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Schüleraustausch-Messe "Auf in die Welt"
Fernweh, Karriereplanung, Völkerverständigung

Ein Au-pair-Aufenthalt in den USA, ein Internatsbesuch in Kanada, ein "Gap Year" vor dem Studium: Auslandsaufenthalte für Schülerinnen und Schüler sind mittlerweile fast Standard - und machen sich gut auf dem Lebenslauf. Den meisten jungen Leuten ist wichtig, möglichst weit wegzufliegen.

Von Friederike Müllender |
    Aussteller und Besucher auf einer der regelmäßig veranstalteten "Auf in die Welt"-Messen
    Aussteller und Besucher auf einer der regelmäßig veranstalteten "Auf in die Welt"-Messen (Foto: Deutsche Stiftung Völkerverständigung)
    Bunte Stände stehen dicht gedrängt im Kölner Rathaus mitten in der Stadt. Große Banner versprechen High-School-Aufenthalte direkt unter der Sonne Kaliforniens, lachende junge Menschen stehen auf Plakaten vor Schulen, Universitäten und Campusgebäuden auf der ganzen Welt. Bei den Besucherinnen und Besuchern herrscht ein buntes Treiben. Martha Pauline Bienefeld weiß trotz der großen Fülle von Angeboten ganz genau, wo sie hin will - nach Irland.
    "Weil man da englisch spricht und ich denke, Englisch ist am besten für mich. Und weil ich unbedingt mit Euro bezahlen will, weil ich Geldtauschen nicht mag und weil ich denke, Irland ist ein interessantes Land."
    Die 15-jährige weiß nicht nur genau, was sie will - sie hat sich bereits gut vorbereitet:
    "Ich hab so ein Buch gekauft, wo alles drin steht darüber und dann hab ich geguckt, was bieten sie an, wie viele Leute verreisen damit, ob es Stipendien gibt, wieviel es kostet und ob es gemeinnützig ist oder nicht."
    Auslandsaufenthalt gehört einfach dazu
    Die Messe in Köln ist auch nicht die erste Messe, die sie mit ihrer Mutter besucht. Überzeugt hat sie ihre Eltern am Abendbrottisch:

    "Meine Mutter war selbst ein Jahr nach der Schule in Italien und deswegen hat sie gesagt, wenn du das machen willst, dann mach das, ich unterstütze dich mit allem. Und mein Vater hat gesagt, mach was du willst…"
    Die Aufregung und Vorfreude sind Martha Pauline deutlich anzumerken. Für viele gehört ein Auslandsaufenthalt mittlerweile einfach dazu, sagt Michael Eckstein. Er gehört zur Deutschen Stiftung Völkerverständigung und organisiert die Messe:
    "Das Interesse an den Auslandsaufenthalten ist mittlerweile nichts Exotisches mehr, sondern fast schon Standard. Die Frage, ob und wie es geht, ist heute die Frage, die junge Leute betrifft. Das ist eine Frage, wie das Schulsystem gerade reformiert wird. G8 hat da zu heftigen Einbrüchen und Verschiebungen geführt: Das gefühlte Bedürfnis, alles schneller im Leben zu erledigen, weswegen so ein Schüleraustausch von einem Jahr inzwischen als sehr lang angesehen wird. Und das ist natürlich die große Anzahl von Programmen, die angeboten wird, für nach der Schulzeit."
    Am liebsten möglichst weit weg
    Und das ist längst nicht mehr nur "Work and Travel" durch Australien, fast auf der ganzen Welt gibt es Angebote für Schulabgänger: ein freiwilliger Dienst, Au Pair oder ein Vorbereitungssemester. Das klassische Auslandsjahr in den USA wurde abgelöst von einem halben Jahr, drei Monaten oder vier Wochen Highschool irgendwo in der Welt und am besten möglichst weit weg.
    "Das, was England vor 20 Jahren vielleicht noch mega-spektakulär war, ist jetzt eine lahme Nummer. Jetzt muss es sehr weit weg sein und der Flieger muss mindestens 18 Stunden in der Luft sein, sonst war man nicht richtig weg."
    Sagt Kathrin Brinkmaier von der Organisation Voluntas, die zum Deutschen Roten Kreuz gehört. Seit 15 Jahren arbeitet sie bereits für die Organisation, informiert auf Messen oder gibt Elternabende.
    "Ich glaube, dass der Druck höher geworden ist, das Ausland irgendwie im Lebenslauf stehen soll, das spüre ich schon, die Gespräche werden anders, manchmal auch so nach dem Motto, was bringt mir das? Aber das ist was, was vor ein paar Jahren noch nicht so aufkam."
    Pluspunkt im Lebenslauf
    Ein Auslandsaufenthalt als Pluspunkt für den Lebenslauf - häufig schwingt dieser Gedanke mit, denn nach Schule, Studium oder Ausbildung wird es für viele auf der Arbeit international, sagt Michael Eckstein:
    "Nicht nur, weil man kaum noch einen Job bekommt, der nicht einen internationalen Bezug hat. Man muss ja nicht in Amerika arbeiten, um mit Kunden oder Lieferanten zu tun zu haben, die dort ihren Sitz haben. Wenn man weiß, wie andere Menschen denken und ticken, dann ist das Leben einfacher; du vielleicht auch erfolgreicher.
    Auch der 14-jährige Paul Stawinoga ist gemeinsam mit seinen Eltern auf der Messe. Kurz vor Messeschluss hält er einen großen Batzen Infobroschüren in der Hand.
    "Es hat auf jeden Fall was gebracht, da war ein Stand, die haben sich sehr auf die sportliche Förderung bezogen, das wäre halt was für mich, weil der Betreiber des Standes viele Kontakte zu Privatschulen hat, wo man hin könnte, wo man was aushandeln könnte. Ich spiele selber Rugby, würde aber auch Football ausprobieren. Da kann man bestimmt was mit machen."
    Seine beiden Schwestern haben bereits Auslandserfahrung. Jetzt will er auch. Wenn Paul es sich aussuchen dürfte, dann am liebsten in die USA.
    Besser miteinander auskommen
    Bei all den persönlichen Erfahrungen, dem "Über–sich-Hinauswachsen", den neuen Sprachkenntnissen und dem Plus für den Lebenslauf steht für Michael Eckstein aber vor allem eines im Vordergrund beim Auslandsaufenthalt:
    "Wenn man sich gut kennt, kommt man auch besser miteinander aus. Persönlich, aber auch Völker miteinander. Und dass diese Frage wieder aktueller geworden ist, hat ja mit der rauer gewordenen internationalen Lage zu tun. Wir fördern den Schüleraustausch schon fast seit zwanzig Jahren - dass er so aktuell unter diesem Gesichtspunkt wird, war uns noch gar nicht so bewusst."