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"Schüler arbeiten nun mal in einem hohen Maße mit Facebook"

Statt ein Facebook-Verbot auszusprechen, sollten die Kultusministerien Lehrer lieber über den richtigen Umgang mit sozialen Medien informieren, findet Rolf Busch, stellvertretender Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung. Er kritisiert auch, dass Lehrer nicht mal dienstliche E-Mail-Adressen bekommen.

Rolf Busch im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Hände weg von Facebook, liebe Lehrer, wenn es um schulische Angelegenheiten geht? Liegt Kultusminister Stoch damit richtig? Wir fragen Rolf Busch. Er ist der stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, der als Bildungsgewerkschaft etwa 140.000 Pädagoginnen und Pädagogen in Deutschland vertritt. Guten Tag, Herr Busch!

    Rolf Busch: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Macht die Stoch'sche Facebook-Sperre, so will ich das jetzt mal nennen, aus Lehrersicht Sinn?

    Busch: Der Datenschutz ist natürlich ein hohes Gut und er muss auch gewahrt werden. Aber ich betrachte das Ganze schon als ziemlich scheinheilig. Denn einerseits erwartet man ja von den Kultusministern immer, dass Lehrer die Schüler da abholen, wo sie sind. Und an solchen Stellen ist das also tabu. Schüler arbeiten nun mal in einem hohen Maße mit Facebook und Co., und wenn Lehrer dann nicht mehr über dieses Medium mit den Schülern arbeiten dürfen, dann ist das schon bemerkenswert.

    Maleike: Es wird ja so ein bisschen auch der Eindruck erweckt, dass Lehrer ständig posten. Welche Praxis erleben Sie denn? Welche Rolle spielt Facebook eigentlich in der Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern?

    Busch: Das lässt sich nicht verallgemeinern. Aber es gibt natürlich viele vor allem auch jüngere Lehrer, die gerne über dieses Medium mit den Schülern arbeiten wollen. Und deshalb betrachte ich jetzt dieses Verbot auch kritisch. Denn man schiebt jetzt den schwarzen Peter den Lehrern zu, statt sie ordentlich zu informieren und auch zu schützen, wenn sie solche Medien nutzen wollen, um auch die Schüler besser zu erreichen.

    Maleike: Abgrenzung Persönliches/Dienstliches, das macht ja Sinn. Wie soll das denn möglich sein. Ist das möglich überhaupt?

    Busch: Also es ist sicherlich möglich, aber auch da betrachte ich das Ganze wieder als ziemlich scheinheilig. Denn wenn man einerseits den Lehrern zum Teil gar keine dienstlichen E-Mail-Adressen zur Verfügung stellt und andererseits sagt, man soll auf den herkömmlichen Kommunikationswegen mit Eltern und Schülern in Kontakt treten, wenn es nötig ist, das ist schon sehr eigenartig. Jede Behörde, jedes Unternehmen hat heute dienstliche E-Mail-Adressen. Mir ist nicht bekannt, dass das flächendeckend in Deutschland so ist, dass Lehrer tatsächlich vom Dienstherrn eine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt bekommen. Und dieses aus meiner Sicht moderne Medium, was halt Server auch außerhalb der EU stehen hat, ist nicht anders als ein E-Mail-Programm, was ich als privates nutze und was die Server eventuell auch außerhalb der EU stehen hat.

    Maleike: Verstehen wir Sie denn richtig, dass Sie sagen, es ist eigentlich kein Problem, dass die Lehrer über Facebook posten?

    Busch: Also sicherlich muss man immer wissen, dass ein Lehrer sich in der Öffentlichkeit anders verhalten muss als vielleicht jeder andere Mensch und dass gewisse Regeln zu beachten sind. Aber hier hätte ich erwartet, dass die Kultusminister auch in Baden-Württemberg Handreichungen geben und sagen, wir erwarten, dass du dich so verhältst oder wir weisen dich darauf hin, das geht und das geht nicht. Aber jetzt so ein großes Verbot drüber zu hängen und zu sagen: Behandelt zwar die Risiken im Unterricht, aber am besten so, dass es mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat - das ist schon sehr eigenartig.

