"Das ist eine uralte Forderung von uns aus! Das ist längst überfällig. Das muss schulgeldfrei werden", sagt Heinz Christian Esser Geschäftsführer des Spitzenverbandes der Heilmittel-Verbände.
"Ein Arzt, der 100.000 Euro demnächst verdient, hat das Studium umsonst. Wir verdienen 30.000 Euro im Jahr und sollen unsere Ausbildung selber bezahlen. Das ist schon heftig.
15.000 für dreijährige Ausbildung
Denn bislang ist es noch so: Wer sich den Traum von der Physiotherapie als Beruf in Deutschland erfüllen will, braucht vor allem Geld. Ab 15.000 Euro aufwärts stecken Schülerinnen und Schüler in die dreijährige Ausbildung an einer Schule für Heilberufe. Motivierte Talente wie Ann-Kathrin Matschke und Stefan Schüller wären an dieser Hürde fast gescheitert:
"Ich hatte halt das furchtbare Glück, dass meine Mutter mir diesen Traum vom Physiotherapeuten verwirklicht. Die zahlt jetzt meine kompletten Schulgebühren und ermöglicht mir halt, dass ich ohne noch einen weiteren Nebenjob das Ganze tatsächlich über die Bühne bringen kann."
"Bei mir ist es so, dass meine Eltern frühzeitig für mich nach meiner Geburt ein Ausbildungskonto angelegt haben und da genug Geld angesammelt haben. Nichts desto trotz um jetzt auch noch Wohnung zu finanzieren, Fahrtkosten etc. mache ich halt auch noch einen Nebenjob am Wochenende."
Für zwei von drei Schülern an der Akademie für Physiotherapie Medicoreha in Neuss würde es ohne Nebenjob nicht gehen – obwohl die Privatschule mit circa 400 Euro pro Monat eher im mittleren Preissegment liegt. Doch ob mehr oder weniger: Das Schulgeld für die eigene Ausbildung ist in diesem Berufsfeld nur der Anfang:
"Weil es dann nach der Ausbildung noch mal weitergeht mit Fortbildungen, Zusatzqualifikationen, die auch noch mal zusätzlich Geld kosten. Also ist man eigentlich, bevor man mit dem Beruf mal Geld verdient, erst einmal eine ordentliche Summe los." - "Unfair ist sicherlich das richtig Wort für das, was das angeht."
Nachwuchsmangel bei Heilberufen
Draufzahlen für die eigenen Ausbildung bei einem Einstiegsgehalt von 2.000 Euro brutto – kein Wunder, dass die Heilberufe unter Nachwuchsmangel leiden. Ergo-, Physio- oder Logotherapeuten werden am Markt dringend benötigt, sagt Heinz Christian Esser:
"Deswegen ist das Thema ja überhaupt auf die Tagesordnung gekommen. Uns fehlt der Nachwuchs."
Doch ohne klare Ansage durch ein Bundesgesetz geht die Sache offenbar nicht voran. Trotz bundesweiten Fachkräftemangels ist Nordrhein-Westfalen aktuell erst das zweite Land nach Baden-Württemberg, das im Länderhaushalt Mittel für eine freie Ausbildung in den Heilberufen einplanen will. So hat es in der vergangenen Woche NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann angekündigt. Ein Bundesgesetz– so es denn mit einer Großen Koalition kommt – bringt auch die anderen Länder in Zugzwang:
"Die müssen umsetzen. Die Fachhochschulen und Hochschulen werden ja auch von den Bundesländern finanziert. Inzwischen gibt es Studiengänge Physiotherapie, diese Studiengänge werden finanziert – von wem? Vom Land."
"Wir haben auch in Partnerschaft mit den Kostenträgern einen Versorgungsauftrag", schließt Dieter Welsink an, in Neuss Geschäftsführer der Reha- und Therapieeinrichtungen Medicoreha:
"Wir müssen dafür sorgen, dass die Patienten relativ schnell an den Arbeitsplatz zurückkommen nach Operationen, dass sich chronische Erkrankungen nicht manifestieren und dafür brauchen wir Fachkräfte. Und ich glaube, da hat die Politik jetzt die richtigen Weichen gestellt. Sonst kriegen wir keine jungen Leute mehr in diese wichtigen, aber auch attraktiven Berufsbilder."
Einheitlich Ausbildungsverordnung fehlt bislang
Mit der Schulgeldfreiheit steht auch eine einheitliche Ausbildungsverordnung für die Schulen bundesweit ins Haus. Sie fehlt bislang. Auch die sehr unterschiedlichen Kostenkalkulationen der 370 Schulen für die Heilberufe-Ausbildung käme auf den Prüfstand. Einbußen befürchtet der Unternehmer Welsink dennoch nicht. Er sieht vor allem auf die Habenseite einer schulgeldfreien Ausbildung:
"Wir sehen deutlich, dass das Schulgeld schon eine Hürde ist. Und man schließt damit Schüler aus, die durchaus für den Beruf sehr geeignet sind. Also insofern – sagen auch wir – für die Qualität des Berufsstandes, ist es schon wichtig, dass auch alle den Zugang zu dieser Ausbildung haben, die sich dafür geeignet fühlen und das nicht vom elterlichen Portemonnaie abhängig ist."