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Schuldirektoren dringend gesucht

Schuldirektoren waren früher angesehene Pädagogen, die jede Menge Respekt und Hochachtung genossen. Diese Zeiten sind vorbei. Zwischen 350 und 400 Grund- und Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen haben keine Schulleitung. Doch die Rahmenbedingungen machen den Posten so unattraktiv, dass sich Lehrer kaum für dieses Amt bewerben - selbst wenn sie eigentlich wollten.

Von Solveig Bader | 29.03.2008
    Die Hauptschule Bochold in Essen: Anfang nächsten Jahres geht der langjährige Schulleiter in den Ruhestand. Die stellvertretende Chefin Annegret Beyer könnte dann auf seinen Posten aufrücken. Aber die 50-Jährige will nicht.

    "Nein, so wie meine Stimmung im Moment ist, werde ich mich auch nicht bewerben. Finanziell wäre es vollkommen unattraktiv für mich, weil es sich einfach nicht lohnt."

    Rund 500 Euro brutto hätte Annegret Beyer als Schulleiterin jeden Monat mehr im Portemonnaie. Doch das höhere Gehalt bekäme sie nicht sofort, sondern erst nach 18 Monaten im Amt. Das schreibt die sogenannte "Beförderungssperre" der Landesregierung vor. Das schreckt viele Lehrer ab, aufzusteigen, kritisiert Henner Höcker vom GEW-Stadtverband in Essen.

    "Das ist reine Sparpolitik, das ist Willkür des Dienstherrn über Beamten, die nicht streiken dürfen, die sich nicht wehren können im tariflichen Sinne, und dann kann der Dienst ja sagen: Ich habe Schulden, ich kann nicht mehr zahlen, dann wird das so umgesetzt."

    Das neue Schulgesetz hat noch einen Haken für Schulleiter, meint Henner Höcker. Frühere Schulchefs waren in der Regel unkündbar. Heute werden sie zunächst nur für eine begrenzte Zeit von der Schulkonferenz gewählt. Damit will das Schulministerium die Eigenverantwortung der Schulen stärken. Aber für Schulleiter sei diese Regelung ein Hemmschuh, so Henner Höcker.

    "Jetzt gilt er wie in einer Kleinstadt im mittleren Westen der USA, er wird als Sheriff für fünf Jahre gewählt, muss dann auf die Wiederwahl Rücksicht nehmen."

    Schulleiterin auf Zeit - dieses Risiko will Anngret Beyer nicht eingehen.

    "Nach fünf Jahren habe ich eventuell Dinge getan, die nicht gut angekommen sind, das heißt, nach fünf Jahren werde ich nicht wieder gewählt. Dann gehe ich als ganz normale Lehrerin wieder ins Kollegium. Das möchte ich nicht."

    Das Schulministerium will den Posten des Schulleiters wieder attraktiver machen. Vor allem in Bezirken, die unter Schülerschwund leiden, bieten sich neue Herausforderungen, meint Jörg Harm, Pressereferent beim Schulministerium NRW:

    "Die Situation in den Hauptschulen und Grundschulen vor allen Dingen ist so, dass wir da die Möglichkeit bieten, Grundschulverbünde zu bilden. Kleinere Grundschulen können zusammengelegt werden, um ein wohnortnahes Angebot zu erhalten. Dadurch erhöht sich die Schülerzahl in der Schule und damit auch die Besoldung der Schulleiter."

    Das heißt: Ein Schulleiter oder eine Schulleiterin soll zwei Schulen gleichzeitig managen. Sind dort insgesamt mehr als 360 Schüler, erhöht sich das Gehalt. Zum Beispiel eine 45-jährige Leiterin einer Grundschule, verheiratet mit zwei Kindern, bekommt rund 750 Euro mehr im Monat. Außerdem werden ihr statt sechs neun Unterrichtsstunden erlassen. Henner Höcker von der GEW hält dieses Angebot für unzumutbar.

    "Das ist unerträglich im Alltag. Man ist hier nicht da und da nicht da, das heißt, wenn es an einer Schule Probleme gibt, ist mit Sicherheit der Schulleiter gerade nicht da."

    Hinzu kommt, dass die Belastung eines Schulleiters immer größer wird. Diese Erfahrung macht zumindest die Hauptschule Bochold in Essen. Neben dem Unterricht muss der tägliche Papierkrieg bewältigt und E-Mails müssen beantwortet werden. Das muss der Schulleiter häufig selbst erledigen, weil die Sekretärin nur zweimal in der Woche da ist. Bei Krankmeldungen der Lehrer muss er die Unterrichtspläne umorganisieren, und wenn etwas kaputtgeht, müssen Handwerker bestellt werden – und:

    "Gleichzeitig wird die Schulsituation schwieriger, wie wir alle wissen, die Schüler werden nicht einfacher, die Familiensysteme brechen weg, sodass ein Belastungsprofil auf Schulleitungen zukommt, dass man jeden, der sich dort bewirbt, mit großer Hochachtung wertschätzen sollte."

    Allein mit mehr Geld könne man Lehrer für den Chefposten deshalb nicht mehr begeistern, meint Henner Höcker, sondern:

    "Die Attraktivität der Position kann nur gestärkt werden dadurch, dass Belastungen, die von außen, sprich von den Schulträgern und vom Land, auf die einzelnen Schulen zugewälzt werden, reduziert werden. Es muss Bürokratieabbau stattfinden, bevor diese Bürokratiewellen wieder neu in die Sekretariate und die Amtszimmer geschwemmt werden."

    Konrektorin Annegret Beyer würde gerne Chefin an ihrer Schule werden. Aber unter den derzeitigen Rahmenbedingungen will sie von diesem Amt erst einmal die Finger lassen.

    "Wenn ich mir andere Berufe ansehe, wie da Managementaufgaben honoriert werden, kann ich mir auf gut Deutsch nur sagen: Du bist absolut verrückt, wenn du das machst."