"Also ich heiße Laura Eckhart. Und ich gehe auf die GSS in Tübingen, Geschwister-Scholl-Schule, in die Klasse 7b."
Und das heißt: Busfahren – jeden Tag. Denn Laura Eckhart wohnt in der Landgemeinde Waldenbuch.
"Die Schule ist 27 Kilometer und so weit weg. Hin 20 Minuten, zurück eine halbe Stunde."
Das an sich wäre ja durchaus machbar, aber: Fahren mit dem Schulbus – das geht ganz schön ins Geld.
"Zwei fahrende Kinder – jetzt zahlen wir pro Jahr so um die 2.500 Euro, was eigentlich unser Budget eh' überschreitet",
so Mutter Wiebke Eckhardt. Für sie ist auch klar: Alle vier Kinder auf die Geschwister-Scholl-Schule schicken, ein Gymnasium mit gutem Ruf – unmöglich.
"Weil die Kosten zu hoch wären. Man hat eindeutig Nachteile, wenn man auf dem Land wohnt. Dann ist es keine Bildungsgerechtigkeit."
Genauso sieht das auch Stephan Ertle, Vorstandsmitglied im Landeselternbeirat Baden-Württemberg und Vorsitzender der Initiative "Eltern für Elternrechte":
"Diese Kostenbelastung – das hat mit Bildungsgerechtigkeit überhaupt nichts zu tun."
Kein Einzelfall
Denn: Das Beispiel der Familie Eckart aus Waldenbuch ist kein Einzelfall.
"Es gibt sicherlich auch Eltern, die über 3.000 Euro zahlen."
Damit wird für viele Kinder, die auf dem flachen Land wohnen, der Besuch eines Gymnasiums zur kostspieligen Angelegenheit. Und das können sich nicht alle Eltern leisten. Zwar überweist das Land Baden-Württemberg pro Jahr rund 195 Millionen Euro für die Finanzierung der Schülerbeförderung an die Städte und Landkreise. Zusätzlich bezahlen die Eltern weitere 200 Millionen Euro für Schulbustickets.
"Da fragt man sich natürlich: Wo bleibt das Geld? Die Transparenz ist nicht gegeben."
Unterschiedliche Regelungen
Denn, so Stephan Ertle: Im größeren Nachbarland Bayern bezahlt das Kultusministerium 320 Millionen Euro für die Schülerbeförderung. Allerdings: Für Schüler der Klassen eins bis zehn werden dort noch keine Elternbeiträge erhoben. Erst danach wird ein Eigenbeitrag von maximal 430 Euro pro Familie und Jahr fällig. Letztlich also fließt im kleineren Baden-Württemberg durch den Eigenbeitrag der Eltern erheblich mehr Geld in die Schülerbeförderung als in Bayern – bei weniger Schülern. Die Erklärung:
"Die Landkreise sind nicht verpflichtet, das Geld für die Schülerbeförderung auszugeben. Und dann können Sie sich vorstellen: Wenn ein Landkreis einige defizitäre Kliniken finanzieren muss, dass dann schnell mal einige Millionen aus dem Topf der Schülerbeförderung dahin fließen."
Kampf gegen die Ungerechtigkeit
Das wollen Elternvertreter Stephan Ertle und seine Mitstreiter nicht mehr länger hinnehmen: Mit einem Musterprozess, den ein betroffener Schüler mit Unterstützung der Elterninitiative gegen den Landkreis Tübingen anstrengt, sollen die Eigenbeiträge der Eltern an der Schülerbeförderung auch in Baden-Württemberg gekippt werden.
De Landkreis Tübingen selbst hält sich derzeit mit Stellungnahmen dazu zurück: schließlich stehe ein Verwaltungsgerichtsverfahren an. Ohnehin hält es die Initiative "Eltern für Elternrechte" auf lange Frist für wichtig, eine bundesweit einheitliche Regelung durchzusetzen, auf dem Weg zu einem bundesweiten "Mehr" an Bildungsgerechtigkeit:
"Wir haben es in den Bundeselternrat getragen."
So Brigitte Reuther, ebenfalls im Vorstand von "Eltern für Elternrechte" mit dabei. Dort arbeiten die Mitglieder erst einmal an einer Bestandsaufnahme: Hessen, Bayern, Rheinlandpfalz und Nordrhein-Westfalen gelten als Musterländer, die den Eltern bei der Schülerbeförderung finanziell deutlich besser unter die Arme greifen als beispielsweise Baden-Württemberg.
Dort erklärt sich im Übrigen das Kultusministerium auf Anfrage schlichtweg nicht zuständig: Die Schülerbeförderung sei Sache der Städte und Gemeinden.
Das ist für Stephan Ertle zusätzlicher Ansporn, gegen die hohen Eigenanteile der Eltern vorzugehen. Neben dem Musterprozess hat er dazu noch eine andere Idee:
"Im südlichen Baden – da haben wir überlegt, ob die Eltern alle ihre Kinder zuhause lassen. Um dann über die Schulleitung feststellen zu lassen, dass die Eltern der Schulpflicht nicht nachkommen, damit die Kinder eine Beförderung zur Schule kriegen – und zwar durch die Polizei. Und da können Sie überlegen, mit welchem schwarzen Humor mittlerweile diese Verzweiflung der Eltern angegangen wird."