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Schuldenstreit mit Griechenland
Eine Spur Optimismus

Kurz vor Toreschluss lieferte die Regierung aus Athen die von ihr erwarteten Reformpläne, Premier Alexis Tsipras sieht seine Bringschuld damit erfüllt. Angela Merkel dagegen spricht nach dem Sondergipfel von Brüssel nur von einem Fortschritt - und viel Arbeit, die noch zu leisten sei.

Von Annette Riedel, Brüssel | 23.06.2015
    Die Bundeskanzlerin sitzt in einem gelb-grünen Kostüm an einem blauen Pult vor einem blauen Hintergrund; auf Pult und Hintergrund steh jeweils "Europäische Union". Die Kanzlerin gestikuliert mit der Hand.
    Bundeskanzlerin Merkel gibt nach dem Eurozonen-Sondergipfel in Brüssel am 22.6.2015 eine Pressekonferenz. (AFP / Emmanuel Dunand)
    Eine Spur Optimismus, dass es doch noch rechtzeitig zu einer Übereinkunft zwischen Athen und seinen Gläubigern kommt, machte sich in der Nacht in Brüssel nach dem Euro-Sondergipfel breit. Aber sicher war die Bundeskanzlerin keineswegs. "Ob das gelingt, kann ich Ihnen heute nicht sagen. Angestrebt wird es, aber ich kann mich nicht festlegen, ob das gelingt."
    Merkel: "Ein gewisser Fortschritt"
    Es gäbe noch sehr viel, in nur noch sehr kurzer Zeit zu tun, warnte Angela Merkel: "Das, was Griechenland heute vorgelegt hat, ist ein gewisser Fortschritt, aber es ist in der Diskussion auch klargeworden, dass noch sehr viel Arbeit zu leisten ist und dass die Zeit dafür sehr kurz ist und dass deshalb unglaublich konzentriert gearbeitet werden muss."
    Das heißt konkret, dass die drei Institutionen, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission, bis Mittwochabend die Reform-Vorschläge, die Griechenland Montag-Nacht auf den Tisch gelegt hat, im Detail prüfen werden. Dazu hatten sie gestern bis zum dem Sondergipfel vorgeschalteten Treffen der Euro-Finanzminister nicht ausreichend Zeit. Bleiben die Institutionen nach eingehender Prüfung bei ihrer heutigen grundsätzlichen Einschätzung, dass die Pläne für eine Übereinkunft ausreichen, dann werden sie eine entsprechende Empfehlung an die Eurogruppe gehen. Ein weiteres, für Mittwochabend angesetztes Sonder-Treffen der Euro-Finanzminister wird dann über die Tragfähigkeit der griechischen Pläne zu beschließen haben. Beim regulären EU-Gipfel am Donnerstag könnten die Staats- und Regierungschefs im Falle diese Falles einer möglichen Vereinbarung ohne weitere Debatten ihren Segen geben.
    "Man muss dann eine Akzeptanz des griechischen Parlaments haben zu den beschlossenen Maßnahmen, bevor man überhaupt in nationale Parlamente hineingehen kann." Eine Verlängerung der Frist über jenen 30. Juni hinaus - der Tag, an dem die Griechenland zugesagten rund sieben Milliarden Euro ohne Einigung verfielen - eine solche Verlängerung sei nicht Gegenstand der gestrigen Beratungen gewesen, so die Bundeskanzlerin. Der griechische Premier Tsipras ging jedenfalls davon aus, dass Athen seine Bringschuld erfüllt habe. "Es ist Zeit für eine umfassende Lösung, die den Griechen wieder Wachstum in der Eurozone erlaubt, die gerecht ist und den sozialen Zusammenhalt ermöglicht."
    Einigung scheint möglicher als zuvor
    Auch wenn der gestrige Tag wieder zu keiner Einigung geführt hat, scheint sie doch wieder etwas möglicher geworden. Die Vorschläge Griechenlands seien zwar nicht neu, aber erstmals wirklich konkret, sagte EU-Ratspräsident Tusk, der zum Euro-Sondergipfel geladen hatte. "Der griechische Premierminister hat uns versichert, dass seine Regierung ernsthaft und konstruktiv arbeiten will. Alle Seiten wollen sich uneingeschränkt für eine Lösung einsetzen."
    Was jetzt konkret zur Debatte steht: Reformen im Rentensystem, die Athen bis zuletzt verwehrt hatte, genauso wie der Neustrukturierung der Mehrwertsteuer, Einsparungen im Haushalt, z.B. bei den Rüstungsausgaben. Zudem will der Staat insgesamt höhere Steuereinnahmen generieren. Über eine von Griechenland wiederholt gewünschte Umschuldung sei nicht gesprochen worden, sagte die Bundeskanzlerin, "es steht nicht zur Debatte, dass wir Schulden in dem Sinne restrukturieren, oder ähnliches".
    Auch ein mögliches weiteres Hilfspaket für Griechenland, sei nicht Gegenstand der Beratungen gewesen. EU-Kommissionspräsident Juncker gab sich überzeugt, dass bis zum Ende der Woche eine Einigung steht. "Dafür gibt es einen schlichten Grund, dass wir uns einigen müssen."