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Schröder-Podcast "Die Agenda"
Bodennahe Gedanken

In seinem neuen Podcast "Die Agenda" plaudert Altkanzler Gerhard Schröder "über Aktuelles und Vergangenes", über sein Leben und seine Ansichten. Die Fragen werden "zärtlich dahin geduzt und intoniert", wie Arno Orzessek in seiner Kolumne beschreibt - ausgerechnet vom Ex-Regierungssprecher Béla Anda.

Von Arno Orzessek |
Altkanzler Gerhard Schröder blickt nachdenklich
Altkanzler Gerhard Schröder plaudert in seinem neuen Podcast mit Ex-Regierungssprecher Béla Anda (imago images / Eibner)
Umständehalber sind die Gespräche mit Goethe von Johann Peter Eckermann damals als Buch erschienen und nicht als Podcast – schade drum! Denn gern wüsste man: Hat Eckermann genauso devot geklungen wie Béla Anda im Podcast mit Altkanzler Gerhard Schröder? Oder stellt Anda einen neuen deutschen Schmeichel-Rekord auf?
Allein die Formulierung "Du hattest immer ein seismographisches Gefühl für die Menschen....", so zärtlich dahin geduzt und intoniert – inniger war auch Eckermann mit Goethe nimmer. Dabei hätte Anda Gründe, sich kräftiger in die Brust zu werfen als der Habenichts Eckermann. Bitte schön: Anda war unter Schröder Regierungssprecher und später Vize bei der Bild.
Schröder ist kein Goethe
Wenn damit also feststeht, dass Anda kein Eckermann ist, können wir zum wichtigsten Erkenntnisgewinn des Podcasts vorstoßen: Gerhard Schröder ist kein Goethe. Das mag den Altkanzler selbst am meisten überraschen. Hat er doch das Alter Goethes bei dessen Eckermann-Gesprächen erreicht, mehr von der Welt gesehen als der Dichterfürst und überhaupt: Er war nicht nur so'n Minister in Weimar, sondern siebter Kanzler der Bundesrepublik.
Die ersten Podcasts evozieren allerdings die Nachfrage: Wie konnte denn das passieren?
Okay, Relevantes auf Leben und Tod, wissenschaftliche Schärfe, ernste Reflexionen – dergleichen wird vom Polit-Rentner Schröder sowieso niemand verlangen. War ja nie sein Hauptfach. Aber trotzdem dürfte Schröders Palaver das Publikum spalten: In Hard-Core-Fans, die lieber 90 statt 30 Minuten zuhören würden, und die anderen, die mit ihrer Lebenszeit klug haushalten müssen.
Gespräch bei "Wasser und Kaffee"
Und was steckt nun drin im Podcast, der bei "Wasser" und "Kaffee" - gemeint ist wohl: nicht bei Bier - in Schröders Kanzlei in Hannover entsteht?
Schröder tritt dem Gerücht entgegen, Golf werde nur "von den Wohlhabenden gespielt, was bei mir nicht stimmt" - eine lustige Bemerkung des Groß-Lobbyisten, indessen die einzige.
Schröder kennt in Seoul, der Heimat seiner fünften Frau, mittlerweile tolle Ecken, "wo ich hin kann, ohne auf Schriftzeichen angewiesen zu sein" – und das mit über 70, dieser Haudegen!
Schröder hat coronahalber für alle ein nettes Wort - für Olaf "Bazooka" Scholz und Hubertus Heil, nicht weniger für Angela Merkel und Markus Söder, den er allerdings warnt: "Nur wer in den Ländern reüssiert, ist noch lange kein König von Berlin."
Und wir ergänzen: "... so, wie ich es damals war." Denn das gelingt dem brummelnden Podcaster prima: Sich trotz bodennaher Gedanken selbst immer ganz oben einzuordnen.
Neuland für Schröder
Ob es dazu nötig ist, über Donald Trump abzulästern, so verächtlich, dass man dem US-Präsidenten übers Haupthaar streicheln möchte? Eher nicht. Aber für Schröder, der lieber Briefe als Emails schreibt und von den Sozialen Medien wenig weiß, außer, dass sie nichts taugen, sind Podcasts halt Neuland.
Darum - nicht verzagen, Béla Anda: Eckermann war damals mehr als tausend Mal bei Goethe, bis alles richtig saß. Insofern kann auch "Die Agenda" noch ein superspannender Podcast werden.