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Schule und Coronavirus
KMK-Präsidentin: Schüler sollen ihr Abitur in diesem Jahr ablegen können

Die Schulen in Deutschland sind wegen der Coronakrise geschlossen. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Stefanie Hubig (SPD) sieht die Zulassung von Abiturienten zu Hochschulen jedoch nicht in Gefahr. Ziel sei es, dass die Schüler ihr Abitur "in der einen oder anderen Form" bis Herbst ablegten.

Stefanie Hubig im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Die Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, Stefanie Hubig
Schülerinnen und Schüler sollen "keine Nachteile haben von dieser Situation insgesamt", so die KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (dpa/Andreas Arnold)
Regulärer Unterricht findet nicht mehr statt, kaum noch Abiturprüfungen werden abgelegt - wegen der Corona-Epidemie sind flächendeckend Schulen geschlossen, meist bis zum Ende der Osterferien. Besonders betroffen von den Schulschließuungen sind derzeit die Abiturientinnen und Abiturienten. Denn viele Bundesländer haben die Abschlussprüfungen an den Schulen verschoben. Hessen etwa führt hingegen derzeit Abiturprüfungen durch.
"Ich hätte mir gewünscht, dass wir etwas enger beieinander geblieben wären. Nun sind einzelne Länder vorgeprescht", sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz Stefanie Hubig (SPD) im Dlf-Interview. Die Bundesländer seien aber trotzdem in enger Abstimmung untereinander.
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Hubig (SPD) spricht von einer insgesamt schwierigen Situation für alle Bundesländer. Doch Schülerinnen und Schülern solle dadurch kein Nachteil entstehen. "Die Prüfungen, insbesondere die Abiturprüfungen, werden gegenseitig anerkannt werden, egal wie sie am Ende zustande kommen."

Jörg Münchenberg: Frau Hubig 43.000 Schulen sind derzeit in Deutschland geschlossen. Wie schwierig ist die Lage? Welche Rückmeldungen bekommen Sie?
Stefanie Hubig: Wir sehen nach dieser ersten Woche der Schulschließungen, dass das im Großen und Ganzen gut funktioniert hat. An der einen oder anderen Stelle rumpelt es noch ein bisschen, das ist klar, aber da steuern wir nach. Aber im Großen und Ganzen ist die letzte Woche richtig gut gelaufen, und das liegt vor allen Dingen auch daran, dass vor Ort Lehrerinnen und Lehrer, auch die Schülerinnen und Schüler sehr flexibel waren und sehr gut mitgearbeitet haben. Das war ganz beeindruckend.
Münchenberg: Nun klagen trotzdem viele Eltern, sie müssen sich um die Betreuung kümmern, bekommen da kaum Hilfe. Vielerorts ist auch unklar, wie der Arbeitgeber damit umgeht. Und dann müssen die Eltern plötzlich auch noch Lehrer sein, und da sind doch viele überfordert.
Hubig: Das ist für alle keine einfache Situation. Das ist gar keine Frage. Und es ist eine Situation, in der sich viele umstellen müssen. Wir sind aber dabei, dass wir gucken, dass auch Eltern mit den Paketen, sage ich mal, die Schülerinnen und Schüler bekommen, auch gut umgehen können. Auch da, wie ich gerade schon gesagt habe, muss man an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch mal nachsteuern.
Wir haben jetzt in Rheinland-Pfalz eine Empfehlung erarbeitet für diesen Online-gestützten Unterricht, die wir jetzt heute veröffentlichen werden. Da sind auch noch mal Tipps für Eltern drin, wie sie mit dieser Situation jetzt umgehen können.
"Sind in Deutschland noch nicht so weit, wie wir seien wollen"
Münchenberg: Aber digital klappt das auch nur bedingt. Entsprechende Plattformen brechen unter der Last der Anfragen zusammen. In Bayern war das System Mebis, aber auch in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gibt es erhebliche Schwierigkeiten.
Hubig: Ja. Wir haben Moodle in Rheinland-Pfalz. Das entspricht dem Mebis. Und es ist tatsächlich so, dass in den Belastungsspitzen die Systeme noch nicht komplett ausgelegt sind. Wir wissen aber, dass die Landesinstitute, die für diese Server zuständig sind, mehr Kapazitäten reingeben, und wir bitten auch die Lehrkräfte, über den Tag verteilt diese Plattformen zu nutzen. Dann funktioniert das eigentlich ganz gut.
Münchenberg: Aber zeigt das nicht auch, dass gerade die Schulen in Sachen E-Learning doch ziemlich hinterherhinken?
Hubig: Es ist unterschiedlich. Wir haben viele Schulen, die sind schon sehr weit und die haben sich auf den Weg gemacht und die haben jetzt auch eine etwas einfachere Situation als die Schulen, die da noch etwas hinten dran sind. Wir sind in Deutschland noch nicht so weit, wie wir sein wollen. Das ist klar.
