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Schüsse von Ferguson
Amerika fragt sich: Why?

Wie erklärt man einem 10-Jährigen, dass ein weißer Polizist nicht ins Gefängnis muss, wenn er einen unbewaffneten Schwarzen erschießt? Solche Fragen werden derzeit in den USA diskutiert. Die Medien sind voll von - teils sehr persönlichen - Berichten.

    Eine Demonstrantin gegen die Gewalt in Ferguson, aufgenommen in New York
    In New York und anderen Städten demonstrieren zahlreiche Menschen gegen die Gewalt gegen Schwarze. (picture alliance / dpa / Justin Lane)
    "Mein Sohn will eine Antwort. Er ist zehn Jahre alt, ein schwarzer behüteter Junge, und er will, dass ich ihm sage, dass er sich keine Sorgen machen muss."
    So beginnt die amerikanische Juristin und Bürgerrechtlerin Michelle Alexander ihren sehr persönlichen Bericht über die Gewalt von Ferguson in der "New York Times". Schon in früheren Veröffentlichungen hat sie die Auffassung vertreten, dass nach den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre heute wieder eine systematische Diskriminierung von Afro-Amerikanern in den USA vorherrscht.
    In der "New York Times" schreibt sie, ihre Erfahrung als Juristin lehre sie, dass der weiße Polizist in Ferguson nicht ins Gefängnis gehen werde. Das Rechtsystem sei verkorkst. Deshalb sei es wahrscheinlicher, dass ein armer Bürger für ein geringfügiges Verbrechen eine lange Haftstrafe absitzen müsse als dass ein Polizist für die Tötung eines Schwarzen auch nur angeklagt werde.
    Der Journalist Elzie "LZ" Granderson beschreibt auf CNN seine Erfahrungen mit dem sogenannten "racial profiling", also der gezielten Durchsuchung von Afro-Amerikanern durch die Polizei:
    "Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich von der Polizei angehalten worden bin. Aber ich erinnere mich genau an den Tag, an dem zum ersten Mal ein Polizist seine Waffe auf mich richtete. Ich war 12 und ging mit einem Liter Milch von einem Laden nach Hause. Er sagte, ich sähe aus wie jemand, den sie suchten. Offenbar sehe ich noch heute so aus."
    "Amerika hat ein Rassenproblem"
    "Amerika hat ein Rassenproblem", schreibt die "Washington Post" in einem Kommentar. "Aber das Gesicht zu diesem Problem ist nicht Darren Wilson (der weiße Polizist aus Ferguson, d. Red.). Das Gesicht ist das von Bob McCulloch" - der Staatsanwalt, der entschied, den Fall einer mehrheitlich aus Weißen zusammengesetzten "Grand Jury" vorzulegen - die dann entschied, Wilson nicht vor Gericht zu stellen.
    Währenddessen gehen in den USA die Proteste gegen Rassismus weiter. Bei einem Gedenkgottesdienst in New York beteten die Eltern des erschossenen jungen Mannes aus Ferguson, Michael Brown, zusammen mit anderen Angehörigen von Polizeiopfern. Aufgerufen zu dem Gottesdienst einen Tag vor dem Erntedankfest hatte der Bürgerrechtler und Pfarrer Al Sharpton.
    In London demonstrierten am Mittwochabend rund 500 Menschen vor der US-Botschaft gegen das aus ihrer Sicht parteiische Justizsystem in den Vereinigten Staaten. Viele Teilnehmer der Kundgebung trugen Kerzen, mit einer Schweigeminute gedachten sie der Opfer von Polizeigewalt weltweit.
    (lob)