Wer in Deutschland eine Wohnung mieten, einen Kredit beantragen oder einen Handyvertrag abschließen will, ist in den meisten Fällen auf die Schufa angewiesen. Die „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“, Deutschlands größte Auskunftei, verfügt über die Daten von rund 68 Millionen Menschen und bewertet auf dieser Grundlage deren Kreditwürdigkeit.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat der Schufa nun eine deutliche Rüge erteilt und damit die Rechte von Verbrauchern gestärkt. Ausgangspunkt waren gleich zwei Fälle aus Deutschland.
Wie funktioniert das Scoring-System der Schufa?
Banken, Telekommunikationsdienstleister oder Energieversorger fragen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa nach der Kreditwürdigkeit einer Person. Die Schufa liefert dann eine Einschätzung, den sogenannten Score-Wert. Der soll zeigen, wie gut der Betreffende seine Zahlungsverpflichtung erfüllt.
Je höher der Score, desto besser für den Betreffenden: Dann schätzt die Schufa die Wahrscheinlichkeit höher ein, dass er seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen wird.
Ein niedriger Score sagt aus, dass der Betreffende nach Schufa-Einschätzung seinen Verpflichtungen eher nicht nachkommen wird. Stützen sich Unternehmen auf diese Einschätzung, kann das dazu führen, dass sie mit der Person keinen Vertrag abschließen.
Was hat der Europäische Gerichtshof entschieden?
Mit seinem Urteil am 7. Dezember 2023 hat das höchste europäische Gericht der Verwendung des Schufa-Scores enge Grenzen gesetzt. Die Luxemburger Richter stellten klar: Ist der auf der Grundlage automatisch gesammelter Daten erstellte Score das einzige Kriterium, von dem ein Vertragsabschluss abhängt, verstößt das gegen die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Konkret ging es um den Artikel 22 der DSGVO, der ein Verbot von automatisierten Entscheidungen vorsieht, in diesem Fall also das Scoring. Eine Maschine solle nicht über einen Menschen entscheiden, erklärten die Richter.
Der EuGH entschied außerdem, dass private Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa Daten über die Restschuldbefreiung nach einer Privatinsolvenz nicht länger speichern dürfen als das öffentliche Insolvenzregister. Die Schufa hatte ihre eigene Speicherfrist allerdings schon im März von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt und damit an das öffentliche Verzeichnis angepasst.
Die Schufa reagierte damit auf ein Gutachten des Generalanwalts am EuGH aus dem März, das die längere Speicherfrist bereits kritisch bewertet hatte.
Warum war es zum Verfahren vor dem EuGH gekommen?
Hintergrund der Entscheidungen des EuGH waren zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen hatte eine Frau vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geklagt, der wegen eines niedrigen Schufa-Scores ein Kredit verwehrt worden war. Sie forderte die Schufa auf, einen Eintrag zu löschen und ihr Zugang zu den Daten gewähren.
Die Schufa teilte der Frau jedoch lediglich ihren Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung mit, nicht aber die genaue Berechnungsmethode. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte Zweifel, ob die Geschäftspraxis der Schufa mit europäischen Datenschutzstandards vereinbar ist und legte den Fall daher dem EuGH vor, der nun im Sinne der Klägerin entschied.
Die EU-Richter argumentierten, dass in diesem konkreten Fall davon ausgegangen werden müsse, dass die Entscheidung gegen die Kreditvergabe allein auf Grund des Scores der Klägerin gefallen sei. Somit verstoße das Verfahren gegen die DSGVO.
Im zweiten Fall ging es um die Speicherung von Daten aus öffentlichen Verzeichnissen, wie etwa Insolvenzregistern. Der EuGH musste entscheiden, ob die Schufa Daten zu Verbraucherinsolvenzen verwerten und noch länger speichern darf als die Gerichte. Dieser Praxis schoben die Richter nun einen Riegel vor.
Welche Auswirkungen hat das Urteil?
Noch sind die Auswirkungen nicht absehbar. Das europäische Recht erlaubt auch nationale Sonderregeln, die mehr Datenspeicherung zulassen. Die EU-Richter halten es aber für sehr gut möglich, dass das deutsche Gesetz gegen die Grundsätze des europäischen Rechts verstößt, weil es die Menschen nicht genug schützt.
Was Verbraucher jetzt genau tun können, werde sich noch zeigen müssen, sagte Michael Möller von der Bürgerbewegung Finanzwende im Deutschlandfunk, "weil deutsche Gerichte noch ausführen müssen, was die Entscheidung aus Luxemburg konkret bedeutet".
Was sind die Reaktionen auf das Urteil?
"Das Urteil ist eine gute Nachricht für die Verbraucher und ein schwerer Schlag gegen die Schufa", sagte Michael Möller von der Bürgerbewegung Finanzwende. "Ihre Praxis ist nicht okay, und es wird sich etwas ändern müssen. Im besten Fall wird die 'Black Box Schufa' künftig durchsichtig."
Aus Sicht von Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hat der EuGH die Verbraucherrechte beim Scoring gestärkt. "Mit dem Urteil wird der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher erweitert: Wer einen Vertrag abschließen will, muss sich darauf verlassen können, dass dieser nicht maßgeblich durch eine Maschine abgelehnt wird", sagte sie.
Für den Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte Michaela Schröder als Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik das Urteil. Es sei "ein erster wichtiger Schritt für einen starken Verbraucherschutz beim Bonitäts-Scoring".
Auch die Schufa selbst reagierte positiv: Das Urteil sorge für Klarheit, wie die Scores in den Entscheidungsprozessen von Unternehmen im Sinne der DSGVO verwendet werden dürfen. "Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind", teilte die Schufa nach dem Urteil mit.
mick