Stefan Römermann: Die Wirtschaftsauskunftei Schufa sammelt hierzulande fleißig Daten über Verbraucher: Welche Girokonten, Kreditkarten, Haus- oder Dispokredite oder Mobilfunkverträge jemand hat – und natürlich besonders wichtig: Gab es in der Vergangenheit schon mal Zahlungsschwierigkeiten. Zusammen mit anderen Daten, beispielsweise Alter, Wohnort und Geschlecht, errechnet die Schufa daraus unter anderem sogenannte Score-Werte. Sie sollen angeben, wie hoch das Risiko ist, dass ich beispielsweise einen Kredit nicht zurückzahlen kann. Wie diese Berechnung funktioniert, ist allerdings ein streng gehütetes Betriebsgeheimnis. Eine Frau aus Hessen will das allerdings nicht hinnehmen und hat die Schufa verklagt.
Mein Kollege Dieter Nürnberger hat sich mit dem Fall beschäftigt.
Herr Nürnberger, worum geht es denn genau in dem Fall?
Dieter Nürnberger: Es ist ein ganz alltäglicher Fall, der da nun dem Bundesgerichtshof zur Klärung übergeben wurde. Es geht um eine Angestellte aus Hessen, die sich vor über zwei Jahren einen Kleinwagen zulegen wollte - per Leasingvertrag. Allerdings kam das Geschäft nicht zustande, weil die Bank die Finanzierung ablehnte und sich dabei auf eine nicht positive Schufa-Bewertung berief. Die verdutzte Angestellte wollte dies aber nicht auf sich berufen lassen, wollte Genaueres von der Schufa erfahren. Und laut Bundesdatenschutzgesetz haben ja Auskunfteien wie die Schufa auch eine Auskunftspflicht. Die kostenpflichtige Antwort allerdings befriedigte die Kundin überhaupt nicht: zu allgemein, nicht konkret genug. Und deshalb leitete die Frau juristische Schritte ein - allerdings wies das Amtsgericht und später das Landgericht in Gießen die Klage ab, ließ aber die Revision vor dem BGH zu.
Römermann: Warum will die Schufa denn ihre Methoden nicht offenlegen?
Nürnberger: Man muss wissen: Die Schufa ist eine privatwirtschaftliche Auskunftei, eine Aktiengesellschaft, hier sind über 65 Millionen Bürger mit ihren Daten erfasst. Und zu den Aktionären gehören überwiegend Unternehmen der Kreditwirtschaft und des Handels. Geschäftszweck der Schufa ist es somit, ihre Vertragspartner vor Kreditausfällen zu schützen. Die Schufa ist die Nummer eins unter den deutschen Auskunfteien. In der Tat beruft man sich auch auf das Geschäfts- oder Unternehmensgeheimnis - denn wiedie Bonitäts-Bewertung letztendlich zustande kommt, nach welchem konkreten Berechnungssystem oder Berechnungsschlüssel- das müsse man nicht preisgeben. Man habe der Kundin aber gesagt, welche Daten eingeflossen sind. Wie gesagt, der Kundin reicht das nicht, sie will einzelfallbezogen, nachvollziehbar und allgemein verständlich darüber Auskunft haben.
Römermann: Gibt es denn Daten oder wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie genau und verlässlich solche Score-Werte tatsächlich Risiken voraussagen? Das klingt ja erstmal ziemlich nach Wahrsagerei und Glaskugel.
Nürnberger: Statistische Berechnungen haben stets Fehlerquoten. Auch im konkreten Fall aus Hessen, kam es beispielsweise zuerst zu einer Falschauskunft, weil es wohl eine Namensverwechslung gegeben hatte.
Der Score-Wert setzt sich übrigens nicht nur aus personenbezogenen Daten zusammen. Also nicht nur aus beispielsweise individuellen Kontodaten etc., sondern auch aus generellen, statistischen Erhebungen - welche Zahlungsmoral haben zum Beispiel Männer, 40 Jahre alt, die in einer Großstadt in einem bestimmten Stadtteil leben usw.
Fakt ist, dass Verbraucherschützer den Auskunfteien schon öfter bescheinigt haben, dass sie dem Bürger nur unzureichend Auskunft geben. So zeigte eine Stichprobe des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes 2011, dass in rund der Hälfte der Fälle falsche oder veraltete Informationen auftauchen. Denn Nachteil hätten die Verbraucher, weil sie eventuell eben keinen Kredit bekämen.
Römermann: Gibt es denn überhaupt irgendeine Stelle, die diese Rechenmethoden überprüft? Oder darf die Schufa da letztlich machen, was sie will?
Nürnberger: Genau diese Frage habe ich auch dem Datenschutzbeauftragen in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, gestellt. Das Bundesdatenschutzgesetz sieht eine Kontrolle vor, aber die Antwort von Thilo Weichert verrät auch, dass dies in der Praxis schwierig ist.
Eine effektive Kontrolle ist für uns als Aufsichtsbehörden nicht möglich. Diese Methoden im Einzelfall zu überprüfen ist wahnsinnig schwierig, aber grundsätzlich die Aktivitäten von Schufa und anderen in Frage zu stellen, ist angesichts der Kapazitäten, besonders der personellen, absolut unmöglich.
Weichert hofft, dass ein Urteil des BGH nun etwas mehr Verbindlichkeit bringt, auch zugunsten des Verbraucherschutzes. Das Gericht muss entscheiden, wo genau die Grenze verläuft zwischen dem Auskunftsanspruch der Bürger und dem Recht auf Geheimhaltung von Unternehmen.