Dicke Luft im Klassenzimmer, die Diskussion im EU-Rat ist verfahren, aber sie muss geführt werden. Findet Carlotta Lazarus. In ihrer Rolle als rumänische Umweltministerin will sie ein Verbot für Plastiktüten:
"Ich finde, es sollte sich jedes Land auch als Ziel setzen. Vielleicht haben unterschiedliche Länder unterschiedliche Möglichkeiten, dieses Ziel durchzusetzen, aber man sollte es auf jeden Fall probieren."
Portugal, vertreten in Person von Mathis Klement, ist da anderer Meinung:
"Dass wir die Richtlinien einhalten und auch können – nicht jedes Land kann das, denn wir zum Beispiel haben zehnmillionen Einwohner und verbrauchen im Jahr pro Bürger 466 Plastiktüten. Und da ist es uns nicht möglich, dass wir in drei Jahren 30 Prozent der Plastiktüten eliminieren. Und nicht mit EU-Unterstützung."
Frankreich wiederum, vertreten im Klassenzimmer durch Pauline Jacoby, stört sich an etwas anderem. Sie findet nämlich:
"Diese Überregulierung nicht so gut. Aber ich finde, wie Belgien und Slowakei auch schon gesagt haben, die haben auch ein wirtschaftliches Problem mit den Arbeitsplätzen. Und ich finde auch die Aussage von Rumänien schwierig: Dann sind halt mal ein paar Leute arbeitslos – das finde ich eine schwierige Aussage. Weil ich meine, man muss es auch immer proportional sehen, zum Beispiel zu Deutschland. Wenn man von Deutschland einen Teil der Autoindustrie nehmen würde, könnte man nicht einfach sagen: Ja, dann sind eben ein paar Leute arbeitslos, dann müssen sie sich einen neuen Job suchen."
Professionelle Begleitung im EU-Planspiel
So oder so ähnlich läuft das in Brüssel, wenn es darum geht, ein Gesetz für die ganze EU zu verabschieden. Am Pater-Rupert-Mayer-Gymnasium Pullach bei München erleben Schülerinnen und Schüler diesen Prozess nach – in einem Planspiel. Unterstützt werden sie dabei vom Centrum für Angewandte Politikforschung der Ludwigs-Maximilians-Universität München und deren Mitarbeiterin Eva Feldmann, die den Anfang des Planspiels am Morgen so erlebt hat:
"Am Anfang Ratlosigkeit. Niemand weiß Bescheid, keiner weiß, wie die EU funktioniert, tickt. Geschweige denn, was eine Richtlinie ist. Und dann eine Dynamik, die sich entwickelt, weil ja jeder einzelne in die Verantwortung genommen ist, mit der eigenen Rolle etwas anfangen muss. Wir begleiten das mit ausgebildeten Planspielteamern, die in dem Moment in der Lage sind, auf die Fragen, die dann kommen – und das sind dann wirklich essentielle Fragen: Was mache ich eigentlich, darf ich das wirklich entscheiden, was sind meine Kompetenzen -, fachgerecht antworten können."
Perspektivwechsel im gelebten Untericht
Doch das EU-Handwerk lernen die Schüler relativ schnell:
"Wenn Sie die Schüler reden hören, Sie denken: Ups, spricht da ein Minister? Das Vokabular wird immer fachlicher. Man ringt dann wirklich um Lösungen. Und später können die Schüler nicht mehr ganz entscheiden, ob sie in der Realität oder am Planspiel sind."
Das kann auch die 18-Jährige Sophia Schnauder bestätigen. Sie spielt heute EU-Kommissarin. Sie hat den Vorschlag ins EU-Parlament und den EU-Rat eingebracht. Nun muss sie die Diskussion mitbegleiten, kein einfacher Job:
"Also es war eine recht erhitzte Diskussion bei uns. Und dort immer seine Meinung zu vertreten, war relativ schwierig, aber ich denke, dass wir zu einer guten Entscheidung kommen."
Das hört sich doch schon relativ professionell an. Und für Sozialkunde-Fachlehrerin Andrea Scheuermann ist genau dies das Ziel des EU-Planspiels: gelebter Unterricht.
"Dass sie selbst in die Rolle eines Ländervertreters schlüpfen müssen und damit auch einen Perspektivwechsel vollziehen müssen. Und das ist natürlich was vollkommen anderes, als man es im Unterricht leisten kann. Und man kann hier wesentlich tiefer in die Materie hineingehen und damit nehmen die Schüler mit allen Sinnen den Ablauf wahr."