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Schulen in Sachsen-Anhalt
Der Landesvater als Lehrer

Aus diesem Twitter-Scherz wurde ernst: Von seinem Bildungsminister per Tweet herausgefordert, gab Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff eine Schulstunde in Physik - als Lehrer. Denn davon gibt es in seinem Land immer weniger.

Von Christoph Richter |
    Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff
    Ministerpräsident Reiner Haseloff ist promovierter Physiker, aber macht ihn das auch zu einem guten Lehrer? (picture alliance/dpa/Jens Wolf)
    "Liebe Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse, oder man muss ja schon sagen, sehr verehrte Damen und Herren."
    Für Ministerpräsident Reiner Haseloff, einen promovierten Physiker, keine alltägliche Aufgabe, sich in der Landesschule Pforta an das Lehrerpult einer zwölften Klasse zu stellen.
    "Das Faszinierende an dem Experiment ist Folgendes: Ich messe eine der ganz wenigen Größen - für uns Menschen fundamentale Größe - die Elektronenmasse."
    Haseloff erklärt den Kosmos
    Haseloff hat nicht nur einen einfachen physikalischen Versuch gemacht, indem er die Wechselwirkung von Elektronen, Magnetfeld und Gasteilchen mittels einer Elektronenkanone erklärt hat, sondern es ging ihm auch um die großen metaphysischen Fragen.
    "Die Überschrift war ja: 'Was die Welt im Innersten zusammenhält und warum die Welt zusammenhält.' Und die Unterschiedlichkeit der Elektronen- und der Protonenmasse beantwortet genau die Frage, also ob es einen Kosmos gibt oder nicht."
    Die Schüler in der in der Landesschule Pforta - eine über 470 Jahre alte Bildungsanstalt mit angeschlossenem Internat - sind hoch konzentriert. Eine einst mittelalterliche Klosteranlage - idyllisch im Saale-Tal gelegen, vor den Toren Naumburgs. Die Schüler finden den Unterricht mit dem Ministerpräsidenten lustig, monieren aber:
    "Also es war so ein Mittelding. Man hat gemerkt, dass er schon lange aus dem Beruf raus ist, dass der Unterricht eher ein Vortrag war, als eine Arbeit zwischen Schülern und ihm."
    Nur eine PR-Aktion?
    Schöne PR-Aktion nennt es Eva Gerth, die GEW-Landesvorsitzende und rümpft leicht pikiert die Nase.
    "Ich glaube, richtig Schule hat Herr Haseloff nicht mitgekriegt. Wahrscheinlich hat ihm einer auch den Versuchsaufbau hingeräumt und räumt ihn hinterher wieder weg. Insgesamt läuft Schule ja ein bisschen anders."
    Die frühere Lehrerin Eva Gerth rät dem Regierungschef, mal richtig hinter die Kulissen zu schauen, um sich mal mit der realen Situation der Schulen in Sachsen-Anhalt auseinanderzusetzen. Denn die Landesschule Pforta sei ein Elite-Gymnasium, eine Musteranstalt, weshalb das mit dem normalem Schulbetrieb überhaupt nicht zu vergleichen sei.
    "Er würde als Erstes feststellen, dass Schülerpausen nicht gleich Lehrerpausen sind. Und er würde in einer dieser kurzen Pausen erfahren, dass er gleich eine Vertretungsstunde machen muss, weil wieder eine Lehrkraft ausgefallen ist. Das ist der Alltag an unseren Schulen: Es fallen Lehrkräfte aus, es fallen Stunden aus, es werden Stunden gekürzt."
    Dramatischer Lehrermangel in Sachsen-Anhalt
    Es ist die Rede von etwa aktuell 700 fehlenden Lehrern. Eva Gerth von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Magdeburg spricht von insgesamt 8.000 Lehrern, die man bis zum Jahr 2025 benötige, weil sie aus Altersgründen ausfallen. Mehr als die Hälfte aller Lehrer in Sachsen-Anhalt. Eigentlich hätte man schon vor Jahren umsteuern müssen, sagt Eva Gerth, und spricht vom Notstandsgebiet Sachsen-Anhalt.
    "Die Schulen sind in den letzten Jahren richtiggehend kaputtgespart worden. Wir haben gut ausgebildete Lehrkräfte weggeschickt. Jetzt ist das Problem größer, es gibt kaum Bewerbungen auf unsere Ausschreibungen, die Lehrkräfte können sich die Stellen aussuchen. Das heißt, es gibt Stellen wie in Wittenberg, Dessau oder der Altmark, wo kaum einer hin will. Wir haben richtig Not."
    Weshalb man jetzt über alternative Möglichkeiten nachdenken müsse, um Lehrer aufs Land zu locken, sagt Gewerkschafterin Gerth fast ein bisschen verzweifelt. Es ist gar die Rede davon, Lehrern verbilligte Grundstücke oder Immobilien anzubieten. Auch besondere finanzielle Anreize sind im Gespräch. Ein schwieriges Unterfangen.
    Denn an Sachsen-Anhalts Universitäten bleiben trotz der rosigen Jobaussichten sogar Lehramtsstudienplätze unbesetzt. Das geht aus der Antwort des Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der SPD hervor.
    Landesschule Pforta nicht repräsentativ
    Von alldem spürt man an der Landesschule Pforta so gut wie nichts. Hier tropfen keine Wasserhähne, stattdessen blitzt der grüne Rasen eines eigenen Fußballplatzes. Man hat fast den Eindruck, auf einem anderen Stern zu sein. Denn morgens läuten die Glocken zum Aufstehen, im Mönchsrefektorium, dem historischen Speisesaal wird gefrühstückt. Im Inneren des Hauses führen breite Treppenaufgänge in dunkle Flure, in Vitrinen stehen ausgestopfte Vögel oder historische Apparaturen. Die Wirklichkeit Sachsen-Anhalts ist hier weit entfernt.
    Dennoch: Die Christdemokraten - der Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bildungsminister Marco Tullner genießen es:
    "Das ist ja auch Wirklichkeit, das ist ja eine Landesschule, das ist ein Element. Jede Schule hat ihre eigenen Problemlagen. Wir gehen in den anderen Bereich auch und deswegen muss auch keine Gewerkschaft beunruhigt sein."