Deshalb haben wir den Digitalpakt, deshalb haben wir ja auch jetzt wirklich sehr verstärkt Anstrengungen unternommen. Wir haben in Rheinland-Pfalz seit 13 Jahren "Medienkompetenz macht Schule" und merken bei vielen Schulen, dass die schon sehr weit sind. Aber nicht alle sind so weit, wie wir uns das wünschen und wie das jetzt in dieser Situation hilfreich wäre.
"Abiturprüfungen werden gegenseitig anerkannt werden"
Münchenberg: Frau Hubig, warum ist es eigentlich nicht möglich, dass sich die Bundesländer auf eine gemeinsame Vorgehensweise bei den Prüfungen bei den mittleren und auch den Abiturabschlüssen einigen?
Hubig: Ich hätte mir gewünscht, dass wir das von Anfang an getan hätten. Wir haben letzte Woche auf der Kultusminister-Konferenz, finde ich, sehr gute Beschlüsse gefasst. Wir haben gesagt, den Schülerinnen und Schülern soll kein Nachteil aus dieser Situation entstehen. Die Prüfungen, insbesondere die Abiturprüfungen werden gegenseitig anerkannt werden, egal wie sie am Ende zustande kommen, und da haben wir schon viel Einigkeit hergestellt.
Wir sehen aber auch, dass natürlich die Situation in den Ländern jetzt unterschiedlich ist. Hessen schreibt derzeit Abitur, die sind sehr früh dran; andere Länder kommen erst später. Ich hätte mir gewünscht, dass wir etwas enger beieinander geblieben wären. Nun sind einzelne Länder vorgeprescht. Wir sind aber trotzdem in enger Abstimmung untereinander. Wir telefonieren mehrfach auf Ministerebene, auf Staatssekretärsebene, um da noch viel Gemeinsamkeiten zu entwickeln und herzustellen.
"Gesundheitsseite sagt, Abiture können stattfinden"
Münchenberg: Das klingt mit Verlaub ein bisschen hilflos. Sie haben zwei Länder schon angesprochen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Die haben die Abiturprüfungen einfach nach hinten verlegt und das sorgt vielerorts eigentlich für ziemliche Verwirrung, weil sich die Abiturienten zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen fragen, was wird eigentlich jetzt aus uns.
Hubig: Die Abiturienten vor Ort sind mit ihren Schulen und die Schulen wiederum mit der Schulaufsicht und wir mit den Ministerien auch in engem Kontakt. Das bedeutet, dass die Abiturientinnen und Abiturienten auch wissen, wie es weitergeht.
Wir sind im Moment in Rheinland-Pfalz noch in der Abstimmung, in der endgültigen, wie wir die Prüfung festlegen. Das wollen wir vorher mit den Beteiligten noch einmal besprechen. Wir haben einen Plan uns gemacht und werden das dann auch entsprechend heute oder morgen verkünden.
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Münchenberg: Aber wissen faktisch Bayern und Mecklenburg-Vorpommern mehr, weil die gesagt haben, wir verlegen auf jeden Fall einen Monat nach hinten?
Hubig: Nein, die wissen nicht mehr. Aber die haben für sich die Entscheidung getroffen, die Abiturprüfung später zu machen, und das ist letztlich natürlich auch eine Abwägungsfrage, ob Sie sagen, ich mache die Abiturprüfung im Mai. Das können die Länder tun, die etwas später Ferien haben. Wir sind sehr früh mit den Ferien dran. Und ich gehe das Risiko ein, dass die Abiturprüfungen vielleicht am Ende gar nicht stattfinden können, weil die Infektionswelle sich so verändert hat, dass immer weniger Schülerinnen und Schüler antreten können.
Im Moment sagt uns die Gesundheitsseite, Abiture können stattfinden. In Rheinland-Pfalz finden in dieser Woche noch die mündlichen Prüfungen statt. Das läuft gut und es funktioniert vor Ort. Aber wir haben unterschiedliche Zeitpunkte der Abiture, weil wir auch unterschiedliche Sommerferien haben.
Hubig: Fristen an Hochschulen werden angepasst
Münchenberg: Aber unterm Strich bedeutet das, jedes Bundesland wird am Ende festlegen, wann denn nun die Prüfungen für die Mittelschulen, aber auch für die Gymnasien stattfinden?
Hubig: Das ist so. Ja, das wird im Endeffekt so passieren. Aber das Wichtige und das Zentrale ist aus meiner Sicht, dass den Schülerinnen und Schülern, egal wo sie das Abitur oder andere Prüfungen ablegen, keine Nachteile in anderen Ländern entstehen werden und auch mit Blick auf die Zulassung zur Hochschule, zur Universität wir uns schon festgelegt haben, zusammen mit den Wissenschaftsministern, dass hier die Fristen entsprechend auch angepasst werden für alle.
