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Schuldenstreit mit Griechenland
Die Zweifel an einer Einigung wachsen

Im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern wird die Zeit für eine Einigung immer knapper. Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte Griechenland unbedingt im Euro halten - doch in der Union teilt längst nicht mehr jeder die Meinung der Kanzlerin.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras informieren am 23.03.2015 bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Berlin über ihr vorangegangenes Gespräch. Tsipras befindet sich zu seinem Antrittsbesuch in der deutschen Hauptstadt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    Für Wolfgang Schäuble tickt die Uhr schon seit Monaten. In einem vertraut badischen Zungenschlag hatte der Bundesfinanzminister bereits im Februar erklärt: "Am 28., 24 Uhr, isch over."
    Es war dann erst einmal doch nicht "over", am 28. Februar. Stattdessen wurde das milliardenschwere Hilfsprogramm für Griechenland um vier Monate verlängert, und läuft nun in wenigen Tagen, am 30. Juni, aus. In Brüssel und Berlin steigt die Nervosität. In Athen versucht Finanzminister Yannis Varoufakis hingegen, Gelassenheit auszustrahlen: "Vertraut uns!" ruft er der Kanzlerin heute in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" entgegen. Angela Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert erinnert jedoch daran, "dass Solidarität immer im Gegenzug zu Eigenverantwortung geleistet wird. Die Hilfe der Europäer kann es nur geben, wenn Griechenland eigene Reformanstrengungen macht." So Seibert am Freitag.
    EU-Parlamentspräsident spielt den Ball zurück an die Griechen
    Athen sieht derweil die Kanzlerin am Zuge: Angela Merkel, so schreibt Varoufakis in der FAS, stehe vor der Wahl: Sie könne in eine "ehrenvolle Einigung" eintreten, oder die einzige griechische Regierung über Bord werfen, die prinzipientreu sei. Der Finanzminister meint den Sondergipfel, bei dem die Staats- und Regierungschefs der Eurozone morgen Abend erneut beraten wollen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spielt den Ball zurück an die Griechen: Sie seien jetzt in der Pflicht, auch gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung: "Die griechische Regierung hat nicht nur eine Verantwortung für die innere Befriedung der Regierungspartei. Sondern sie hat eine Verantwortung für das gesamte Volk. Man kann nur an diese Verantwortung appellieren", so Schulz, am Rande des SPD-Konvents in Berlin.
    Auch im Bundestag werden die Zweifel an einer Einigung immer größer: "Wer Griechenland um jeden Preis im Euro behalten will, wird den Euro und Europa zerstören", fürchtet der Abgeordnete Hans Michelbach. Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion ist dagegen, das zweite Rettungspaket für Athen noch einmal zu verlängern. Vielmehr sei ein Grexit für die Eurozone durchaus verkraftbar, so Michelbach. SPD-Chef Sigmar Gabriel schließt sich hingegen der Sichtweise der Kanzlerin an: "Wir wollen alles dafür tun, dass Griechenland im Euro bleibt. Aber das kann nicht bedingungslos erfolgen."
    Die Geldgeber fordern Strukturreformen
    Um die Staatspleite in Griechenland zu verhindern, fordern die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds vor allem eines von Athen: nämlich Strukturreformen im Rentensystem und bei der Mehrwertsteuer. Yannis Varoufakis lehnt das in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und spricht von "unsinnigen Krediten der europäischen Steuerzahler" die nur ein "kurzfristiges Heilmittel" seien. Einfach nur das Geld zu nehmen und die Krise in die Zukunft zu strecken, dafür sei er nicht gewählt worden, so Varoufakis. In Berlin ist Sigmar Gabriel indes besorgt über den politischen Schaden, der unter anderem auch durch die Griechenland-Krise in Europa entstanden sei: "Wir leben in einer Situation, wo zum ersten Mal seit Gründung der Europäischen Union wir eine Bewegung in Desintegration haben. Wir halten das für eine Riesengefahr."
    Sollte Athen aber doch noch rechtzeitig vor Ende Juni Reformen zusagen, könnte die Schuldenkrise zumindest entschärft werden. Im Falle weiterer Milliardenzahlungen an Griechenland müssten darüber allerdings erneut auch einige Parlamente in den Euro-Staaten abstimmen, darunter auch der Deutsche Bundestag.