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Schulen in NRW
Streit um Unterrichtsausfall

An Schulen in Nordrhein-Westfalen fällt 1,7 Prozent des Unterrichts ersatzlos aus. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann hält das für eine positive Nachricht, schließlich habe sich der Unterrichtsausfall im Vergleich zu früheren Statistiken reduziert. Die Opposition deutet die Zahlen anders.

Von Moritz Küpper |
    Ein Klassenzimmer mit Tafel.
    Kein Lehrer im Klassenzimmer: Im Durchschnitt fällt an jeder Schule in NRW alle zwei Wochen eine Unterrichtsstunde aus. (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Das Humboldt Gymnasium in Köln. Mit rund 1.200 Schülern und 100 Lehrern ist es die größte Kölner Schule in der Innenstadt. Der Unterricht läuft, aus den Klassenräumen dringt Lärm. Direktor Harald Junge sitzt in seinem Dienstzimmer. Das Thema Unterrichtsausfall ist für ihn ein Dauerbrenner und obwohl Junge selbst leicht erkältet ist, ist die Situation momentan entspannt:
    "Im Moment haben wir nicht so große Probleme. Wir hatten eine Zeitlang, jetzt nach dem Jahreswechsel, hatten wir so eine kleinere Welle, in Kombination mit Schneesportwochen, da war es schwierig, aber im Augenblick ist der Krankenstand relativ niedrig."
    Für Junge hat Unterrichtsausfall zwei Gründe: Entweder kurzfristig krankheitsbedingt oder strukturell, sprich: Unterbesetzung oder Abwesenheit der Lehrer aufgrund Klassenfahrten oder anderer Verpflichtungen wie Zeugniskonferenz oder Elternsprechtagen. Als Beweis zeigt er auf die Tür: Dort hängen Fotos aus der letzten Schneewoche. Doch gerade letzteres sei nicht immer leicht vermittelbar. Junges gelassener, subjektiver Blick auf die Situation wird nun auch objektiv bestätigt.
    Düsseldorf, der Landtag NRW. Hier präsentiert Schulministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen die Unterrichtsausfallstatistik für das Schuljahr 2014/15, wie eine zweiwöchige Stichprobe aus dem Herbst 2014 an 770 der insgesamt 5.700 öffentlichen Schulen in NRW heißt. Lange hatte sich die Ministerin dagegen gesträubt, zu ungenau und damit unglaubwürdig seien die Zahlen. Dennoch, durch das Ergebnis konnte sie sich bestätigt fühlen:
    "Wir haben jetzt die Stichprobe gemacht, vergleichbar zu den Stichproben der Vorgängerregierung und haben einen hochgerechneten Unterrichtsausfall von 1,7 Prozent. Die letzte Stichprobe hatte einen Wert von 2,4 Prozent, insofern zeigt das, dass unsere Schulen sehr verantwortlich daran arbeiten, dass so wenig Unterricht wie möglich ausfällt und dafür bin ich den Schulen sehr, sehr dankbar."
    Ein Trend, der sich in der Statistik wiederfindet: Denn tatsächlich gehen die Schulen inzwischen häufiger dazu über, Stunden, die auszufallen drohen, vertreten zu lassen: Der Anteil der Vertretungsstunden ist steigend, von 5,6 auf 7,5 Prozent. In den Oberstufen von Gymnasien und Gesamtschulen wird in 80 Prozent solcher Fälle das sogenannte eigenverantwortliche Lernen angesetzt, bei dem der Lehrer fehlt.
    Opposition deutet Statistik anders
    Von daher interpretiert die Opposition, aber auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) die Zahlen anders: Dessen Vorsitzende Udo Beckmann sagte, als Ausfall müsse jede Unterrichtsstunde gewertet werden, die nicht laut Stundenplan erteilt werde. Dahinter liegt ein grundsätzlicher Konflikt: Denn im Vergleich zur letzten Erhebung aus dem Schuljahr 2009/10 waren in NRW die Schüler auch häufiger außerschulisch unterwegs. 8,7 Prozent des Unterrichts fiel dafür aus – 2010 waren es noch 4,6 Prozent, was Löhrmann aber ausdrücklich begrüßte:
    "Natürlich ist außerschulisches Lernen, sind Klassenfahrten, sind Betriebspraktika ganz wichtige Elemente von Lernen. Und wir werben ja dafür, dass wir ganzheitlich auf das Lernen schauen und jetzt nicht nur isoliert auf einen Punkt."
    Für Claudia Fülling, kommissarische Schulleiterin am Gymnasium Kreuzgasse in Köln, einer bilingualen Schule mit vielen Projektangeboten, ein Punkt, an dem man sich daher – auch und gerade hinsichtlich der Statistik – entscheiden müsse:
    "Wir haben ja den Wunsch, dass Schule, ein lebendiges Schulleben auch ermöglicht, das heißt, dass Lernen nicht nur im Schulgebäude selber, im Unterricht stattfindet, sondern das Unterricht auch in außerunterrichtlichen Lernorten geschieht. Das bedingt natürlich, dass durch Exkursionen, Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte zeitweise nicht da sind."
    Und damit womöglich weitere Vertretungen nötig wären. Doch dies soll auch künftig überprüfbar sein. Denn NRW-Schulministerin Löhrmann will nun auch in den kommenden Jahren an der einst ungeliebten Stichprobe zum Unterrichtsausfall festhalten.
    Dies birgt allerdings auch die Gefahr, sich auf die Ausfall-Statistik fokussieren, auch und gerade im Dialog mit den Eltern, wie Direktorin Fülling selbst erlebt. Sie plädiert stattdessen für eine richtige Einordnung der Zahlen:
    "Da erhoffe ich mir, dass eine quantitative Schau, nicht den Blick verengt, zu sehr verengt, auch zu sehr verengt, als ob es eine Kausalität gebe: Je mehr Unterricht, desto besser auch Leistungen."