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Schuldenschnitt
Oettinger: Keine neuen Angebote für Griechenland

Die Entscheidung der griechischen Wähler werde respektiert, sagte der EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) im DLF. Doch müsse der Wahlsieger Alexis Tsipras auch wissen, dass die Politik und die Angebote gegenüber Griechenland sich nicht verändern werden.

Günther Oettinger im Gespräch mit Silvia Engels |
    EU-Digitalkommissar Günther Oettinger
    EU-Kommissar Günther Oettinger (dpa / picture-alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Ab März brauche Griechenland eine neue Finanzierung, so der EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Oettinger. Die Gespräche seien bereits weitgehend mit der Troika und der Regierung in Griechenland fertiggestellt gewesen. "Wir werden das Angebot nicht verschlechtern, aber auch nicht verändern."
    "Griechenland braucht Europa", betonte er. Niemand wolle das Griechenland aussteige. Ein Ausstieg aus der Eurozone wäre für beide Seiten riskant. Im Interesse Griechenlands und der Europäischen Union sollte man alles tun, um die vorbereiteten Verträge abzuschließen und keine hohen Risiken einzugehen.
    Einen möglichen Schuldenschnitt, wie ihn der griechische Wahlsieger Alexis Tsipras für sein Land fordert, schloss Oettinger ebenfalls wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aus. Dies wäre ein falsches Signal für andere Schuldner, wie zum Beispiel in Portugal.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Zehn Millionen Wahlberechtigte waren gestern in Griechenland aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Abstimmung ergab einen klaren Sieger: Alexis Tsipras, Spitzenkandidat des Linksbündnisses Syriza. Er wird wohl neuer Ministerpräsident von Griechenland. Der 40-Jährige hat knallharte Forderungen: 60 Prozent der griechischen Schulden, knapp 190 Milliarden Euro wären das, sie sollen erlassen werden. Den Löwenanteil müssten davon die EU-Staaten streichen. Am Telefon ist nun EU-Kommissar Günther Oettinger. Guten Morgen.
    Günther Oettinger: Guten Morgen.
    Schulz: Ist für Sie die Wahl der Griechen ein Albtraum?
    Oettinger: Nein! Wir respektieren in jedem Mitgliedsstaat die Entscheidung der Wähler und arbeiten mit jeder danach demokratisch gewählten beauftragten Regierung zusammen, so auch mit der neuen in Athen. Allerdings muss die Regierung dort wissen, dass wir unsere Politik und unsere Angebot nicht verändern. Wir werden mit ihm nicht schlechter und auch nicht besser verhandeln.
    "Griechenland braucht Europa"
    Engels: Was entgegnen Sie Tsipras auf dessen Forderung: 60 Prozent Schuldenerlass?
    Oettinger: Wir haben ja langjährige Pakete für die Finanzierung des Haushalts der Griechen mit ganz geringen Zinsen, mit einer Laufzeit, die jahrzehntelang ist. Die werden wir wieder anbieten. Es braucht ein neues Paket, die Griechen brauchen ab 1. März eine neue Finanzierung. Und die ganzen Gespräche waren ja weitgehend schon mit der Troika und der Regierung in Griechenland fertiggestellt. Wir werden das Angebot nicht verschlechtern, aber auch nicht verändern, und werden ihm anbieten, auf der Grundlage wieder mit uns zu verhandeln und dann klar zu werden. Ich glaube, dass er in den nächsten Tagen sehen muss, dass sein Land diese Finanzierung braucht, dass Griechenland Europa braucht und umgekehrt wir nicht wegen einer Wahl unsere Position verändern können.
    Engels: Sie werden das Angebot nicht verändern, sagen Sie, wenn es um die Bedingungen neuer Hilfen für Griechenland geht. Gibt es denn irgendetwas, wo Sie ihm entgegenkommen, beispielsweise in der Rückzahlungsfrist?
    Oettinger: Schon bisher hatten wir in der Laufzeit gewisse Flexibilität. Schon bisher hatten wir bei den Zinsen alles getan, was machbar ist. Das bieten wir ihm an. Wir werden genau das anbieten, was wir auch der jetzigen Regierung in der Vorbereitung des Pakets angeboten haben. Nicht weniger und nicht mehr.
