Der CSU-Landesgruppenchef im Europaparlament, Markus Ferber, verlangt von der griechischen Regierung Bewegung im Schuldenstreit.
Regierungschef Tsipras müsse sehr viel Willen mitbringen, sagte Ferber im Deutschlandfunk. Seine Regierung habe Maßnahmen rückgängig gemacht, die mit den vorangegangenen Regierungen vereinbart worden waren. Jetzt frisches Geld zu fordern für das, was schon vorher vereinbart war, werde nicht ausreichen.
Ferber kritisierte zudem die Worte des griechischen Regierungschef, nach denen der Euro-Gipfel am Montag eine Einigung bringen werde. Tsipras Strategie, den Streit auf die höchste politische Ebene zu heben, werde nicht aufgehen, meinte der CSU-Politiker. Auch die Regierungschefs würden nicht leichtfertig Geld aufs Spiel setzen. Am Ende werde eine Lösung immer auf der Ebene der Finanzminister und der Gläubiger-Institutionen mit Leben gefüllt.
Das Interview in voller Länge:
Gerd Breker: Es ist ein Auf und Ab der Gefühle in der Griechenland-Krise, so als ob ein Krimiautor das Drehbuch geschrieben hätte. Spannung bis zuletzt, auch wenn so manch einer aus dem Publikum es bald nicht mehr hören kann. Die Zeit läuft für oder gegen Griechenland, je nach Gusto. Dies scheint nun auch dem letzten Griechen klar geworden zu sein. Auch wenn es inzwischen Demonstrationen für einen Verbleib im Euro und gegen die Regierung Tsipras gibt, eine Mehrheit steht zu ihrem Ministerpräsidenten, hebt aber zur Sicherheit, solange es noch geht, sein Geld in Euro von der Bank ab, oder überweist es ins Ausland.
Alle Augen sind also gerichtet auf das Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe am Montag. Die Finanzminister-Runde gestern war wohl nicht erwachsen genug. Doch was müsste eigentlich geschehen? Was kann überhaupt geschehen auf diesem Gipfel, dass der Optimismus des Herrn Tsipras gerechtfertigt ist und das Kanzlerwort von „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" real werden soll? Wer muss was wollen, welcher Weg muss eingeschlagen werden und was geschieht im Hintergrund? Denn die Details der Verhandlungen sind sicher nicht Sache der Chefs, sondern Sache der Sherpas.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Markus Ferber. Er ist der CSU-Landesgruppenchef im Europaparlament. Guten Tag, Herr Ferber.
Markus Ferber: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Warum muss eigentlich Griechenland unbedingt im Euro bleiben, Herr Ferber?
Ferber: Ich glaube, darum geht es überhaupt nicht. Die Wahrheit ist ja, dass niemand aus dem Euro rausgeworfen werden kann. Das wäre eine souveräne Entscheidung Griechenlands, den Euro zu verlassen. Aber jede Staatspleite hat im Prinzip bisher eine Neuorganisation der Währungsfrage zum Inhalt gehabt und deswegen gehen wir alle davon aus, dass am Ende des Tages, wenn Griechenland nicht bereit, sich auf uns, auf die Geldgeber zuzubewegen, dass hier ein Ausscheiden aus dem Euro zwingend notwendig ist.
Nicht in der Lage wieder auf die Beine zu kommen
Breker: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Das wird so oder so teuer werden.
Ferber: Ja und nein. Deswegen geht es ja jetzt darum, alle Möglichkeiten noch auszuloten. Die bedeuten aber auch, dass der Hilfeempfänger bereit ist, seine Maßnahmen zu ergreifen, nämlich dauerhaft mit den eigenen Einnahmen auszukommen. Es ist schon interessant, dass wir in Griechenland ein Land vorfinden, das seit fünf Jahren unter dem Rettungsschirm ist und seit fünf Jahren nicht in der Lage ist, wieder auf eigene Beine zu kommen. Das heißt, hier liegt in der Tat der Ball im Spielfeld Griechenlands. Es ist im Interesse Griechenlands, dauerhaft wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
Breker: Wie viel Wille konkret muss denn Tsipras zeigen, Herr Ferber, damit Merkel den Weg freimachen kann für einen Verbleib im Euro?
