In den Beratungsstellen kennen sie das Phänomen schon: Wenn Betroffene die Briefumschläge mit Rechnungen, Zahlungsaufforderungen und Mahnungen ungeöffnet in Schubladen verschwinden lassen – statt sich rechtzeitig Hilfe zu suchen.
"Dieses Thema Schulden haben, ist nach wie vor immer sehr stark schambesetzt."
"Die Realität sieht so aus, dass viele Klienten tatsächlich sich erst dann melden, wenn der Gerichtsvollzieher sich angemeldet hat."
Zahl der überschuldeten Menschen steigt
Wenn Schuldnerberater dagegen früh mit Vermietern und Gläubigern verhandeln können, dann gelingt es oft zu verhindern, dass der Schuldenberg immer weiter wächst.
Das zeigt auch die Studie: Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist die Zahl der harten Überschuldungsfälle mit Gerichtsvollzieher, Pfändung und Zwangsvollstreckung zurückgegangen.
Trotzdem ist die Zahl der überschuldeten Menschen insgesamt zum fünften Mal in Folge gestiegen. Sieben Millionen Menschen können im Moment nicht mehr ihre Rechnungen bezahlen. Michael Bretz, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Auskunftei Creditreform.
"Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass sich vor allem Zunahmen zeigen bei der sogenannten leichten Verschuldung. Und ein Haupttreiber dieser Überschuldung ist der Konsum. Es gibt billigen Kredit, das sollte man nicht vergessen. Die ganzen Portale werben damit. Mit null Prozent. Das sind natürliche Anreize, es mit Krediten auch im Konsumentenbereich wie bei Urlauben zu versuchen."
Mietkosten werden zum Risiko
Wenn dann überraschend Schicksalsschläge dazu kommen wie Krankheit, Unfälle, Scheidung oder Arbeitslosigkeit – wird es bei vielen schnell eng. Denn andere Kosten laufen ja weiter oder steigen sogar drastisch. Wie die Miete.
"Wohn- und Mietkosten in deutschen Städten werden immer mehr zum Überschuldungsrisiko."
Und das ist neu, warnt Henning Rödl, der die die Verschuldung der Verbraucher seit Jahreszehnten für die Auskunftei beobachtet. Bei immer mehr Haushalten, auch in Klein und Mittelstädten, sagt er, gehe schon ein Drittel des Einkommens fürs Wohnen drauf.
"Das trifft insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen."
Wie Alleinerziehende, Studenten oder Familien.
"Die Überschuldung kommt nicht mehr nur vom Rand. Also von denen, die am Rand dahin leben oder vegetieren, sondern durchaus aus der Mitte unserer Gesellschaft. Ein nachhaltiger Rückgang der Probleme in 2019, den halten wir nicht für möglich."
Neu: verschuldete Senioren
Das gilt besonders für die Problemregionen im Norden und im Westen Deutschlands. In Städten wie Bremerhaven, Wuppertal oder auch im Ruhrgebiet, da gebe es Bezirke, da ändere selbst eine gute Lage auf dem Arbeitsmarkt nur wenig, sagen die Experten.
"Im Norden jeweils von Essen oder Dortmund, haben wir Überschuldungsquoten in einzelnen Regionen von 30 bis 35 Prozent. Auf gut Deutsch: Von 100 Mann sind da 30 oder 35 in Kalamitäten."
Im Schnitt haben Betroffene 30.000 Euro Schulden. Sehr viel mehr ist es meist bei Rentnern. Noch ein Trend, der den Fachleuten sorgen macht: Während die Zahl der jüngeren Verschuldeten erfreulicherweise zurückging, ist die Zahl der verschuldeten über Siebzigjährigen rasant gestiegen. Das sei gefährlich, denn allein mit ihrer Rente hätten die meisten kaum eine Chance, ihre Schulden wieder loszuwerden. Nicht nur wegen der steigenden Mieten.