Noch immer hören ihre Freundinnen schockiert zu, wenn Falmata ihnen vom schlimmsten Monat in ihrem Leben erzählt. Sie ist eines von einhundert Mädchen, die Mitte Februar von der Terrorgruppe Boko Haram entführt wurden. Die ganze Zeit waren sie unterwegs, überquerten Flüsse. Immer wieder donnerten Kampfjets über die Gruppe, dann versteckten sie sich verängstigt unter Bäumen.
"Irgendwann haben wir versucht, wegzurennen, insgesamt neun von uns. Wir waren einen ganzen Tag im Busch unterwegs. Nach ein paar Stunden haben wir einige Frauen in einem Dorf getroffen. Sie haben uns gefragt, wo wollt ihr hin? Wir haben ihnen gesagt: zurück zu unseren Eltern, bitte helft uns. Sie haben uns ausgelacht - denn es waren die Frauen der Boko-Haram-Kämpfer."
Bei der Rückkehr wurden die Mädchen mit Stockschlägen bestraft. Erst nach einem Monat in Gefangenschaft wurden sie nach Verhandlungen mit der Regierung freigelassen - mittlerweile hat am selben Ort der Entführung die Schule wieder begonnen.
"Irgendwann haben wir versucht, wegzurennen, insgesamt neun von uns. Wir waren einen ganzen Tag im Busch unterwegs. Nach ein paar Stunden haben wir einige Frauen in einem Dorf getroffen. Sie haben uns gefragt, wo wollt ihr hin? Wir haben ihnen gesagt: zurück zu unseren Eltern, bitte helft uns. Sie haben uns ausgelacht - denn es waren die Frauen der Boko-Haram-Kämpfer."
Bei der Rückkehr wurden die Mädchen mit Stockschlägen bestraft. Erst nach einem Monat in Gefangenschaft wurden sie nach Verhandlungen mit der Regierung freigelassen - mittlerweile hat am selben Ort der Entführung die Schule wieder begonnen.
In ihrer pinken Schuluniform sitzt Falmata jetzt vor einem der heruntergekommenen Räume des Internats. Eigentlich wollte sie nie wieder hier hin - doch die Eltern drängten sie dazu. Einmal hat sie sogar versucht, aus der Schule wegzurennen.
"Aber mein Vater hat gesagt: Warum habe ich so viel Geld für deine Bildung ausgegeben, wenn du jetzt alles hinschmeißen willst? Denk darüber nach - sonst hast du all die Jahre verschwendet. Denk an deine Zukunft, das wird dir helfen. Also habe ich mich entschlossen, wieder zur Schule zu gehen."
"Aber mein Vater hat gesagt: Warum habe ich so viel Geld für deine Bildung ausgegeben, wenn du jetzt alles hinschmeißen willst? Denk darüber nach - sonst hast du all die Jahre verschwendet. Denk an deine Zukunft, das wird dir helfen. Also habe ich mich entschlossen, wieder zur Schule zu gehen."
Immer noch Angst vor der Schule
Doch längst nicht alle Schülerinnen trauen sich, den Unterricht wieder zu besuchen. Vor dem Angriff gingen mehr als 900 Mädchen in die Schule - jetzt sind es nur noch ein Drittel. Insgesamt 10,5 Millionen Kinder in Nigeria gehen nicht zur Schule, sagt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF - weltweit die höchste Zahl. Besonders im Nordosten des Landes hat sich die Situation verschlimmert. Viele Schulen mussten wegen des Terrors von Boko Haram schließen. Hunderte Lehrer hat die Gruppe in den letzten Jahren getötet.
Viele in Dapchi haben noch immer Angst. Die 16-jährige Fatsuma ist eine von ihnen. Während hundert Meter weiter der Unterricht läuft, sitzt sie auf einer Bastmatte im Hof ihres Onkels.
"Ich gehe nicht in die Schule. Die Boko-Haram-Kämpfer haben uns gesagt: 'Wenn ihr wieder in die Schule geht, entführen wir euch erneut. Und für das, was dann passiert, seid ihr selbst verantwortlich'. Ich will nicht mehr in diese Schule. Wenn ich meine Bildung fortsetze, dann in einer anderen Schule."
Das Bildungsministerium des Bundesstaates behauptet, die Sicherheit der Schülerinnen in Dapchi sei wieder gewährleistet. Vor der Schule sind mittlerweile eine Handvoll Soldaten stationiert - an den Ortseingängen gibt es Checkpoints.
Das Bildungsministerium des Bundesstaates behauptet, die Sicherheit der Schülerinnen in Dapchi sei wieder gewährleistet. Vor der Schule sind mittlerweile eine Handvoll Soldaten stationiert - an den Ortseingängen gibt es Checkpoints.
Zwangsheirat statt Schule
Eine Straße weiter sitzen Aisha und ihre Schwester Falmata vor dem Familienhaus. Auch sie wurden von Boko Haram verschleppt. Falmata ist 15 Jahre jung, trägt einen roten Hijab und möchte Anwältin werden, sagt sie, um denen zu helfen, denen es nicht so gut geht. Die 14-jährige Aisha im olivgrünen Hijab sagt, dass sie Ärztin werden möchte - und lächelt. Aber warum ist sie dann nicht in der Schule?
"Ich weiß nicht - unsere Eltern haben gesagt, wir sollen erst mal abwarten."
"Ich weiß nicht - unsere Eltern haben gesagt, wir sollen erst mal abwarten."
Gerade, als wir mit ihrer Mutter darüber sprechen wollen, kommt ihr Vater Zanna Zakaria vom Freitagsgebet aus der Moschee zurück. Es wird schlagartig still. Zakaria hat sechs Kinder mit zwei Frauen. Schule? Das komme vorerst nicht in Frage - er habe bereits eine Hochzeit für beide Mädchen arrangiert.
"Schau sie dir an - sie sind reif genug, um ins Haus ihrer Ehemänner zu ziehen. Sie können nicht hierbleiben, das ist nicht unsere Tradition. Sie werden verheiratet. Und dann können die Ehemänner entscheiden, ob sie wieder zur Schule gehen. Das ist nicht mehr in meinen Händen."
Umgerechnet 50 bis 120 Euro bekommt hier eine Familie als Brautpreis, berichten Nachbarn.
"Schau sie dir an - sie sind reif genug, um ins Haus ihrer Ehemänner zu ziehen. Sie können nicht hierbleiben, das ist nicht unsere Tradition. Sie werden verheiratet. Und dann können die Ehemänner entscheiden, ob sie wieder zur Schule gehen. Das ist nicht mehr in meinen Händen."
Umgerechnet 50 bis 120 Euro bekommt hier eine Familie als Brautpreis, berichten Nachbarn.
Hoffen auf ein Studium
Zurück in der Schule ist die Pause vorbei, Falmata geht zurück in den Unterrichtsraum. Für sie ist es das letzte Schuljahr, die Prüfungen stehen an. Falmata hofft, dass irgendjemand in ihrer Familie Geld auftreiben kann, damit sie anschließend Dapchi verlassen - und studieren kann.