Archiv


Schulabschluss in der Freizeit

Flirtkurs, Computertrainig oder Spanischunterricht: Volkshochschulen bieten ein vielfältiges Unterrichtsangebot. Doch immer mehr dieser Bildungseinrichtungen setzen vor allem auf berufliche Weiterbildung.

Von Susanne Schrammar |
    Zugegeben: Knapp sechs Wochen nach Kursbeginn holpert das Englisch noch ein bisschen. Aber schließlich haben die elf Umschüler noch 20 Monate Zeit bis zu ihrer IHK-Prüfung als Bürokaufleute an der VHS Hannover. Bis dahin heißt es für die Teilnehmer: Fünfmal die Woche sieben Stunden täglich im Hauptgebäude direkt gegenüber dem Rathaus die Schulbank drücken, auch jetzt in den Herbstferien. Dass sie an der Volkshochschule mit Wirtschaftsenglisch, einem EDV-Zertifikat und Tastschreiben am PC gleich drei zusätzliche Lernmodule absolvieren, auf die andere Einrichtungen verzichten, hat Umschüler wie Cem Langford und Janice Meyer nicht abgeschreckt; im Gegenteil.

    „Ich hab mit der Volkshochschule sehr gute Erfahrungen, weil ich auch andere Bildungsträger kenne, und die Volkshochschule ein sehr schön straffes Programm hat, das mir auch auf jeden Fall sehr gut gefällt und mich fordert.“

    „Allein im EDV-Bereich: Was man bisher nicht kann, lernt man halt, um fit zu werden. Englisch steigern wir uns nach und nach. Ja, es macht Spaß.“

    Knapp ein Drittel der 110.000 Unterrichtsstunden jährlich werden an der VHS Hannover im Bereich Aus- und Weiterbildung gegeben. Neben den Integrationskursen für Migranten gehören die beruflichen Qualifizierungsprogramme damit zu den Schwerpunkten der Volkshochschule. Vor allem die Zahl der jungen Menschen zwischen 20 und 25, die einen Schulabschluss nachholen wollen, ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen, sagt Diethard Heindorf, Sachgebietsleiter Schule und Beruf an der VHS Hannover. Der zweite Bildungsweg gehört damit zu den am meisten nachgefragten Angeboten.

    „Wir bieten schwerpunktmäßig die Möglichkeit an, Hauptschulabschlüsse und Realschulabschlüsse nachzuholen in einjähriger beziehungsweise zweijähriger Dauer. Und etwa zwischen 250 und 300 Personen bekommen mit unserer Hilfe jährlich einen Schulabschluss.“

    Das entspreche einer Erfolgsquote von 82 Prozent, sagt Heindorf. Ähnlich viele Teilnehmer absolvieren in der VHS Hannover die Alphabetisierungskurse. Doch da viele der Menschen, die nicht lesen und schreiben könnten, gleichzeitig auch kein Deutsch sprächen, sei es sehr schwierig, für die Elementarbildung zu werben.

    „Richtig ist – das sagen jedenfalls alle Experten –, dass die Dunkelziffer sehr groß ist. Und wir würden schon sehr gerne für diese Leute noch mehr tun. Aber sie müssen zu uns kommen. Da haben wir noch kein Patentrezept gefunden.“

    Wer sich an der VHS Hannover fit machen will für den Beruf, findet ein breites Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebot: Von der Ausbildung zur Suchtkrankenhelferin über Finanzbuchhaltung bis hin zum Webdesign. In der Regel werden die Schulungen nach europäischen Prüfungsnormen abgehalten und können mit Bescheinigungen und Zertifikaten abgeschlossen werden. Auch die zahlreichen Sprachkurse – seit Jahren unangefochten der Renner in der VHS Hannover. Allein dafür haben sich hier im vergangenen Jahr allein 13.000 von insgesamt 31.000 Teilnehmern eingeschrieben – vor allem um Englisch und Spanisch zu lernen.

    „Wir bieten 33 verschiedene Sprachen an – und darunter auch sicher Sprachen, deren Namen man nur selten hört wie Iwrit, Kiswahili. Wir hatten vor einigen Jahren auch noch Walloff, eine Sprache, die in Afrika wohl sehr verbreitet ist, Vietnamesisch und so weiter angeboten; und natürlich das Spektrum, das man erwartet an westeuropäischen Sprachen, ist bei uns voll vertreten.“

    Die kostenlose Weiterbildungsberatung der hannoverschen Volkshochschule hilft, aus der Vielzahl das passende Angebot zu finden. Welche Kurse den Weg in den Katalog finden, erzählt Sachgebietsleiter Heindorf, wird aufgrund von Erfahrungswerten und nachgefragten Trends entschieden.

    „In den letzten Jahren ist allerdings etwas ganz stark dazugekommen: Es hat eine Ökonomisierung der Weiterbildung stattgefunden. Wir achten also auch sehr stark darauf, welche Fördertöpfe für bestimmte Maßnahmen zur Verfügung stehen, diese Fördertöpfe stehen meist nur einmalig oder jedenfalls für einen geringen Zeitraum zur Verfügung. Das ist also zum dauernden Geschäft geworden, dass man guckt: Was kann man machen, was ist finanzierbar.“

    Die meisten VHS-Kursteilnehmer im Bereich Aus- und Weiterbildung sind arbeitslos. Angesichts der Wirtschaftskrise bereitet sich die Volkshochschule Hannover darauf vor, das Angebot im nächsten Jahr auszuweiten. Doch bislang, sagt Dieter Wuttig, Fachbereichsleiter Bildung und Qualifizierung der Stadt Hannover, sei die Nachfrage nicht gestiegen. Auch von der Konjunkturkrise betroffene Betriebe hätten die Weiterbildungsmöglichkeiten der Volkshochschule Hannover noch nicht erkannt.

    „Da findet wenig statt, weil ich glaube, nach wie vor ist es so, dass die betriebliche Welt mit den entsprechenden sozialen Sicherungssystemen des Kurzarbeitergeldes und, und, und noch eine eigene Welt ist. Es gibt natürlich betriebsinterne Fortbildungen, aber auch da ist das Potenzial aus meiner Sicht nicht ausgeschöpft. Und die Chancen, die sich da ergeben können, in der Kooperation zwischen Bildungsträgern und Betrieben, die sind im Grunde genommen, noch gar nicht genutzt.“

    Eine der größten Aufgaben für die Volkshochschule in der nächsten Zeit, sagt Fachbereichsleiter Wuttig, sei es, die Menschen aus ihrer Bildungsbequemlichkeit zu locken. Vor allem im Bereich politische Bildung gäbe es große Defizite, die die Massenmedien allein nicht wettmachen könnten. Dafür müssten die Volkshochschulen auch eine Art Bildungsmarketing betreiben.

    „Wir werden noch mehr Bildungsbedarf initiieren müssen. Weil ich glaube, dass die Lethargie der Menschen überhand nehmen wird. Wir müssen dagegensteuern. Wir müssen Lust auf Bildung machen.“