findet die Mehrheiten nicht in ihrer eigenen Fraktion, in ihrer eigenen Partei. Nur nehmen wir das Thema Tierversuche: Die EU hat eine neue Verordnung gebracht, die die Tierversuche neu regeln muss. Das heißt, das Tierschutzgesetz muss aufgemacht werden, weil die EU bis 2012 eine Angleichung des nationalen Rechts will. Insofern muss Frau Aigner an das Tierschutzgesetz herangehen dieses Jahr. Und bevor es Stückwerk wird, setzen wir darauf, dass sie durchgreifend handelt.
Geers: Eine Frage noch, Herr Schröder: Wünsche haben Sie auch an die notorisch klammen Städte und Gemeinden. Die kassieren viele Millionen Euro an Hundesteuern, aber für Tierheime gibt es kein Geld.
Schröder: Da habe ich wirklich eine scharfe Kritik in Richtung der Kommunen zu sagen: Die übernehmen in den Tierheimen ganz viele staatliche Aufgaben und erhalten dafür in keiner Weise kostendeckende Erstattung. Und wenn ich sehe, dass die Kommunen allein jedes Jahr über 250 Millionen Euro an Hundesteuer einnehmen, aber für die Tierheime nichts in den Kommunen überbleibt, dann geht das so nicht. Deswegen fordern wir einen Rettungsschirm für Sofortinvestitionen in die Tierheimarbeit, denn sonst bricht uns der Tierschutz in der Fläche zusammen.
Geers: Deutschland braucht ein neues Tierschutzgesetz, und wenn die Bauern in puncto Massentierhaltung Besserung geloben, ist auch das zu begrüßen. Das sagt der neu gewählte Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Vielen Dank nach Bonn!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Schröder: Hallo, Herr Geers!
Geers: Herr Schröder, eine große Aufgabe, die Sie sich vorgenommen haben, ist eine Reform des Tierschutzgesetzes. Es gehört ja nun wenig Fantasie dazu, dass sie mehr Tierschutz, besseren Tierschutz wollen. Was wollen Sie genau?
Schröder: Wir müssen zuerst einmal noch klarstellen, dass das Staatsziel Tierschutz wirklich in keinster Weise bisher im Tierschutzgesetz Niederschlag gefunden hat. Wir haben jedes Jahr 20 Millionen Ferkel, die ohne Betäubung kastriert werden, wir haben Millionen von Geflügeltieren, bei denen die Schwänze kupiert werden, noch viel Schlimmeres mit den Tieren gemacht wird, und das alles ist nach Tierschutzgesetz legal, quasi sanktioniert durchs Gesetz. Und wenn ich dann das Staatsziel Tierschutz nehme: Wir haben als Tierschützer keine Möglichkeit heutzutage zu klagen, wenn uns nicht selbst die Tiere gehören, also wie bei solchen Mastställen, wenn dort Probleme sind. Wir brauchen also eine Verbandsklage, damit wir auch als Verband das Staatsziel Tierschutz einfordern können. Das geht auf Basis des Tierschutzgesetzes bisher eben leider nicht.
Geers: Sie sprechen von Verbandsklagerecht. Nun scheinen ja auch die deutschen Bauern den Tierschutz neu zu entdecken. In der letzten Woche war zu hören, dass die Bauern, die derzeit noch einen Massentierstall nach dem anderen aus dem ländlichen Boden stampfen, dass auch die letztlich nach neuen Lösungen suchen. Der Deutsche Bauernverband sagte, Stichworte seien – wie sie gerade auch sagten – das Kastrieren von nicht betäubten männlichen Ferkeln, das Kupieren von Schwänzen, das Kürzen von Schnäbeln und so weiter. Was sagen Sie denn dazu? Glauben Sie das den Bauern?