Münchenberg: Frau Hubig, trotzdem noch mal die Frage. In Hessen finden – Sie haben das ja vorhin noch gesagt – schon die Abiturprüfungen statt. Da ist das auch organisatorisch machbar. Warum ist das nicht in anderen Bundesländern auch möglich?
Hubig: Das muss jedes Land für sich alleine entscheiden. Wir wissen, die Hessen haben es gemacht. Andere Länder sagen, sie brauchen einfach zwei Wochen länger, weil man sich umstellt. Das ist eine schwierige Situation auch für die Schülerinnen und Schüler, ob die sich jetzt unmittelbar auf Prüfungen einstellen können. Viele wollen jetzt auch ihr Abitur ablegen, weil sie einfach auf den Punkt gelernt haben, aber es gibt auch andere, die sagen, sie sehen sich in dieser Situation nicht dazu in der Lage.
Abiturienten gehen in eime Gymnasium kurz vor Beginn des Abiturs im Fach Deutsch zu ihrem Prüfungsraum an einem Schild vorbei, auf dem "Abitur Bitte Ruhe!" steht.
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Am Ende ist es eine Abwägungsentscheidung, in die vor allen Dingen die Gesundheit einfließt, die Frage, Gesundheitsschutz, funktioniert das, und natürlich auch das Recht derjenigen, ihre Prüfung jetzt abzulegen und möglichst gut abzulegen.
Zulassung fürs Studium in diesem Jahr
Münchenberg: Die Frage ist auch noch: Was passiert? Wir erleben ja gerade, dass die Politik von Tag zu Tag neu nachjustiert. Wenn sich die Lage nicht bis Ostern beruhigt, wenn zum Beispiel selbst die neuen Termine in Bayern, 20. Mai in Sachen Abitur, nicht zu halten sind, was dann?
Hubig: Dafür bearbeiten wir gerade einen Plan B in der KMK, von dem ich mir wünsche, dass ihn dann auch alle Länder einhalten. Ich werde dafür werben, dass wir das tun. Klar ist aber wie gesagt auch: Egal wie am Ende die Abiturprüfungen zustande kommen, sie werden jeweils gegenseitig anerkannt werden. Daran werde ich auch die Kolleginnen und Kollegen immer erinnern.
Münchenberg: Aber es könnte ja faktisch auch sein, dass manche Schüler dann keine Zulassung haben für das Studium.
Hubig: Nein, sie werden eine Zulassung haben für das Studium, weil sie ihr Abitur in der einen oder anderen Form ablegen.
Münchenberg: Aber vielleicht nicht in diesem Jahr.
Hubig: Auch in diesem Jahr. Auch dafür wird es Regelungen geben. Da gibt es ein Modell, das die KMK im Moment noch unter den Ländern abstimmt, dass die Schülerinnen und Schüler – das ist unser Ziel – in diesem Jahr ihr Abitur ablegen und keine Nachteile haben von dieser Situation jetzt insgesamt, so dass sie dann auch spätestens zum Wintersemester studieren können. Das Sommersemester wird ja schwierig. Deshalb auch die Veränderung der Zulassungsfristen für die Hochschulen.
"Corona wird Schulen im Bereich der Digitalisierung einen Schub geben"
Münchenberg: Frau Hubig, zum Abschluss: Was muss die Lehre aus Corona für das Bildungswesen sein? Der Virologe Drosten hat zum Beispiel vorgeschlagen, dass man notfalls auch Schulen anders organisieren muss, Klassen kleiner macht, Räume für soziale Zusammenkünfte schließt, um die Betriebsfähigkeit der Schulen spätestens im Mai dann wieder herzustellen.
Hubig: Alle werden aus Corona lernen und aus der Situation lernen. Ich glaube, dass Corona im Bereich der Digitalisierung den Schulen einen enormen Schub geben wird, weil jetzt viele auch gezwungen sind, sich auf den Weg zu machen und viele Dinge jetzt in sehr, sehr kurzer Zeit sehr gut auf die Schiene stellen. Ich denke, auch die Frage Hygiene in den Schulen, Umgang miteinander, enge Kontakte wird eine andere werden. Wir sehen aber auch, dass die Menschen immer wieder dazu zurückkehren, dass sie soziale Wesen sind, glücklicherweise, und dass sie auch den Kontakt brauchen.
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Münchenberg: Wird es am Ende auch einen Notfallplan geben, dass man das nächste Mal besser aufgestellt ist?
Hubig: Wir haben heute schon Krisenpläne in den Schulen für Amokläufe, aber auch für Epidemien, und diese Krisenpläne werden wir uns genau angucken müssen und einfach überarbeiten und aktualisieren müssen im Lichte jetzt dieser Erfahrung, die wir jetzt gemacht haben und machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.