Jörg Bannier wischt die Tafel. Soeben ist für den Lehrer am Berliner Max-Planck-Gymnasium die letzte Stunde zu Ende gegangen: Grundkurs Mathematik, zweites Semester. Doch Bannier unterrichtet nicht nur Mathe, sondern auch Informatik. Das Aufwachsen mit Smartphones sei für seine Schüler selbstverständlich. Aber deswegen könne man sie noch lange nicht allesamt als "digital natives" bezeichnen, sagt Bannier:
"Ich merke das auch, wenn ich einfach mal frage, seit wann gibt es das Internet. Dann kommt so eine Antwort, das Internet muss es bestimmt schon seit 150 Jahren geben, bei dem, was da alles drinsteht. Die sagen, die ganze Menge an Informationen, die muss ja erst mal geschrieben werden, die muss ja da erst mal rein, das geht ja gar nicht in fünf oder in zehn Jahren - also muss das sehr lange sein."
Nachholbedarf bei der digitalen Bildung sei also auf jeden Fall vorhanden, meint Bannier. Ein weiteres Problem: die mangelhafte technische Ausstattung der Schulen.
"Wir haben nur zwei Computerräume für alle Klassen insgesamt zur Verfügung. Das heißt, auch hier wäre dann in meinen Augen es wirklich so: Die Schulen müssten besser ausgestattet werden. Es besteht die Möglichkeit, dass man das mit Laptops dann zusätzlich macht, dass man dann da mehrere Klassensätze den Schulen zur Verfügung stellen würde."
Medienkompetenz an Schulen stärken
Auch die Bundesregierung will die digitale Bildung in Deutschland verbessern - und die Medienkompetenz an den Schulen stärken. Schließlich habe die ICILS-Studie vom vergangenen Herbst eines gezeigt:
"Entlang der sozioökonomischen Verhältnisse und des Bildungsstands der Menschen verläuft in Deutschland, so die Studie, eine stabile digitale Spaltung", so Saskia Esken bei der ersten Lesung des Antrags der Großen Koalition im Bundestag. Esken hatte als Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für digitale Bildung an dem Antrag mitgearbeitet. Dieser sieht vor, den Umgang mit dem Internet und die Arbeit mit digitalen Lernmaterialien im Unterricht zu stärken.
"Und es geht dabei nicht um die ‚digitale Zwangsdigitalisierung', wie der Präsident des deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus befürchtet. Es geht auch nicht um die Abschaffung wichtiger Kulturtechniken wie lesen und schreiben. Sondern es geht um den didaktisch sinnvollen Einsatz, der sogar dazu führen kann, dass die Geräte, wenn es sinnvoll ist, auch mal ausbleiben", sagt der Berichterstatter der Unions-Fraktion, Sven Volmering.
Neben einem Breitbandanschluss für alle Schulen fordern Union und SPD in ihrem Antrag auch, das Thema digitale Bildung stärker an den Unis im Ausbildungsplan der Lehrkräfte zu verankern. Gefordert wird auch ein "Pakt für digitale Bildung", der die unterschiedlichen Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft stärken soll.
Kritik der Opposition
Auch die Opposition will die digitale Bildung an den Schulen stärken. Doch für die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, gehen die vorgeschlagen Ansätze in die falsche Richtung:
"Mich stört an Ihrem Antrag etwas ganz grundsätzliches: Ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie die Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland vor allem fördern wollen, um dem Fachkräftemangel begegnen zu wollen. Und nicht, um sie zu mündigen Bürgern in einer digitalen Gesellschaft zu machen."
Wegen der besonderen Kompetenzen im Bildungsbereich schlägt der Antrag einen Länderstaatsvertrag vor, um Maßnahmen zum digitalen Lernen zu verankern. Doch der bildungspolitischen Sprecherin der Links-Fraktion, Rosemarie Hein, geht das nicht weit genug:
"Sie beschränken sich auf Appelle, verweisen ein weiteres Mal auf die Länder. So wird die Digitalisierung auf sich warten lassen oder als Flickenteppich enden wie das ganze Bildungssystem."
Zurück ans Max-Planck-Gymnasium, wo Informatik-Lehrer Jörg Bannier gerade die letzten Stühle hochgestellt hat. Früher hat der Diplom-Mathematiker als Unternehmensberater gearbeitet, nun ist er Lehrer. Für Bannier ist vollkommen klar, was digitale Bildung in Schulen am ehesten vermitteln sollte:
"Ich denke, dass es einen Schritt zu weit geht, jedem Schüler zu erklären, was jetzt also dann technisch dahinter steckt. Wichtig ist in meinen Augen, die Gefahren zu erkennen, das heißt, wie weit gibt man eigentlich seine Daten frei, was bedeutet das? Einfach wissen, was das vom ethischen Standpunkt her bedeutet."