    "Rauszugehen wäre der schlechtere Weg"
    Engels: Heißt das umgekehrt, dass Griechenland aus dem Euro-Raum ausscheiden müsste, wenn Tsipras auf dieser harten Forderung des Schuldenerlasses besteht?
    Oettinger: Wir bauen darauf, dass er die Realität erkennt, dass er sieht, dass wir viel für ihn tun, dass wir sein Land behalten wollen. Niemand will, dass Griechenland aussteigt. Aber er muss dann diese Angebote prüfen und, ich glaube, auch akzeptieren, wenn er weiß, dass rauszugehen der schlechtere Weg wäre.
    Engels: Könnte denn die Euro-Zone es überstehen, wenn Griechenland aus der Euro-Zone aussteigt?
    Oettinger: Das streben wir nicht an. Das wäre riskant für beide Seiten und ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen dieser Regierung, der neuen Regierung zeigen können, dass unser Angebot gut ist und dass unser Angebot besser ist als jeder Weg außerhalb der Euro-Zone.
    Engels: Was würde es denn für Deutschland bedeuten, wenn Griechenland aus der Euro-Zone ausscheiden würde, oder Herr Tsipras doch erfolgreich ist mit seiner Forderung nach Schuldenschnitt?
    Oettinger: Die Märkte beobachten ja die ganze Entwicklung und deswegen: Griechenland zu halten, ist im Interesse aller Seiten, im Interesse Griechenlands und in unserem Interesse. Denn alles andere würde den Märkten ein Zeichen setzen, dass wir Schulden und Kredite infrage stellen, dass wir die Gläubiger praktisch damit nicht stabil halten. Und deswegen nochmals: Im Interesse Griechenlands und der Europäischen Union sollten wir alles tun, um die vorbereiteten Verträge jetzt abzuverhandeln und dann abzuschließen und nicht irgendwas zu machen, was hohe Risiken birgt.
    "Schuldenschnitt wäre falsches Zeichen"
    Engels: Viele Syriza-Vertreter haben auf der anderen Seite gerade mit Blick auf Deutschland gesagt, Deutschland müsse ohnehin zahlen. Entweder man verliere alle Ansprüche gegenüber Griechenland, wenn Griechenland aussteigen würde; auf der anderen Seite wäre ein Schuldenschnitt auch etwas, wo Deutschland zahlen müsste, aber man würde weniger Geld verlieren. Ist an der Argumentation nicht etwas dran?
    Oettinger: Wir zahlen jetzt schon, indem wir ganz geringe Zinsen anbieten, indem wir den Griechen eine lange Laufzeit anbieten. Das machen wir. Aber ich glaube, wenn wir Schulden streichen würden, würden wir in Richtung Portugal oder auch Irland, in Richtung Zypern oder auch Spanien das falsche Zeichen setzen. Die Griechen haben unsere Partnerschaft verdient, aber sie müssen wissen, dass sie weiterhin das leisten müssen, was sie auch leisten sollten, nämlich ihre Schulden zu stemmen und in vielen, vielen Jahren zurückzuzahlen.
    Engels: Andererseits könnte man ja auch sagen, man könne auch den Sparkurs gegenüber Portugal oder Irland etwas lockern und dementsprechendes auch für Griechenland leichter machen, oder?
    Oettinger: Damit würden wir aber die Leistung derer, die solidarisch sind, überfordern. Wir haben ja immer zwei Aufgaben: einerseits zu helfen, andererseits darauf aufzupassen, dass jeder seine Pflichten erfüllt. Und ich glaube, dass wir mit langen Laufzeiten und geringen Zinsen solidarisch sind und trotzdem dann denen, die diese Angebote bekommen, etwas zumuten, was sie auch leisten können.
    Engels: Günther Oettinger, EU-Kommissar in Brüssel. Vielen Dank für das Gespräch.
    Oettinger: Danke auch. Guten Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.