Ferber: Er muss sehr viel Willen mitbringen. Das Schlimme ist ja, dass die neue Regierung eine Vielzahl von Maßnahmen, die die alte Regierung zum Teil halbherzig, aber immerhin angefangen hat umzusetzen, wieder rückgängig gemacht hat. Das heißt, die Voraussetzungen für das bereits bewilligte Geld sind gar nicht mehr da. Und uns dann zu verkaufen, ich mach wieder das, was vorher schon vereinbart war, und dafür bekomme ich frisches Geld, wird nicht ausreichen.
Was damals richtig war ist heute nicht falsch
Breker: Wenn der Internationale Währungsfonds nicht mitmacht, wackelt die Unions-Mehrheit im Bundestag, wackelt überhaupt die Griechenland-Rettung?
Ferber: Ich denke, der Internationale Währungsfonds muss hier mit dabei bleiben, muss im Boot bleiben. Der Internationale Währungsfonds ist ja ausdrücklich dafür geschaffen worden, Staaten in Schieflagen zu helfen. Der Internationale Währungsfonds verfügt über das rechtliche Instrumentarium, auch entsprechend tätig zu werden, was die Sanierung von Haushalten betrifft, und insofern war es von Anfang an richtig, dass Bundeskanzlerin Merkel darauf gepocht hat, dass der Internationale Währungsfonds in die Rettungsschirme und Rettungspakete in Europa eingebunden ist. Was damals richtig war ist heute nicht falsch. Es ist genauso richtig, weiterhin darauf zu drängen, dass der IWF im Boot bleibt.
Breker: Nun sind gestern die Finanzminister der Eurogruppe, also die Fachminister, die in der Sache arbeiten, gescheitert. Wenn wir jetzt auf den Gipfel am Montag gucken, wo die politische Führung dann beraten wird, wird es eine politische Lösung werden?
Ferber: Am Ende wird ja dort auch keine politische Lösung gefunden werden können, die nicht dann wieder von den Finanzministern mit Leben zu erfüllen ist und durch die Institutionen, die früher Troika hießen, auch geprüft werden. Das heißt, die Strategie von Herrn Tsipras, man muss es nur auf die möglichst höchste Ebene heben, das Problem, und dann würden die Anforderungen runtergehen, wird nicht aufgehen, weil keine Ebene, weder die Finanzminister noch die Staats- und Regierungschefs, hier leichtfertig das Geld der Steuerzahler aufs Spiel setzen können oder dürfen, und deswegen würde eine Einigung der Staats- und Regierungschefs ja nur bedeuten, dass die Finanzminister wieder Details auszuarbeiten haben, die EZB, IWF und Europäische Kommission zu überprüfen haben. Also ich halte die Strategie von Herrn Tsipras, möglichst auf höchster Ebene Zusagen zu bekommen, für nicht zielführend, weil das gar nicht funktionieren kann.
Probleme, die Griechenland bis heute nicht gelöst hat
Breker: Für den Außenstehenden, Herr Ferber, hat das Ganze den Eindruck eines inszenierten Schauspiels. Wie viel Schauspielerei ist dabei?
Ferber: Ich würde sagen, auf griechischer Seite ist viel dabei, aber nicht nur Schauspielerei, sondern wirklich der erklärte Wille, es bis zum Ende zu treiben. Ich habe das ja schon mehrmals im Deutschlandfunk gesagt. So nach dem Motto, die werden uns am Ende nicht fallen lassen, auch wenn wir nichts tun. Genau das ist, was nicht stattfinden wird. Das wurde sehr umfangreich inszeniert, auch jetzt mit den Demonstrationen wieder, wo Tsipras seine Unterstützer auf die Straßen gerufen hat, um zu sagen, schaut her, das griechische Volk kann nicht mehr, ihr müsst da jetzt Zugeständnisse machen. Nur ein Land kann nur die Ausgaben sich leisten, die es sich auch leisten kann, und das sind die Probleme, die Griechenland bis heute nicht gelöst hat. Sie haben einen Staat, den sie sich nicht leisten können.
