Die kleine Shenaiza Rasul ist unzufrieden oder traurig, vielleicht hat sie nur Hunger. Ihre Mutter Maidas Hassan Ilonga versucht, das kleine Mädchen zu beruhigen. Dabei ist der 19-jährigen Mutter selbst fast zum Weinen.
"Ich bin immer noch verletzt und traurig, obwohl das alles schon ein paar Monate her ist. Aber ich würde immer noch am liebsten weiter zur Schule gehen. Ich hatte meine eigenen Pläne für mein Leben."
Monatlicher Schwangerschaftstest in der Schule
Von denen ist nichts geblieben: Als sie 18 Jahre alt war und kurz vor dem Abitur stand, wurde Maidas Hassan schwanger. Sie sagt, ihr damaliger Freund habe sie zum Sex gezwungen, er hatte sie eingeschlossen, sie konnte nicht fliehen. Das Ergebnis ließ sich nicht verheimlichen: In vielen tansanischen Schulen werden alle Mädchen ein Mal im Monat auf eine Schwangerschaft getestet. Kurz nachdem das Ergebnis bei Maidas positiv gewesen war, kamen Polizisten in ihre Klasse.
"Ich wurde verhaftet und zur Polizeistation in der nächsten Stadt gebracht, in Tandahimba. Sie erklärten mir, dass sie mich verhaftet hatten, weil ich schwanger bin, obwohl ich die Schule noch nicht abgeschlossen habe. Danach schlossen sie mich für einen Tag in eine Zelle. Danach ließen sie mich frei."
Allerdings nur auf Kaution. Das Schulverbot gegen schwangere Mädchen hatte der tansanische Präsident John Magufuli Mitte vergangenen Jahres verkündet. Magufuli ist ein streng gläubiger Katholik, vor seiner politischen Karriere arbeitete er als Mathe- und Chemielehrer. Magufuli forderte außerdem 30 Jahre Haft für die Väter.
"Wir sind immer noch der Überzeugung, dass unsere Kinder in die Schule gehen müssen, damit sie eine erfolgreiche Zukunft haben. Aber wenn die Mädchen schwanger werden, müssen die gültigen Regeln und Gesetze umgesetzt werden."
Väter zur Fahndung ausgeschrieben
Sebastian Waryuba ist der Distriktgouverneur von Tandahimba, etwa 600 Kilometer von der größten Hafenstadt Daressalaam entfernt. Hier lebt auch die junge Mutter Maidas mit ihrer kleinen Tochter. Der 50-Jährige sitzt hinter einem großen Schreibtisch in einem ansonsten weitgehend leeren Büro.
"Bis Ende 2017 mussten 55 schwangere Schülerinnen die weiterführende Schule verlassen, und sieben die Primarschule. Bis jetzt haben wir es geschafft, sechs Mädchen und ihre Eltern zu verhaften und sie zu verhören."
Die Väter der ungeborenen Babys wurden zur Fahndung ausgeschrieben, die jungen Frauen und ihre Eltern gegen Kaution entlassen.
"Ich wollte Ärztin werden. Seit ich aus der Schule ausgeschlossen wurde, sind die Hoffnungen, die ich für mein Leben hatte, zerstört. Ich weiß nicht, was passiert."
Der Vater ihres Kindes verschwand, als er von der Schwangerschaft hörte.
Bildung ist in Tansania ein Privileg
Tandahimba ist eine ländliche Gegend, Maidas Eltern sind Bauern. Sie bestellen ein paar Felder, haben Ziegen. Seit sie die Schule verlassen musste, verbringt sie ihre Tage in der einfachen und schmucklosen Hütte ihrer Eltern. Die Wände sind unverputzt, Schränke gibt es nicht. Die Kleidung hängt an Nägeln. Maidas Vater Hassan Mfalme Ilonga redet kaum noch mit seiner Tochter. Ihn hat nicht zuletzt empört, dass er festgenommen wurde.
"Ich wurde für ein Vergehen festgenommen, das ich noch nicht einmal begangen habe. Dabei habe ich so in meine Tochter investiert und alles dafür getan, dass sie eine Zukunft hat. Ich selbst bin nie in die Schule gegangen. Ich habe sie von der ersten Klasse bis fast zum Abitur in die Schule geschickt. Und sie hat alles versaut. Geld vergeudet, das ich durch Feldarbeit hart verdient habe."
Bildung ist in Tansania ein Privileg, das sich nicht viele leisten können. Auch die vielen Schwangerschaften haben mit Armut zu tun: viele können sich keine Verhütungsmittel leisten. Häufig fehlt es an Aufklärung. Zahlreiche Mädchen werden außerdem Opfer sexueller Ausbeutung oder werden - wie Maidas - vergewaltigt.
Menschenrechtler sind deshalb entsetzt über die Praxis, schwangere Mädchen aus dem Unterricht zu verbannen.
Human Rights Watch entsetzt über die harte Praxis
Sofia Kilunde unterrichtet Geschichte an der Schule, aus der Maidas verwiesen wurde. Sie hält gar nichts von Arrest und Schulverbot für schwangere Schülerinnen.
"Wir versuchen, die Mädchen in der Schule auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Wir bringen ihnen auch bei, wie sie darauf reagieren können, wenn Männer versuchen, sie zu verführen. Diejenigen, die trotzdem schwanger werden, sollten eine zweite Chance bekommen, damit sie sich die Träume für Ihr Leben erfüllen können. Die meisten, die wegen einer Schwangerschaft von der Schule verwiesen wurden, waren sehr gute Schülerinnen."
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sind entsetzt über die harte Praxis der tansanischen Regierung. Tansania habe internationale Konventionen unterzeichnet und sich verpflichtet, jede Diskriminierung im Unterricht abzuschaffen. Das Schulverbot sei nicht einmal mit den Gesetzen des Landes vereinbar. Laut einer Umfrage von Human Rights Watch sind auch 70 Prozent der Bevölkerung Tansanias gegen das Schulverbot. Ganz allein steht die tansanische Regierung mit ihrer harten Linie nicht: Im westafrikanischen Sierra Leone werden schwangere Schülerinnen ebenfalls systematisch vom Unterricht ausgeschlossen, obwohl lokale Gesetze das verbieten.