- Warum Psychologen Präsenzunterricht auch während der Corona-Pandemie für richtig halten
- Was die Lehrerverbände am Schulunterricht unter Corona-Bedingungen bemängeln
- Wie der Bundeselternbeirat über die Corona-Schulzeit denkt
- Was Virologen über Schule unter Corona-Bedingungen denken
- Wie Bildungsforscher den Schulstart beurteilen
Ein Virologe könne vielleicht sagen, wie man Ansteckungen am besten vermeide, aber vermutlich weniger, "was das mit Kindern macht", sagte
Neurobiologe und Psychologe Gerald Hüther von der Universität Göttingen im Dlf
. Er plädierte aus seiner Sicht als Psychologe für eine schnelle Öffnung der Schulen im Interesse der Kinder und Eltern.
Wenn das Bedürfnis eines Kindes, mit anderen Kindern zusammen zu sein, über eine so lange Zeit nicht erfüllt werden kann, habe das Kind gar keine andere Möglichkeit, als das Bedürfnis nach Kontakt und Zusammensein, nach Spielen und Spontanität in seinem Gehirn zu unterdrücken, warnte Hüther.
Das könne langfristige Folgen haben und zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen. Erwachsene könnten das aushalten, weil sie über einen viel größeren Erfahrungsschatz verfügten. Bei Kindergartenkindern etwa sei das etwas ganz anderes.
Er fühle sich ein wenig wie ein Versuchskaninchen,
sagte Heinz-Peter Meidinger
, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, im Dlf. Viele der Lehrer gehörten wegen ihres Alters oder wegen ihrer Vorerkrankungen zu den Risikogruppen. Man könne den Eindruck haben, dass an deutschen Schulen ein riesiges Experiment gestartet werde. Geht das gut, wenn alle Kinder wieder in die Schulen kommen?
Dabei läuft der Schulstart in den verschiedenen Bundesländern nicht reibungslos. So seien in NRW nicht alle Corona-Auflagen rechtzeitig zum Schulstart umgesetzt worden, so Michal Wittka-Jelen, stellvertretender Schulleiter eines Gymnasiums in Köln. "Die unvorhergesehene Situation war noch nie da, wir sind alle, die an dem Schulleben beteiligt sind, in einem Versuchsstadium", sagte er im Dlf.
Auch die Eltern sehen die Schule unter Corona-Bedingungen mit gemischten Gefühlen: Einerseits wird Schulunterricht für dringend notwendig gehalten. Andererseits gibt es die Angst vor Infektionen. Es werde trotz Hygienekonzepten zu Lockdowns an Schulen kommen, denkt Stephan Wassmuth vom Bundeselternrat. Es gäbe leider keine einheitliche Lösung der Bundesländer beim Hygienekonzept, kritisierte er im Dlf. "Jeder kocht da wieder sein eigenes Süppchen."
Auch unter den Virologen gehen die Meinungen auseinander, inwiefern Präsenz-Schuluntericht möglich ist bzw. das Infektionsrisiko erhöhe. Zwar kamen in der ersten Jahreshälfte 2020 Studien heraus, die in Kindern keine Treiber des COVID-19-Infektionsgeschehens sahen. Die Gesellschaft für Virologie bewertet das aber nun anders.
Die Virologin Isabella Eckerle von der Universität in Genf hält die vorliegenden Daten zur Rolle von Kindern im Infektionsgeschehen für nicht zuverlässig. Man müsse "sehr vorsichtig sein mit den Daten, die man in der ersten Hälfte des Jahres gewonnen hat", sagte sie im Dlf. "Man hat tatsächlich zunächst nur einen geringen Anteil an Kindern gesehen. Man weiß aber inzwischen auch, dass Kinder in der Regel nur sehr mild oder auch asymptomatisch (symptomlos) infiziert sind. Das heißt, die sind bei den ganzen Studien, die durchgeführt wurden, einfach unter dem Radar geblieben."
Auch der Virologe Christian Drosten mahnt zur Vorsicht: "Dass die Kinder weniger infektiös sind oder weniger empfänglich für die Infektion, das sieht für mich überhaupt nicht so aus."
"Aber dennoch würde ich zum Beispiel als Privatperson und nicht als Virologe durchaus auch natürlich die Notwendigkeit sehen und unterstützen, dass dieser gesellschaftlich extrem wichtige Bereich der Kinderbetreuung und Erziehung wieder belebt werden muss", sagte Drosten. Seine Studie war allerdings strittig.
Eine Studie aus Baden-Wüttemberg sagte vor wenigen Monaten hingegen deutlich, dass Kinder keine Treiber des aktuellen Corona-Infektionsgeschehens seien.
"Es wird kein normaler Schulbetrieb sein, es wird kein normales Schuljahr sein", sagte
Kai Maaz, der Geschäftsführende Direktor beim Leibniz Institut für Bildungsforschung und Information, im Dlf
. Er leitet eine Kommission im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir mit Unsicherheit leben." Präsenzunterricht müsse medizinisch vertretbar sein, aber "wir wissen nicht, wie sich die Infektionszahlen verändern".
Im Corona-Lockdown hätten sich eine Reihe von Problemen aufgestaut, die bis zum Beginn des neuen Schuljahres nicht abgearbeitet seien. Dazu gehörten auch die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen Kinder in den letzten Wochen zu Hause gelernt hätten. Deshalb müsse man unter anderem für das neue Schuljahr darüber nachdenken, die Lehrpläne zu entschlacken, Kürzungen in den Lehrplänen vorzunehmen. Das dürfe aber nicht zu Lasten der Qualität der Bildung gehen.