    Maleike: Herr Stoch sagt ja ganz explizit, dass er nicht von einem Verbot gesprochen habe, sondern eben nur von "einer Forderung". Aber trotzdem, wenn Sie sagen "Handreichungen" – wie sähen die denn aus? Was fordern Sie?

    Busch: Also zunächst muss man sagen: Dieser Leitfaden oder wie das auch immer genannt wird vom Ministerium, fängt damit an: Das und das ist verboten. Und dann ist es ein Verbot, da kann man sprachlich nicht viel streiten. Wir erwarten, dass man tatsächlich sagt, auf welchen Wegen geht es denn? In diesem Papier vom Ministerium steht ja auch drin, dass zum Beispiel Fanseiten für Schulen erlaubt seien. Und da ist schon wieder so eine Frage, ja, kann man denn darüber dann kommunizieren? Und die Fanseiten liegen natürlich genauso auch außerhalb der EU. Also wir haben hier ein Riesen-, Riesenthema und ich erwarte von den Dienstherren und damit von den Kultusministern, dass man den Lehrern Sicherheit gibt und ihnen was an die Hand gibt, mit dem sie arbeiten können. Diese Fragen sind alle nicht beantwortet. Und nicht nur sagt, wir verbieten einfach und damit liegt der schwarze Peter bei den Lehrern.

    Maleike: Ihre Gewerkschaftskollegen von der GEW sehen das allerdings ein bisschen anders, die begrüßen die Forderungen, weil sie sagen, die Schüler würden dadurch nicht gezwungen werden können, Facebook überhaupt zu nutzen.

    Busch: Also davon, dass Schüler gezwungen werden, Facebook zu nutzen, ist, glaube ich, nirgends die Rede. Jeder Lehrer ist gut beraten, so einen Zwang nicht zu erstellen oder aufzustellen. Also wenn ein Lehrer sinnvolle Möglichkeiten sieht und gewisse Regeln beachtet, dass also personenbezogene Daten nicht übertragen werden, aber dass er über dieses Medium zum Beispiel auch zu einer Schulveranstaltung die Einladung – ich nehme teil oder ich nehme nicht teil – verbreiten kann, da sehe ich ja wohl kein Problem. Aber diese Regelung, die jetzt da steht, verbietet praktisch so was.

    Maleike: Aber Hausaufgaben posten, ist das auch okay?

    Busch: Ja, jetzt ist die Frage, was ist mit Hausaufgaben posten? Wo ist da jetzt die Gefahr? Selbst, wenn man jetzt das aktuelle Thema mit der Bespitzelungssoftware aus Amerika sieht - ich weiß nicht, was in den Hausaufgaben jetzt für gefährliche Dinge drin stehen können. Datenschutz ist wichtig, aber ich weiß nicht, ob bei Hausaufgaben das Problem besteht. Eine andere Frage ist natürlich, wenn ich dann sage, ein Lehrer verlangt, dass die Hausaufgaben über Facebook alle Schüler erreichen. Dann habe ich ja indirekt so einen Zwang erzeugt.

    Maleike: Nordrhein-Westfalen hat jetzt als erstes Bundesland reagiert und hat gesagt, bei uns wird es das in dieser Form nicht geben. Wie ist Ihr Fazit also zum Vorstoß aus Baden-Württemberg?

    Busch: Also, er ist aus meiner Sicht überzogen, und man sollte nicht nur ein Verbot aussprechen, sondern sagen, was geht, damit Schüler und Lehrer und Eltern auch mit solchen modernen Medien arbeiten können.

    Maleike: Mein Rolf Busch, stellvertretender Bundesvorsitzender der Lehrergewerkschaft VBE zur Forderung aus Baden-Württemberg, dass Lehrer in der Kommunikation mit Schülern auf das soziale Netzwerk Facebook bitteschön verzichten sollen. Vielen Dank, Herr Busch, und Grüße nach Thüringen!

    Busch: Ich danke auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.