Schröder: Also ich würde gerne unterscheiden zwischen Bauern und Funktionären. Jetzt reden wir über die Funktionäre wie Herrn Sonnleitner oder sein Generalsekretär Born, die ankündigen, dass sie neu nachdenken wollen. Da bin ich froh drüber, aber ich habe die Bedenken, dass sie an kleinen Symptomen rumdoktern wollen, indem sie nämlich bei der unbetäubten Kastration von Ferkeln Zugeständnisse machen, aber immer wieder auf die EU verschieben – man muss also weite Regelungen haben, nicht nur national –, und dann tun sie so, als hätten sie was gefordert und getan, was dem Tierschutz entspricht. Es muss durchgreifend gehandelt werden. Wir haben in den Dunkelstallhaltungen der Landwirtschaft systemimmanente Probleme, die Haltungssysteme passen nicht zu den Tieren, und die Tiere werden hinein manipuliert. Das Zugeständnis, dass man was verändern muss, ist gut, aber mir fehlt noch die Tat, und die muss ich natürlich heute einfordern.
Geers: Welche Taten müssten denn folgen, Ihrer Meinung nach?
Schröder: Wir brauchen sofort ein Verbot der unbetäubten Ferkelkastration. Es gibt andere Methoden zumindest zu betäuben, bevor diese Ferkel vom Landwirt selber kastriert werden – es ist ja nicht mal ein Tierarzt beteiligt heutzutage –, das ist das Mindeste. Und wir brauchen zum Beispiel einen Tierschutz-TÜV, der Haltungssysteme kontrolliert und zertifiziert, die wirklich auf das Tier passen und nicht in das Tier hinein manipuliert wird, und ich wäre natürlich froh, wenn der Herr Sonnleitner auch irgendwann mal erklärt, dass er Großindustrieanlagen mit 80.000 Schweinen in einer Anlage in einzelnen Bundesländern, 20.000 Schweine am Tag in einen Schlachthof – dafür wird der Schlachthof so groß ausgebaut –, das alles muss Herr Sonnleitner mal öffentlich ablehnen. Da hält er sich immer noch zu sehr zurück.
Geers: Wie schätzen Sie denn das politische Klima ein, wenn Sie sagen, wir brauchen sofort Änderungen im Tierschutzgesetz? Wie schätzen Sie das politische Klima ein, dass Sie mit diesen Forderungen durchkommen?
Schröder: Das politische Klima ist sicherlich schwierig. Frau Aigner, habe ich das Gefühl, will etwas tun, aber sie findet die Mehrheiten nicht in ihrer eigenen Fraktion, in ihrer eigenen Partei. Nur nehmen wir das Thema Tierversuche: Die EU hat eine neue Verordnung gebracht, die die Tierversuche neu regeln muss. Das heißt, das Tierschutzgesetz muss aufgemacht werden, weil die EU bis 2012 eine Angleichung des nationalen Rechts will. Insofern muss Frau Aigner an das Tierschutzgesetz herangehen dieses Jahr. Und bevor es Stückwerk wird, setzen wir darauf, dass sie durchgreifend handelt.
Geers: Eine Frage noch, Herr Schröder: Wünsche haben Sie auch an die notorisch klammen Städte und Gemeinden. Die kassieren viele Millionen Euro an Hundesteuern, aber für Tierheime gibt es kein Geld.
Schröder: Da habe ich wirklich eine scharfe Kritik in Richtung der Kommunen zu sagen: Die übernehmen in den Tierheimen ganz viele staatliche Aufgaben und erhalten dafür in keiner Weise kostendeckende Erstattung. Und wenn ich sehe, dass die Kommunen allein jedes Jahr über 250 Millionen Euro an Hundesteuer einnehmen, aber für die Tierheime nichts in den Kommunen überbleibt, dann geht das so nicht. Deswegen fordern wir einen Rettungsschirm für Sofortinvestitionen in die Tierheimarbeit, denn sonst bricht uns der Tierschutz in der Fläche zusammen.
Geers: Deutschland braucht ein neues Tierschutzgesetz, und wenn die Bauern in puncto Massentierhaltung Besserung geloben, ist auch das zu begrüßen. Das sagt der neu gewählte Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Vielen Dank nach Bonn!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.