Breker: Geht es wirklich nur um Griechenland, oder wird eigentlich am Montag bei diesem Sondergipfel auch darüber verhandelt, was mit den anderen ist? Was ist mit Spanien, mit Portugal, was könnte mit Italien werden und mit Frankreich? Ist die Glaubwürdigkeit der Stabilitätspolitik sozusagen auf dem Prüfstand?
Ferber: Das spielt natürlich eine Rolle und das unterschätzt auch Herr Tsipras, dass die Länder, die durch den Weg unterm Rettungsschirm gegangen sind und erfolgreich gegangen sind, die Iren, die Spanier, die Portugiesen und die Letten, dass die natürlich keine Bereitschaft haben, jetzt hier große Zugeständnisse zu machen, weil sie selber bewiesen haben, dass es funktioniert, und das Ganze wird ja auch gekrönt durch Wahlen, die in Spanien und in Portugal heuer noch anstehen. Wir haben jetzt gerade die Dänemark-Wahl erlebt, wo es auch einen Rechtsruck gab. Das heißt, hier wird natürlich auch nüchtern darauf geachtet, dass hier keine Beschlüsse gefasst werden, die am Ende zu einer Radikalisierung nach links oder nach rechts in anderen europäischen Staaten führen werden. Insofern spielt es eine Rolle, aber es geht zunächst mal natürlich um Griechenland.
Dem Gipfel kommt eine besondere Bedeutung zu
Breker: Sie haben Dänemark erwähnt, Herr Ferber. Die Frage ist natürlich auch: Mit welchen Augen schauen die Menschen nach Europa, schauen auf den Euro? Dieses Schauspiel, was sich ihnen da bietet in der Griechenland-Krise, das kommt nicht gut an. Die Menschen wenden sich ab von Europa.
Ferber: Dessen bin ich mir bewusst und das macht mir auch große Sorgen. Darum kommt jetzt diesem Gipfel auch unter diesem Gesichtspunkt eine besondere Bedeutung zu. Wenn man aber ein bisschen genauer hinschaut, dann muss man ja doch konstatieren, dass es nicht die EU ist, die hier die Probleme macht, sondern dass es eine Regierung ist, die sich nicht an die Regeln halten will und bewusst die Geldgeber provoziert und in den letzten Monaten extrem provoziert hat. Und dass dies dauerhaft kein Erfolgsmodell ist, um die Solidarität der anderen Geldgeber zu bekommen, ich glaube, das hat sich mittlerweile auch schon in Griechenland herumgesprochen.
Breker: Herr Ferber, aus Ihrer Erfahrung - Sie sind ja schon länger im Europaparlament -, ist das, was wir am Montag erleben werden, wirklich die letzte Chance, die allerletzte Chance? Und was kommt dann?
Ferber: Wir sind schon an einem Zeitpunkt angelangt, wo es sehr dünn wird. Griechenland ist zahlungsunfähig. Griechenland hat es aber wieder geschafft, vor wenigen Tagen eine Anleihe zu platzieren mit 13 Wochen Laufzeit und 2,5 Prozent Zinsen. Griechenland wird dauerhaft aber dieses Modell auch nicht wählen können, weil es die Schuldenlast nur wieder nach oben treibt und irgendwann auch Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds das zwangsläufig unterbinden müssen. Insofern sind wir schon im fünften Akt des Dramas angekommen. Ob aber wirklich schon das Finale am Montag bevorsteht, da wage ich wirklich keine Prognose.
Breker: Herr Ferber, wagen Sie denn eine Prognose, ob am Ende Griechenland im Euroraum bleibt?
Ferber: Das ist eine Option, aber das ist nicht mehr die zwingende Option. Wir haben uns, was die anderen Eurostaaten betrifft, mittlerweile so weit organisiert, dass wir uns abschirmen können und dass das Risiko, Griechenland scheidet aus dem Euro aus, keinen Schaden in anderen Eurostaaten auslöst.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Einschätzung von Markus Ferber. Er ist der Chef der CSU-Landesgruppe im Europaparlament. Herr Ferber, ich danke für dieses Gespräch.
Ferber: Gerne, Herr Breker.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.