Vorkurs an der Grundschule Halmerweg in Gröpelingen. Sechs Kinder, aus Syrien, Bulgarien und der Türkei toben in dem kleinen Raum - ein richtiges Klassenzimmer gibt es nicht. Patrizia ist erst eine Woche dabei, die Geschwister Tala und Basil lernen schon ein halbes Jahr Deutsch bei Barbara Schüll. Was ist Obst? Was ist Gemüse. Der Wissensstand der Kinder könnte unterschiedlicher nicht sein - das macht den Unterricht nicht gerade leichter.
Trotzdem, die gute Nachricht ist: "Wir machen das schon ziemlich gut." Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, weiß aber auch: Deutschland könnte es noch viel besser machen. Die Integration durch Bildung, oder, wie sie lieber sagt, das Einleben: "Was die Studie zeigt ist und was wir jetzt erleben, dass der Übergang eine schwierige Situation ist."
"Eine Frage des Glücks"
Die Studie, von der Marlis Tepe spricht, hat die Bremer Professorin Dita Vogel erarbeitet. "Deutschlernphasen von drei Monaten bis zu zwei Jahren werden vorgeschaltet, in denen sehr wenig Fachunterricht gemacht wird. Da wird gesagt: Erste und sechste Stunde gehen die in die Regelklasse und da kriegen die dann eine von drei Stunden Mathe mit. das funktioniert natürlich nicht."
Die Überschrift der Studie lautet: "Chance und Hoffnung durch Bildung", wurde in mehreren europäischen Ländern parallel durchgeführt und von der Bildungsinternationalen finanziert. Wie groß in Europa aber auch in Deutschland die Chancen und die Hoffnung sind, das ist sehr unterschiedlich verteilt. "Es ist eine Frage auch des Glücks, an welche Schule Kinder kommen."
Das gilt für Geflüchtete genauso wie für Kinder in abhängten Stadtteilen oder ländlichen Regionen. Und das, obwohl es, wie in ganz Europa, ein Recht auf Bildung gibt. Es kann nur nicht immer umgesetzt werden. Und die, die es brauchen, fordern es nicht ein - wenn sie beispielsweise in der Erstaufnahmelagern monatelang auf einen Platz in der Vorklasse warten müssen.
"Das ist ein Punkt, wo wir mehr Verantwortung übernehmen müssen." Mehr kompetente Lehrkräfte, das sei die Antwort. Lehrkräfte, die es momentan aber nicht gibt. 2015 - haben GEW und Kultusministerkonferenz berechnet - haben 24.000 Lehrer gefehlt.
"Deswegen fordern wir, dass das ein reguläres Fach im Studium werden muss und auch im Vorbereitungsdienst und wir sind auch felsenfest davon überzeugt, dass das eine Dauerproblematik bleibt und das es nicht mit vorrübergehenden Beschäftigungen geregelt werden kann."
Auf bilinguale Sprachassistenzen setzen?
Natürlich sind in zwei Jahren keine 24.000 Lehrer mit einer Ausbildung Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache ausgebildet worden. Die, die jetzt in den Klassen stehen, haben oftmals keine Fortbildung und mussten ins kalte Wasser springen: "Wir haben da gute Beschlüsse der Kultusministerkonferenz zum interkulturellen Lernen, aber die werden eben vielfach noch nicht umgesetzt."
"Da müsste noch mehr in der Fortbildung getan werden, damit die Lehrkräfte nicht so stark überfordert sind. Und es wäre zu überlegen, ob es nicht auf bilinguale Sprachassistenzen geben könnte, also Personen, die so in der Anfangszeit mit in den Unterricht gehen, die übersetzen und so durch eine zusätzliche erwachsene Person auch den Übergang in den Regelunterricht erleichtern."
Das fände Barbara Schüll auch toll. Sie ist ein Integrationsprofi. Seit 15 Jahren unterrichtet sie Deutsch als Zweitsprache. Der Anteil an Migranten in dem Bremer Stadtteil ganz im Westen war immer schon sehr groß. Aber in ihrem Klassenzimmer ist definitiv kein Platz für einen zweiten Pädagogen. Es fehlt an allem. Auch an Unterstützung.
"Jetzt haben wir Kinder, die lernen schnell, die kann man schnell in die Klassen geben. Dann wird sofort aufgefüllt. Es gibt keinen freien Platz mehr. Wir sind ständig in dieser Wiederanfangsphase. Und das ist das, was mürbe macht."
Dennoch - die gute Nachricht bleibt: Es kann klappen. Aber: "Es ist auch zwingend eine Frage von Geld." Und: "Man muss es wollen!"